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„Opa liebt Männer“Vom Leben mit unserem schwulen Großvater

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Inniges Verhälntnis: Opa mit Enkelin.

Wie erkläre ich meinem Kind, dass der Opa Männer liebt? Nun, wenn das Kind es gar nicht anders kennt, braucht auch niemand etwas zu erklären. Saskia, 30, jedenfalls hat zwei Kinder und die wachsen wie selbstverständlich mit ihrem schwulen Großvater auf. Hier erzählt sie ihre Geschichte.

Das Outing meines Vaters

Es war ein Abend im Februar vor fast 20 Jahren, als meine Eltern meinen Namen riefen. Ich solle nach unten kommen. Zig Dinge gingen mir durch den Kopf. Was habe ich denn angestellt? War irgendwas in der Schule? Oder ist etwas Schlimmes passiert?

Als Kullakeks schreibt Saskia, 30, aus der Nähe von Hannover über das Landleben mit ihrem Mann, den zwei Töchtern ( geb. Mär. 2011 und Dez. 2012), ihrem Kater Barney und ihrem Hund Sammy.

Ich wartete erstmal ab. Im Wohnzimmer saßen meine Eltern auf dem Sofa. Beide schauten ein wenig ernst und so ich bekam ein mulmiges Gefühl im Bauch. Die Stimmung war irgendwie angespannt und merkwürdig. Dann begann mein Papa:

„Mama und Papa verstehen sich nicht mehr so, wie es sein müsste… Es funktioniert so einfach nicht mehr… wir haben uns dazu entschlossen, uns zu trennen. Saskia, wir lassen uns scheiden.“

In diesem Moment riss es mir wirklich den Boden unter den Füßen weg. Ich saß da und mir liefen die Tränen. Meine Familie würde nie wieder so sein wie früher. Ab jetzt würde es ein „bei Mama“ oder „bei Papa“ geben. Dann sagte mein Papa plötzlich, dass es da noch einen Grund gibt. „Weißt du, ich muss dir da noch etwas sagen. Also… weißt du, ich bin schwul.“

Schwul? Ich dachte, ich hätte mich verhört

Erst dachte ich, ich hätte mich verhört, aber nachdem mein Papa mir noch einmal sagte, dass er auf Männer steht, fiel mir nur eine Antwort darauf ein: „Solange du nicht meine Sachen anziehst, ist das doch nicht schlimm.“ Binnen Sekunden war die Situation von angespannt auf locker gewechselt und ich – trotz der schlimmen Nachricht – ein wenig fröhlicher.

Ich merkte meinem Papa die Erleichterung an, denn was kann schwieriger sein, als sich vor seinen Kindern und seiner Familie zu outen? Ich war in diesem Moment – auch wenn ich immer noch sehr traurig war über die Trennung meiner Eltern war – so stolz auf meinen Papa. Ich nahm ihn direkt in den Arm, wollte aber trotzdem mit den ganzen Infos erst einmal für mich alleine sein und ging wieder auf mein Zimmer.

Das Ganze ist nun mittlerweile 18 Jahre her und für mich das normalste auf der Welt. Ich habe weder je ein Problem damit gehabt, noch war es mir peinlich. Na und, dann ist mein Papa eben schwul! Dann mag er eben lieber Männer als Frauen, ist doch nicht so schlimm.

Wie war das damals mit Mama?

Trotzdem hatte ich einige Fragen, denn er hatte ja schließlich Kinder bekommen – und dazu gehörten eben zwei. Ich habe viele, wirklich viele Gespräche mit meinem Papa geführt und bin ihm so unendlich dankbar für seine absolute Offenheit. Es hat mir teilweise mein Herz zerrissen, zu hören, wie schlimm es für ihn teilweise gewesen sein muss, mit einem Geheimnis zu leben, was eigentlich kein Geheimnis sein müsste.

Es tat mir leid, zu wissen, dass er nicht so leben konnte, wie er es gern gehabt hätte. Doch mein Papa hat das alles mit nur einem Satz in den Hintergrund geschoben. „Hätte ich dass alles nicht so gemacht, hätte ich heute keine zwei so wundervollen Kinder“.

Homosexueller Vater: Nie negative Reaktionen

Ich selber habe nie, wirklich nie negative Reaktionen aufgrund der Sexualität meines Vaters mitbekommen und wurde immer mit viel Toleranz überrascht. Ja, ich sage überrascht, da es auch in der heutigen Zeit nicht selbstverständlich ist. Und genau aus dem Grund wollten wir auch, dass unsere beiden Kinder von Anfang an offen und ehrlich erzogen werden, was das Thema Homosexualität angeht.

Opa mag lieber einen Mann an seiner Seite haben

Auf die Frage, wo denn die passende Oma für Opa ist, haben wir erklärt, dass Opa eben keine Frau hat. Opa hatte mal eine Frau, sonst wäre Mama ja nicht da, aber die beiden sind eben nicht mehr verheiratet. Opa mag viel lieber einen Mann an seiner Seite haben. Die Kleine versteht das Ganze noch nicht, aber die Große realisiert es so langsam immer mehr.

Mein Vater hat momentan keinen Partner, also bekommen die Mädels es nicht direkt mit, aber wir versuchen, so viel wie möglich zu erklären. Wenn sich mal Frau und Frau oder Mann und Mann küssen, schauen unsere Mädels auch erstmal komisch. Aber nach kurzer Erklärung sind sie völlig entspannt. Auch gegenüber ihren Freunden sind wir dabei ehrlich.

Auch der Freundeskreis reagiert positiv

Unser Freundeskreis weiß, dass mein Papa schwul ist, alle gehen damit locker um. Ich hoffe natürlich, dass unsere Mädels später genauso stolz sind, wie ich es auf meinen Vater bin.

Denn sind wir mal ehrlich: Was gibt es denn Cooleres als einen hübschen, schwulen Opa? Ich finde es einfach wichtig, dass unsere Kinder mit diesem Thema groß werden und es als normal empfinden. Jeder Mensch sollte die Möglichkeit bekommen, glücklich zu sein und geliebt zu werden und das egal ob Mann, Frau, schwarz oder weiß.

Dieser Beitrag erschien in einer etwas längeren Originalfassung ursprünglich im Blog „Kullakeks“.

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