Todkranke Teenager„Sterben? Das wollte ich niemandem antun“

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„Der Tod kann mich mal": Autorin Kira Brück (links) porträtiert in ihrem Buch neben Kathi (rechts) elf weitere schwerkranke Jugendliche.

Als Teenager kann manchmal schon ein kleiner Pickel am Tag der Party des Jahres reichen, um für eine große Krise zu sorgen. Die Porträtierten in Kira Brücks neuem Buch „Der Tod kann mich mal“  kennen diese Probleme auch. Von anderen. Denn sie wissen teilweise nicht, ob sie die Party des Jahres noch erleben werden. Ob sie jemals wieder Pickel haben werden, über die sie sich ärgern können. Weil sie mit dem eigenen Tod konfrontiert sind, bevor ihr Leben richtig angefangen hat.

Andere fühlten sich zum ersten Mal frei, ich war gefangen im eigenen Körper

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„Ich bin in einem Alter mit dem Tod in Berührung gekommen, als meine Freundinnen das Weggehen für sich entdeckten“, sagt Alexandra.

„Ich bin in einem Alter mit dem Tod in Berührung gekommen, als meine Freundinnen das Weggehen für sich entdeckten. Sie standen mitten im Teenieleben, fühlten sich zum ersten Mal frei. Ich aber fühlte mich gefangen im eigenen Körper. Gequält von der Chemotherapie und ihren widerlichen Nebenwirkungen“, hat Alexandra der Autorin erzählt, die sie für ein Jugendmagazin interviewte. Dabei hinterließ Alexandra, die mit 15 Jahren an Leukämie erkrankte, solch einen bleibenden Eindruck bei der Journalistin, dass Kira Brück den Geschichten todkranker Teenager ein ganzes Buch widmete.

Wie fühlt es sich an, in einer Phase, in der man schon genug mit der Pubertät zu tun hat, schwer krank zu werden? Zu wissen, dass man vielleicht nie erwachsen werden wird? Diesen Fragen ging die 34-Jährige in langen Gesprächen mit den Jugendlichen nach.

Näher am Tod als am Leben

„Ich fragte mich, wie man so viel Lebensmut, Zuversicht und Kraft haben kann, wenn man die letzten Monate im Krankenhaus lag und nicht wusste, ob man jemals wieder die Schule besuchen wird“, schreibt Brück. Alexandra jedenfalls hat eine genaue Vorstellung von dem Leben, das sie vielleicht nicht mehr führen wird: Modedesignerin werden. Die heute 19-Jährige, die zwischenzeitlich dem Tod näher war als dem Leben, hat sich ihren Traum erfüllt: Sie studiert heute an der renommierten Modefachschule Sigmaringen.

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Zwölf Geschichten über den Tod, die mehr über das Leben verraten, als man glaubt.

Für Kira Brück sind alle zwölf porträtierten Jugendlichen in ihrem Buch „Helden“. Dabei erfahren die Teenager nicht immer nur Unterstützung aus ihrem Umfeld: Nach anderthalb Jahren Beziehung bekommt Laura, die an Lympfhdrüsenkrebs erkrankt ist, eine SMS von ihrem Freund, mitten in der Chemotherapie: „Ich komme nicht damit klar, dass du jetzt keine Haare mehr hast. Es ist vorbei.“ Sie weiß, dass es eigentlich nicht um den Verlust ihrer langen blonden Haare geht, die sie selbst schmerzlich vermisst, sondern um etwas anderes: „Welcher Teenager will schon mit jemandem zusammen sein, der vielleicht bald stirbt?“ Auch wenn die Art und Weise der Trennung nicht in Ordnung sei, müsse man das verstehen, sagt Laura. Sie ist 17 Jahre alt.

Eine weitere „Heldin“ des Buches ist die Triathletin Kathi, sie liebt Sport und Wettkämpfe. Dann muss sie mit 13 Jahren auf einmal gegen einen Gegner antreten, der unberechenbar scheint. Ihren nächsten Wettkampf droht sie zu verlieren: Es wird ein Todeskampf gegen den Krebs.

„Jede kleine Erkältung hätte meinen Tod bedeuten können“

Nach Kathis Chemotherapie regeneriert sich das Immunsystem nicht mehr. „Jeder Virus, jede kleine Erkältung hätte meinen Tod bedeuten können.“ Sieben Monate lang liegt sie alleine in einem abgeschotteten Zimmer der Isolierstation. Nur ihre Eltern und eine Freundin dürfen sie hin und wieder besuchen, allerdings nur mit Mundschutz und OP-Kleidung.  „Zwischen der Welt und mir gab es zwei Vorräume, die Schleusen genannt wurden“, erzählt Kathi. Sie habe gelebt „wie in einer Parallelwelt, in der nur ich und dieses hässliche gelbe Zimmer existieren.“ Und die Schmerzen. Und die Übelkeit. Und noch mehr Schmerzen.

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Kathi hat schon viele Wettkämpfe gewonnen – auch den gegen den Krebs.

Kathi, die Kämpferin, denkt ernsthaft darüber nach, aufzugeben: Sie habe sich in „Sphären“ befunden,  „in denen ich mehr tot als lebendig war“, sagt sie. „Ich hätte loslassen können“, erinnert sie sich. „Jetzt einfach für immer einschlafen, das wär's. Einfach nicht mehr weitermachen.“

„Sterben? Das kannst Du jetzt echt nicht bringen“

Aber dann war da dieser Gedanke, den sie nicht verdrängen konnte und der schließlich stärker war als alles andere: „Sterben? Das kannst Du jetzt echt nicht bringen.“ Kathi kämpft weiter. Zunächst nicht für sich selbst, sondern für die anderen. Für ihre Eltern, ihre Geschwister, ihre Freunde. „Ich wollte das niemandem antun“, sagt Kathi. Ein häufiges Motiv in den Geschichten der todkranken Teenager. Sie machen sich oft viel mehr Sorgen um die anderen als um sich selbst. Bis sie wieder an sich glauben und nicht mehr nur für die anderen weitermachen, sondern auch für sich.

Kathi kämpft weiter, aber nur noch im Sport: Sie hat die Leukämie inzwischen überwunden.  „Wenn ich mich bewege, spüre ich das Leben“, sagt die Thriathletin, die wieder fast jeden Tag trainiert und mit 27 Jahren den „IronMan“ gewinnen will.

Die von Brück porträtierten jugendlichen Todkranken klingen oft so weise, dass man kaum glauben mag, dass die meisten noch nicht einmal 20 Jahre alt sind. „Viele Menschen stecken in ihrem Leben fest. Sie existieren bloß, leben aber nicht wirklich“, sagt Kathi. Für sie verharren manche Lebende in einer Art Totenstarre: „Ich denke, dass es das Schlimmste überhaupt ist, immer nur stur seinen Alltag vor sich hin zu leben, weil man Angst vor den eigenen Träumen hat“, sagt die heute 17-jährige.

In den Geschichten vom Tod geht es vor allem um das Leben

Überhaupt geht es in den Geschichten, die vom Tod handeln, mehr als alles andere um das Leben. Jede einzelne ist ein Appell an den Leser, sein Leben in die Hand zu nehmen und eine eigene Bucket List zu führen: eine Liste mit den Dingen, die man unbedingt noch erleben will, bevor man stirbt.  Auf Kathis „Bucket List“ steht neben „Didgeridoo spielen“ und „ein Hochzeitskleid nähen“: „Menschen zum Weiterkämpfen inspirieren“. Diesen Punkt kann sie definitv abhaken.

Kira Brück: Der Tod kann mich mal! Eden Books, 215 Seiten, 19,95 Euro.

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