Quander-Interview„Was weg ist, ist weg“

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Georg Quander

Georg Quander

KÖLNER STADT-ANZEIGER: Herr Quander, wie haben Sie am Dienstag von dem Einsturz des Historischen Archivs erfahren?

GEORG QUANDER: Durch einen Telefonanruf unmittelbar nach der Katastrophe. Ich bin dann gleich hinübergeeilt und habe dort die Archivleiterin angetroffen - die verständlicherweise unter Schock stand. Eine Katastrophe.

Wie groß ist der Verlust?

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QUANDER: Das lässt sich noch nicht überblicken. Aber es ist ja bekannt, dass das Kölner Stadtarchiv eines der bedeutendsten Archive nördlich der Alpen ist. Dazu gehören auch all die Nachlässe - wir haben gerade erst den kompletten Nachlass von Heinrich Böll mit vielen Mühen angekauft. Das liegt jetzt alles in den Trümmern. Der Verlust ist meiner Einschätzung nach höher als bei dem Brand der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar.

Teile des Bestands sind immerhin fotografisch dokumentiert.

QUANDER: Ja, aber längst nicht alles. Wir haben Tausende von Stücken, die Unikate sind. Wenn die weg sind, sind die weg. Und außerdem - was ist ein Film gegen ein Original?

Das Archiv ist aber nicht komplett verloren?

QUANDER: Nein. Es steht ja noch der hintere Teil des Gebäudes. Wir haben gleich in der Nacht begonnen, Urkunden aus dem Keller zu räumen. Dabei handelt es sich um wertvolle Archivalien - aber ich kann diese jetzt nicht genau benennen. Das Hauptarchiv ist allerdings in das Loch gefallen. Zum Teil liegen die Archivalien dort relativ sicher auf dem Straßenasphalt. Zum anderen Teil ist die Decke durchgebrochen - dort sind die Bestände 20 Meter tief in das Loch hinabgefallen. Das ist furchtbar - auch weil dort das Grundwasser bei einem Pegel von zwölf Metern anfängt. Das ist das Schlimmste, was es für Archivgut gibt.

Wie schützen Sie die Objekte vor dem nächsten Regen?

QUANDER: Wir haben noch in der Nacht eine Firma beauftragt, eine Plane über die Trümmer zu legen. Anschließend wird dieselbe Firma ein Dach über den Trümmern errichten.

Wer rettet die Archivalien?

QUANDER: Unsere Wissenschaftler dürfen an das hintere Gebäude ran. Wir bekommen auch Hilfe von Kollegen aus Münster und Brauweiler und aus anderen Kölner Archiven. Die räumen zusammen mit THW und Feuerwehr. Da wird auch eine erste Schadensbewertung vorgenommen. Archivgut, das nass geworden ist, muss sofort tiefgekühlt und getrocknet werden. Wir haben auch ein Unternehmen gefunden, wo wir die Archivalien lagern können. Insgesamt gibt es eine enorme Hilfsbereitschaft.

Der ehemalige Archivangestellte Illner erhebt schwere Vorwürfe. Es habe Warnungen vor den Rissen im Haus gegeben, die aber nicht ernst genommen worden seien.

QUANDER: Das ist so wohlfeil, wie es der Sache nicht angemessen ist. Natürlich sind mit dem U-Bahn-Bau Schäden im Archiv aufgetreten wie an vielen anderen Gebäuden der Severinstraße auch. Diese Schäden sind von der Archivleitung dokumentiert worden und regelmäßig der Gebäudewirtschaft mit einer entsprechenden Gefahreneinschätzung unsererseits gemeldet worden. Die Gebäudewirtschaft ist ja der Betreiber des Hauses.

Sie sind also nicht verantwortlich für die Sicherheit?

QUANDER: Das Kulturdezernat ist für die Betriebssicherheit des Gebäudes nicht verantwortlich. Wir sind nur Mieter.

Wurde da Ihrer Ansicht nach hinreichend geprüft?

QUANDER: Die Gebäudewirtschaft hat all das genau bewertet - zuletzt nach den stärkeren Schäden im letzten Herbst. Da gab es ein externes Gutachten im Dezember, das Anfang Januar vorlag. Das stellte fest: Die aufgetretenen Schäden sind für die Standfestigkeit des Gebäudes nicht von Bedeutung. Die Archivleitung hat sich da nichts vorzuwerfen.

Haben Sie die Risse beunruhigt?

QUANDER: Was hier passiert ist, mag zwar einen Zusammenhang haben mit den Rissen, ist aber ein anderer Sachverhalt. Das Gebäude ist ja nicht in sich zusammengefallen wie die Eissporthalle in Bad Reichenhall, sondern es ist in einen Erdkrater hineingefallen, der sich plötzlich aufgetan hat.

Wer hat hier falsch kalkuliert?

QUANDER: Das kann ich Ihnen nicht sagen.

Der Einsturz war ja wohl keine Sache des Schicksals?

QUANDER: Nein, das ist richtig. Es hat dem Anschein nach mit dem U-Bahn-Bau zu tun. Aber auch die Fachleute können das noch nicht sauber analysieren. Ich tappe da im Dunkeln.

Das Gespräch führte Martin Oehlen.

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