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Eltern bleibenWie gemeinsame Erziehung nach der Trennung gelingt

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Wenn es als Paar nicht mehr klappt, heißt das nicht, dass es nicht als Familie noch funktionieren kann.

Wenn es als Paar nicht mehr klappt, heißt das nicht, dass es nicht als Familie noch funktionieren kann.

Wenn sich ein Paar trennt, ist das ein Einschnitt für die ganze Familie – besonders, wenn Kinder im Spiel sind. Blieben Paare früher aus Pflichtbewusstsein einfach zusammen, kommt es heute eher zur Trennung, wenn die Liebe nicht mehr reicht. Aber sind Zusammenbleiben oder Trennen die einzigen Wege, mit der abhanden gekommenen Zuneigung umzugehen?

Die Autoren des Buches „Als Paar getrennt, als Eltern zusammen“ sagen: Nein, es gibt auch einen dritten Weg. Und der sieht zwar eine getrennte Beziehung vor, aber gleichzeitig eine gemeinsame Erziehung der Kinder. Getrennt als Paar, zusammen als Eltern. Wie das funktionieren kann?

Im Buch erzählen 20 Familien über ihre Form des dritten Weges. Es sind Einblicke in Situationen, die vielleicht nicht immer reibungslos verlaufen, die aber Mut machen. Denn all diese Familien bemühen sich darum, ihren Kindern die Trennung der Eltern so wenig schmerzhaft wie möglich zu gestalten. Es geht um Wege, bei denen die Kinder nicht diejenigen sein sollen, die das Scheitern der elterlichen Beziehung „ausbaden“ müssen. Es ist ein Buch für alle, die eine gesunde Lösung suchen. Ein Buch, das beschreibt statt zu verklären, das zudem eine Vielzahl von praktischen Tipps bereit hält und dabei die Perspektive der Kinder nicht ausspart.

Kein Paar bleiben, aber Eltern. Das ist gar nicht so einfach. Wie oft hört man von Fällen, in denen doch die Kinder diejenigen sind, die sich nach der Trennung allein gelassen fühlen, bei denen die Eltern so mit sich selbst beschäftigt, dass die Interessen der Kinder in den Hintergrund rücken. Dabei verlieren viele Paare bzw. Ex-Paare aus dem Blick, dass sich ihre Zweifel einzig auf ihre Beziehung zum Partner beziehen – und nicht auf ihre Rolle als Vater oder Mutter.

Es ist eine Herausforderung: Gerade dann, wenn es schwierig in der Beziehung ist, müssen Eltern also gemeinsam versuchen, die beste Entscheidung für ihre Kinder zu treffen. Das klingt unmöglich? Es ist auch schwer. Aber es kann gelingen.

Es kann gelingen, wenn die Eltern ihre persönlichen Emotionen ihrem Partner gegenüber zurückstellen können und ernsthaft nach Lösungen suchen, die für ihre Kinder möglichst wenig schmerzhaft sind. Dazu bedarf es Mut. Wer als Partner verletzt ist, muss nicht zwingend als Elternpaar verfeindet sein. Und noch besser: Der Wunsch, das Beste für seine Kinder zu erreichen, kann sogar helfen, die Wunden schneller zu heilen. Dann, wenn das getrennte Paar sich bemüht, freundschaftlich miteinander umzugehen.

Ganz wichtig: Es gibt nicht den einen dritten Weg, der für alle passt. Es gibt so viele Wege, wie es Getrennte gibt. Was all diese dritten Wege vereint ist, dass sie zum Ziel haben, kreativ mit der neuen Situation umzugehen, so dass die Kinder möglichst wenig leiden müssen. Es gibt mehr Möglichkeiten, als gemeinhin bekannt. Drei Wege von Familien möchten wir im Folgenden als Zitate aus dem Buch vorstellen.

