Himmelsstürmer im HerbstAlles was Sie über Drachen wissen müssen

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Drachenfliegen imago blickwinkel

Drachen steigen lassen klappt gemeinsam am besten.

Köln – Waren es böse Teufel, oder aber Schutzengel, die eine gut gemeinte Warnung aussendeten? Jedenfalls ergriffen die feindlichen Soldaten die Flucht, als sie die Fratzen der Drachen erblickten, die ein chinesischer General über ihrem Lager hatte steigen lassen. Vor etwa 1800 Jahren soll das passiert sein, und man weiß bis heute nicht, ob diese Geschichte nur eine Legende ist. Aber dass zu dieser Zeit bereits lenkbare Fluggeräte aus Papier oder Seide in der Luft standen, gilt unter Wissenschaftlern mittlerweile als gesichert. Der Drachenbau ist eine Kunst mit langer Tradition – und sie währt bis heute.

Zu militärischen Zwecken wird der Drachen freilich nicht mehr eingesetzt, und auch zum Einsatz in der Wetterkunde – Benjamin Franklin schickte ihn während eines Gewitters hoch, weil er beweisen wollte, dass Blitze und Elektrizität das Gleiche sind – kommt er kaum noch zum Einsatz. Er wird jetzt vor allem in der Freizeit in luftige Höhen geschickt, und die Motive sind mehr denn je friedlicher Natur.

„Man kann beim Bauen der Drachen sehr viel Kreativität und handwerkliches Geschick entfalten“, erklärt Andre Schoebe, Leiter des Osnabrücker Drachenvereins „Bleib bloß oben“. Beim Steigenlassen spiele aber sicherlich als Motiv auch die Entspannung eine wichtige Rolle. „Nicht umsonst ließen schon früher buddhistische Mönche ihre Drachen steigen“, so Schoebe. Denn den langsamen Bewegungen in der Luft und dem diffizilen Spiel mit den Lenkschnüren könne man durchaus einen meditativen Aspekt abgewinnen. Noch heute gehören Drachenfeste zu den Ritualen diverser Zen-Klöster.

Der Aufbau der Drachen ist prinzipiell heute noch so wie vor 2000 Jahren, er besteht aus einem mit Tuch bespannten Gestänge, an deren Waage die Leinen angebracht sind, mit denen der Pilot das Fluggerät lenkt. Die Materialien haben sich allerdings geändert. Das Gestänge besteht nur noch selten aus Holz. „Heute dominieren dort eher Stäbe aus Kohlefasern oder glasfaserverstärktem Kunststoff“, erklärt Schoebe. Sie sind nicht nur leichter, sondern auch stärker belastbar als Holz. Und fortgeschrittene Drachenbauer kommen sogar ganz ohne Gestänge aus. Ihre Geräte sind mit diversen Öffnungen ausgestattet, durch die der Wind eindringt und das Tuch aufbläht. Diese „Windsäcke“ haben freilich nur wenig mit dem flachen Wimpeldrachen zu tun, den die meisten von uns kennen.

Das Drachentuch besteht heute nur noch selten aus Papier, sondern meistens aus Spinnaker-Nylon, das in einer speziellen Technik gewebt und besonders reißfest ist. „Es werden aber auch wieder mehr Drachen mit Baumwollstoff gebaut“, so Schoebe. Hier gehe es aber dann in der Regel um den Nachbau alter, historischer Drachenmodelle.

Doch egal, ob mit Gestänge oder ohne, ob mit Baumwoll- oder Nylontuch – das Ziel eines Drachens bleibt natürlich, dass er in die Luft steigen und dort am besten möglichst lange bleiben soll. Das ideale Wetter dafür ist trocken und hat Windstärken von 3 bis 4. „Wir können aber auch bei viel weniger und viel mehr Wind steigen lassen“ , betont Schoebe. Mit speziellen Modellen lassen sich auch Windstärken bis zu 8 bewältigen, genauso wie es umgekehrt mittlerweile sogar möglich ist, einen Drachen “indoor“ in einer windstillen Turnhalle steigen zu lassen.

