Abo

Pietro entfreundet SarahWarum wir unseren Ex bei Facebook & Co. löschen dürfen

Lesezeit 5 Minuten
lombardi

Sarah und Pietro Lombardi lassen sich scheiden.

Nun trennt sich Pietro Lombardi, 24, auch digital von seiner Sarah. Auf Facebook und Instagram „entfolgte“ er seiner Noch-Ehefrau. Ist das eine gute Art der Verarbeitung?

Früher trennten sich zwei Menschen – und sahen sich nie wieder, wenn sie es nicht darauf anlegten. ER vermied ihre Stammkneipe, SIE seinen Lieblingsclub und den Supermarkt bei ihm um die Ecke. Obwohl beide in derselben Stadt lebten, bekamen sie jahrelang womöglich nichts vom neuen Leben des anderen mit und konnten so viel leichter in eine Zukunft ohne einander starten.

Der Ex-Partner verfolgt einen überallhin

Doch heute kann man nach Neuseeland auswandern und wird trotzdem ständig mit neuen Bildern des einstigen Lebensabschnittsgefährten auf Facebook konfrontiert, weil er zwar aus dem echten Leben verbannt ist, aber aus der virtuellen Welt eben nicht. Der Ex-Partner verfolgt einen sozusagen überallhin. Umso schlimmer wenn man die oder der Verlassene ist und eigentlich eine Auszeit genommen hatte, um endlich zu vergessen.

Selbst in Neuseeland am Strand bekommt man jede neue Affäre mit

Am Ende sitzt man auf der anderen Seite der Welt am Strand und bekommt jede vermeintlich neue potenzielle Freundin mit und verliert sich in Interpretationsmöglichkeiten: „Waren sie wirklich nur zufällig auf dem gleichen Konzert? Oder ist da mehr?“ Dank des Messenger-Dienstes Whatsapp kann man sogar sehen kann, wann der Verflossene zuletzt online war. „Warum schläft er um 3.15 Uhr nicht?“, fragt sich die Verlassene dann vielleicht. „Hat er eine neue Affäre oder kann er nicht schlafen, weil er mich vermisst?“

Keine Frage, wer heute im echten Leben getrennte Wege geht, der kommt nicht umhin, dies auch online zu tun oder sich zumindest zu überlegen, wie man sich gegenüber den Verflossenen virtuell verhält und abgrenzt.

„Die Verarbeitung einer Trennung wird durch die sozialen Netzwerke häufig verlangsamt“

„Die Verarbeitung einer Trennung wird durch die sozialen Netzwerke häufig verlangsamt und manchmal sogar verhindert“, erklärt Familientherapeut Dr. Björn Enno Hermans. „Es gibt Menschen, die sich vollkommen darin versteigen, herauszufinden, wann der Ex-Partner mit wem wo gewesen ist – das kann dann schon suchtähnliche Ausmaße annehmen“, weiß der Essener Therapeut aus jahrelanger Praxis-Erfahrung.

Ist es sinnvoll, den Ex aus den WhatsApp-Kontakten zu entfernen?

In solch extremen Fällen sei es zum eigenen Schutz womöglich sinnvoll, den Verflossenen auch aus der virtuellen Facebook-Freundesliste und aus den WhatsApp-Kontakten zu entfernen, damit man überhaupt erst einmal damit beginnen kann, die Trennung zu realisieren und schließlich auch zu verarbeiten, so Hermans. „Die Überwindung, eine neue Freundschaftsanfrage zu schicken, ist meistens doch relativ groß“, weiß der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF).

Sollte ich den Ex-Partner als Facebook-Freund löschen?

