PsychologieGlück lässt sich trainieren

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Das Unglück vorbeugen anstatt es irgendwann mit viel Kraft zu bekämpfen.

Das Unglück vorbeugen anstatt es irgendwann mit viel Kraft zu bekämpfen.

Köln – Die Idee von Fiona Baer und Nathalie Marcinkowski klingt so simpel und naheliegend, dass man sich eigentlich fragen muss, warum nicht schon längst jemand darauf gekommen ist. „Warum warten bis Stress und Überlastung zu einer immer größeren Lebensunzufriedenheit führen?“, fragten die beiden Psychologinnen. Besser ist es, frühzeitig und systematisch dafür zu sorgen, dass Menschen glücklicher und zufriedener sind, sie ihre Ressourcen trainieren und damit Burnout oder Depression vorbeugen.

Das Unglück vorbeugen

In vier Jahren Forschungsarbeit haben die beiden angehenden Doktorandinnen gemeinsam mit Wissenschaftlern der Unis Bochum und Rotterdam sowie mit dem Direktor der Happiness Research Organisation Kai Ludwigs ein mentales Fitnesstraining entwickelt „Happiness Mentoring“, so der Name des wissenschaftlich fundierten Programms, soll helfen, das Glücksempfinden zu steigern – und helfen, eine Lücke im Gesundheitssystem zu schließen. Tatsächlich nämlich griffen die Maßnahmen des Systems bisher erst, wenn Depression oder Burnout manifest und behandlungsbedürftig geworden seien. „Erst dann wird mit psychiatrischen Interventionen oder Verhaltenstherapien versucht, dem bereits pathologischen Befund entgegenzuwirken“, beklagt Fiona Baer.

Depressionen werden mehr

Dass dieser Ansatz nicht zielführend sei, verdeutliche ein Blick auf die Zahlen. Trotz eines inzwischen umfangreichen Behandlungsangebots gehen die Depressionsraten nicht zurück. Im Gegenteil: 2030 werden Burnout und Depression zu den häufigsten Krankheiten in Industrienationen gehören, so die Prognose der WHO. Dieser Entwicklung könne vorgebeugt werden, wenn gezielt gegen ein in großen Teilen der Gesellschaft vorherrschendes „subklinisches Unwohlbefinden“ vorgegangenen werde. Davon sind Baer und Marcinkowski überzeugt. Für Menschen mit diesem noch subklinischen, also noch nicht pathologischen Unwohlsein würde in dem von den Bochumer Wissenschaftlern konzipierten psychologischen Modell die Glücksampel von „grün“ bereits auf „gelb“ umspringen. Diese Menschen funktionieren noch gut, sie sind weder richtig glücklich, noch sind sie psychisch krank. Bei einigen von ihnen jedoch besteht die Gefahr, dass sie in den roten, pathologischen Bereich abrutschen. Bei vielen anderen wiederum fehlt nur ein kleines Quäntchen zum Glücklichsein – der entscheidende Anstoß, um vom gelben in den grünen, glücklichen Bereich zu kommen. Genau da setze das Programm „Happiness Mentoring“ an, erklärt Fiona Baer.

Den Alltag unterbrechen und sich dem eigenen Glück zuwenden

Zum einen werden die Teilnehmer des mehrwöchigen Programms durch eine App auf ihrem Smartphone mehrfach am Tag daran erinnert, den Autopiloten, mit dem wir uns durch den Alltag bewegen, für einen kurzen Moment auszuschalten und sich mit ihrem momentanen Glücksempfinden zu befassen. Zum anderen sollen sie sich in Einzelgesprächen und wöchentlichen Kursen intensiv mit Themen wie Achtsamkeit, Glückserfahrungen im Alltag, aber auch persönliche Stärken, Mut, Dankbarkeit oder soziale Beziehungen beschäftigen. Dass diese intensive Beschäftigung mit dem persönlichen Glücksempfinden tatsächlich auch zufriedener macht, konnte das Bochumer Psychologenteam in verschiedenen Forschungsarbeiten nachweisen. Kai Ludwigs etwa zeigte im Rahmen seiner Masterarbeit, dass allein schon die Beschäftigung mit dem Thema Lebenszufriedenheit die Menschen glücklicher macht. Die Hälfte seiner 350 Probanden befragte er dreimal während des vierwöchigen Studienzeitraums zu ihrem Glücksempfinden, die zweite Gruppe wurde zwischen der ersten und zweiten Befragung zusätzlich sechsmal täglich durch eine eigens entwickelte Smartphone-App ausgefordert, ihr Glücksempfinden zu beurteilen. Tatsächlich wurde das Glücksempfinden in beiden Gruppen stärker, bei der Smartphone-Gruppe stellte sich dieses Gefühl aber deutlich früher ein.

Krankenkassen zeigen bereits Interesse

Nathalie Marcinkowski ihrerseits testete im Rahmen ihrer Masterarbeit das im Happiness-Mentoring-Programm vorgesehene Kursmodell. Es zeigte sich, dass in allen drei Test-Kursen bei den Probanden im Verlauf ein deutlicher Abbau des Stresshormons Cortisol messbar war, vor allem bei den Teilnehmern, die zuvor angegeben hatten, sehr gestresst zu sein. Diese Studienergebnisse untermauern den Präventionsansatz der Bochumer Wissenschaftler. „Wir wollen bewusst dem Selbstoptimierungswahn entgegenwirken und sensibel machen für die kleinen und großen Glücksmomente im Alltag“, erklärt Fiona Baer. Ziel sei es, dadurch eine größere Resilienz und Lebenszufriedenheit zu erreichen. Mit verschiedenen Krankenkassen sind die Psychologen bereits im Gespräch. Einige hätten bereits Interesse bekundet, im Rahmen ihrer Präventionsprogramme nicht nur die körperliche Fitness ihrer Mitglieder zu fördern, sondern auch die mentale Gesundheit. Die Macher von „Happiness Mentoring“ sind optimistisch, dass ihr Programm, das sie in Köln, Düsseldorf und Bochum anbieten, schon bald von den Krankenkassen bezuschusst wird.

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