Nichtsdestoweniger wissen die Drachenbauer natürlich, dass ihr Hobby in einer von spektakulären, athletischen Hobbys wie Rafting und Indoor-Climbing geprägten Zeit eher beschaulich anmutet. Aber darin liegt auch sein eigentümlicher Reiz. Der allerdings muss von einem wichtigen Teil der Bevölkerung wohl erst entdeckt werden. Denn Schoebe schätzt den Frauenanteil in der Drachenbauergemeinde allenfalls auf 20 Prozent – da ist wie beim Drachenfliegen noch viel Luft nach oben.

Welche Drachen für welchen Zweck?

Power-Kites

Diese Art von Drachen sollte nur von erfahrenen Piloten benutzt werden: „Traction-Kites“ (englisch für Zugdrachen, auch „Power Kites“) sind dafür ausgelegt, Buggys zu ziehen oder Surfer auf dem Wasser zu bewegen (Kite-Sailing). Sie haben eine sehr hohe Zugkraft, auch bei geringeren Windstärken, halten aber auch problemlos Stürme von Windstärke 8 aus.

Auch hier kommen stablose Matten zum Einsatz, die allerdings mit vier Leinen in die Luft gehen: Zwei Lenkleinen und zwei weitere Bremsleinen, mit deren Hilfe der Drache auch bei starkem Wind problemlos landen kann. „Traction-Kites“ können auch wesentlich größer sein als ihre zweileinigen Kollegen: Bis zu fünf Quadratmeter beträgt die Segelfläche.

Bei mittlerem Wind (Windstärke 3 bis 5) machen die Drachen auch auf dem Land ein Riesenvergnügen. Ausreichend Muskelkraft ist allerdings unerlässlich. Die „Power-Kites“ sind bereits ab 80 Euro erhältlich.

Einleiner für Einsteiger

Sie sind der beste Weg, um mit dem Drachensteigen zu beginnen. Wie der Name schon andeutet, werden Einleiner-Drachen mit einer einzigen Schnur in den Himmel entlassen, können daher auch nicht aktiv gesteuert werden. Es gibt verschiedene Formen: Die klassischen diamantförmigen „Eddy“-Drachen eignen sich am besten für Kinder. Sie steigen schon bei einer leichten Brise (Windstärke 2) in die Luft und benötigen keinerlei Kraftaufwand.

Sets dieser Kinderdrachen gibt es schon für 15 Euro und sind schnell aufgebaut. Auch einleinige „Delta“-Drachen fliegen hervorragend bei geringem Wind. Die dreizackigen Flieger können sogar bei weniger als Windstärke 2 in die Luft gehen. „Deltas“ sind mit ungefähr drei Metern meist etwas größer als „Eddys“, aber genauso leicht zu handhaben. Sie kosten etwa 40 Euro.

Indoor Kites

Diese Art von Lenkdrachen ist ultraleicht und benötigt daher fast keinen Wind für den Auftrieb – die Rückwärtsbewegung des Piloten reicht aus. Daher können Indoor-Kites, wie der Name schon sagt, auch innerhalb von Sport- oder Fabrikhallen geflogen werden, ganz unabhängig von Wind und Wetter. Ab 50 Euro steht dem Flugvergnügen auch bei Wolkenbrüchen nichts im Wege.

Lenkdrachen

Lenkdrachen lassen sich aktiv mit Hilfe von zwei Leinen in der Luft steuern. Es gibt zwei verschiedene Arten von Lenkdrachen: Drachen mit Stäben und Lenkmatten. Stabdrachen sind für Beginner nicht unbedingt empfehlenswert, da sie empfindlicher sind und das Gestänge bei Stürzen brechen oder aus dem Material rutschen kann.

Allerdings lassen sie sich bis zu Windstärke 4 präziser steuern. Matten sind widerstandsfähiger: Sie fliegen auch bei starkem Wind (Windstärke 6) und vertragen problemlos härtere Aufpralle. Da sie vollständig aus Gewebe und Leinen bestehen, sind sie leicht auf- und abzubauen und platzsparend zu transportieren. Zweileinige Lenkmatten haben eine Spannweite von bis zu zwei Metern und lassen sich ohne großen Kraftaufwand steuern – perfekt für Anfänger. Auspacken, ausbreiten und losfliegen, ab etwa 50 Euro.

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