„Man muss den Ex aber nicht zwangsläufig als Facebook-Freund löschen“, findet Hermans. „Das kommt natürlich immer darauf an, wie man auseinander gegangen ist, aber wenn man sich vorstellen kann, mit der Person in einer ferneren Zukunft wieder mehr Kontakt zu haben, sollte man das lassen“, rät der Therapeut. „Es besteht ja auch die Möglichkeit, Nachrichten und Posts von Facebook-Freunden nicht zu abonnieren, sodass man weniger vom Ex-Partner mitbekommt.“

Damit derjenige, der aus dem täglichen Leben ja tatsächlich verschwunden ist, auch nicht mehr über Facebook am eigenen Alltag teilhat, könne man ihn mit möglichst wenigen Leserechten ausstatten und ihn beispielsweise als „Bekannten“ einordnen, empfiehlt Hermans. Das gleiche gelte für Freunde und Familienmitglieder des Ex-Partners.

Ist es besser, alle Fotos und Posts aus der vergangenen Beziehung zu löschen?

Was aber tun, wenn man – wie nicht wenige Facebook-Nutzer – seine Beziehung sehr öffentlich in den sozialen Netzwerken gelebt hat? Wenn tausende Fotos und Posts die jahrelange Beziehung dokumentieren?

„Wenn man sehr offensiv mit seiner Beziehung umgegangen ist und sehr viele Liebesbekundungen à la 'Schatzi, ich vermisse Dich' gepostet hat, kann man darüber nachdenken, das ein oder andere vielleicht zu löschen“, erklärt Hermans. „Aber wenn in der Timeline hin und wieder mal ein Foto mit dem Ex-Partner auftaucht, finde ich das nicht dramatisch.“

Schließlich sei derjenige ja ein wichtiger Teil des eigenen Lebens gewesen. „Solche Bilder automatisch immer direkt zu löschen, wäre ein bisschen auch Betrug an mir selbst, als wollte ich nicht wahrhaben, dass derjenige Teil meiner Lebenslinie beziehungsweise Timeline war.“

Sollte ich meinem Ex bei Instagram und Twitter entfolgen?

Allerdings schränkt der Therapeut ein: „Wenn einen die Fotos bei der Verarbeitung der Trennung stark beeinträchtigen, dann bitte löschen.“ Wer seinem Ex bei Twitter oder Instagram folgt, müsse auch hier abwägen, ob er das weiterhin möchte, rät Hermans. „Generell kann man sagen, dass Medien wie Instagram, die eher über Fotos funktionieren, mehr Emotionen auslösen." Besonders Liebeskummer-Anfällige sollten sich vielleicht also nicht mehr jedes Selfie des Verflossenen antun und auf „entfolgen“ klicken.

„Im besten Fall ploppt irgendwann doch ein Foto meines Ex-Freundes mit seiner neuen Partnerin auf meiner Facebook-Startseite auf und ich merke, dass es mich nicht mehr trifft, dass ich die Trennung verwunden habe“, sagt Hermans.  Hierfür können soziale Netzwerke also auch ein Indikator sein.

Was der Experte allerdings eher kritisch sieht, ist eine Trennung per sozialem Medium. „Es gibt ja tatsächlich Menschen, die sich via WhatsApp trennen“, weiß Hermans. Für den Schlussmacher habe das zwar den Vorteil, dass ihm eine direkte Konfrontation erspart bleibe, dass er das Weinen und Schreien des Gegenübers nicht aushalten müsse.

Ist es okay, sich per Whatsapp oder Facebook zu trennen?

Aber: „Für den Verlassenen kann das fatal sein“, so Hermans. „Da bleiben einfach zu viele Fragen offen, weil Mimik und Gestik fehlen.“ Und wenn man lange genug darüber nachdenkt, hat der andere mit der Nachricht „Wir sollten uns erst einmal nicht mehr sehen...“ vielleicht doch etwas ganz anderes gemeint. Wer sich trennt, sollte also so fair sein, das von Angesicht zu Angesicht zu tun. Schließlich war die oder der Verflossene ja auch einmal viel mehr als nur ein Facebook-Bekanntschaft. (rer)

Das könnte Sie auch interessieren:

KStA abonnieren