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Halb Kind, halb TeenWas ist Vorpubertät – und steckt mein Kind schon drin?

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Zwischen Seifenblasen und Modelposen: Die sogenannte Vorpubertät ist ein Spannungsfeld zwischen Kindheit und Erwachsenwerden.

  • Schon im Grundschulalter können Kinder sich benehmen wie Teenager in der Pubertät.
  • Eltern reagieren meist irritiert darauf und fragen sich: Ist das nicht etwas früh?
  • Die Psychologin Dr. Bettina Hannover weiß, woran das liegt und erklärt, wie Eltern am besten damit umgehen.

Köln – Eben saß die 10-jährige Tochter noch vergnügt am Abendbrottisch. Doch dann reagiert sie auf einmal eingeschnappt und zickig. Fragt man nach, was los ist, füllen sich die Augen mit Tränen und es kommt bloß ein bockiges Achselzucken. Hoppla, was ist denn jetzt los?

Wenn Eltern bei ihrem Sohn oder ihrer Tochter etwa im späten Grundschulalter solche Veränderungen bemerken, sind sie meist irritiert. Kommt das Kind etwa jetzt schon in die Pubertät?

Das kann ja in dem Alter noch gar nicht sein. Der Sohn oder die Tochter ist nicht mehr klein, aber auch noch längst kein Teenager – eine Zwischenphase, die zunächst schwer zu (be)greifen ist.

„Man spricht in diesem Rahmen oft von vorpubertärem Verhalten“, sagt Psychologin Prof. Dr. Bettina Hannover von der Freien Universität Berlin, „das ist eine Phase, in der der körperliche Reifungsprozess noch nicht eingesetzt hat, die Kinder aber schon pubertäre Verhaltensweisen an den Tag legen.“ Dazu gehöre, dass sich Kinder zunehmend mit Themen des Erwachsenwerdens beschäftigten, sich von den Eltern loslösen und ihre eigene Zukunft entwerfen wollen. Vor allem aber stellten sie Fragen nach der eigenen Identität. „Vieles, was die Kinder bisher selbstverständlich hingenommen haben, wird auf einmal hinterfragt.“

Plötzlich ist Papas Hose peinlich

Und gibt es typische vorpubertäre Symptome? „Das kann sich in einer Rebellion oder einem Trotzverhalten gegenüber allem äußern, was mit familiären Gewohnheiten zu tun hat“, sagt Bettina Hannover. Plötzlich habe das Kind keine Lust mehr, sich normal mit an den Mittagstisch zu setzen oder findet Papas Hosen peinlich. Auf einmal spielt es eine größere Rolle, wie Gleichaltrige sind und denken. „Es gibt eine starke normative Kraft, wie man als Junge oder Mädchen in diesem Alter zu sein hat“, erklärt Bettina Hannover, „und die Kinder haben zunehmend prototypische Bilder im Kopf.“

Vorpubertät

Der Ausdruck „Vorpubertät“ ist kein wissenschaftlicher Fachbegriff, sondern wird oft verwendet, um kindliche Verhaltensweisen besser einzuordnen.

In welchem Alter die Vorpubertät beginnt, lässt sich nicht genau festlegen – genau wie bei der Pubertät, die individuell verläuft und sich über mehrere Jahre streckt.

Wegen des hohen Lebensstandards und der damit verbundenen besseren Ernährung setzen heute pubertäre Veränderungen weltweit früher ein. Die Pubertät beginnt bei Mädchen etwa zwischen 8 und 14 Jahren, bei Jungs etwa zwei Jahre später. 

Gerade in diesem Alter kann das für junge Menschen stressig werden. Eigentlich will man lieber noch Lego spielen, aber andere lesen schon Bravo. „Das ist genau das Spannungsfeld“, sagt Hannover, „wenn Kinder sehen, dass sie von anderen abweichen, versuchen sie das umso stärker zu kompensieren, selbst wenn sie vielleicht glücklicher wären, noch länger in ihrer kindlichen Rolle zu verharren.“

Bilder aus den sozialen Medien prägen das Selbstwertgefühl

Durch die sozialen Medien haben Kinder heute sehr viel früher Zugriff auf Informationen und Bilder und beschäftigen sich mit Themen, die eigentlich erst für Jugendliche und Erwachsene relevant sind. Gerade in den Bereichen Aussehen und Sexualität würden sie heute früh durch die Bilder geprägt, erklärt Hannover. Unproblematisch sei das nicht. Denn das, was gezeigt werde, sei nur ein verzerrter Ausschnitt der Realität. Wenn übermäßig schöne Menschen überall auftauchten, erlebten sich gerade Kinder in der Übergangsphase als fehlerhaft.

„Wir wissen heute, dass Kinder ihren Selbstwert ganz stark von ihrer körperlichen Erscheinung abhängig machen“, sagt Expertin Hannover, „und davon, was andere über ihr Aussehen denken.“ Mädchen seien davon stärker betroffen. Aber auch Jungs haderten mit ihrem Aussehen, besonders mit ihrer Körpergröße und ihrer Muskulatur.

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Eltern können Kindern im Gespräch Ängste nehmen

Eltern könnten ihre Kinder nicht vor diesen Einflüssen fernhalten, sie aber begleiten und unterstützen. „Wichtig ist, dass Eltern mit ihren Kindern in Kontakt bleiben und regelmäßig interessiert nachfragen“, erklärt Bettina Hannover. Wenn es um das Thema Attraktivität gehe, könnten sie etwa Fragen stellen wie: Glaubst du denn, dass alle Mädchen so aussehen? Warum belastet dich das? Hier könnten im Gespräch viele Ängste genommen werden.

Gerade wenn ein Kind darunter leidet, dass es sich körperlich später entwickelt als andere, könnten Eltern den Druck heraus nehmen, indem sie betonen, dass nicht alle Menschen gleich aussehen und jeder irgendwann erwachsen wird. „Es geht auch darum, die Kinder kompetent zu machen, damit sie selbst herausfinden, was ihnen gut tut“.

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