Das Nestmodell: Die Kinder bleiben, Die Eltern pendeln

Die Eltern hatten ihren drei Kindern – die damals 14, 12 und 10 Jahre alt waren – gemeinsam von ihrer Entscheidung erzählt, sich scheiden zu lassen. Am Tag darauf fuhren alle gemeinsam in den Skiurlaub, die Eltern übernachteten allerdings in verschiedenen Unterkünften. Tochter Manon sagte später: „Eigentlich bin ich sehr froh darüber, wie meine Eltern uns diese schlechte Nachricht beigebracht haben. Auf der Reise sagten sie uns schon, dass sich für uns wahrscheinlich nicht so viel ändern würde. Wir hatten Glück. Die erste Zeit konnten wir Kinder weiterhin in unserem eigenen Haus wohnen. Unsere Eltern kamen immer abwechselnd zu uns „zu Besuch“. Das Haus blieb, wie es war.

Der einzige Unterschied bestand darin, dass es zwischen meinen Eltern aus war. Ich musste damit zurechtkommen und das ist mir auch einigermaßen gelungen. Natürlich wäre es mit lieber gewesen, wenn sie zusammen geblieben wären, aber sie haben uns klar und deutlich gesagt, dass sie lange genug darüber nachgedacht hätten und bestimmt nicht wieder zusammenfinden würden. Weiterhin zu Hause wohnen zu können, scheint vielleicht keine so große Bedeutung zu haben, aber für mich war es sehr wichtig. So hat sich unser Alltag viel weniger verändert und das vermittelte mir und meinen Brüdern ein Gefühl der Vertrautheit.“

Das Treppenmodell: Gleiches Haus, verschiedene Stockwerken

Dirk wohnt im Obergeschoss und seine frühere Partnerin im Erdgeschoss des Hauses. Das Zimmer seines Sohnes liegt dazwischen. Sie wechseln sich jede Woche mit der Betreuung ab, wobei Claude (5) seinen Vater und seine Mutter täglich sehen kann. Dirk hat seit kurzem eine neue Beziehung und befindet sich nun in der „Kennenlernphase“. Seine Ex-Partnerin hat keine Beziehung.

„Ich weiß nicht, ob es uns gelingen wird, weiterhin so nah beieinander zu wohnen“, denkt er. „Man begegnet sich oft, vielleicht zu oft. Man bleibt wirklich in den Alltag des anderen involviert, und das ist schwierig. Ich betrachte die jetzige Situation eher als Zwischenlösung, die nur so lange funktioniert, bis einer von uns das Bedürfnis hat, eine neue Familie zu gründen. Im Moment ist das nur eine vage Zukunftsperspektive, unser Szenario reicht noch nicht so weit.“

Das Nachbarschaftsmodell: Wohnungen in der Nähe

Chantal und Jan wohnen nach der Trennung in separaten Wohnungen ganz in der Nähe voneinander. Chantal: „Jeden Mittwoch essen wir abends zusammen. Abwechselnd bei Jan oder bei mir. Wir reden dann immer kurz über die vergangene Woche. Thema ist vor allem, was so in der Schule gelaufen ist. Das kommt normalerweise zuerst zur Sprache. Durch das Gespräch über die Erlebnisse in der Schule kommen oft auch andere Dinge zur Sprache. Meistens ist es ein gemütlicher Abend. Manchmal ist die Atmosphäre besser als früher, vielleicht weil es nun eher etwas Besonderes ist, ein richtiges „Ereignis“. Wir haben auch eine gemeinsame Fahrradtour in der Heide gemacht eine ganze Woche waren wir von einem kleinen Hotel ins andere unterwegs. Jan und ich hatten separate Zimmer, aber den ganzen Tag waren wir mit den Kindern zusammen. Es war unglaublich, wie viel offener die Atmosphäre war und über was wir alles gesprochen haben. Ich hatte den Eindruck, das hätten wir bei uns zu Hause nie so gut hingekriegt.“

Das Buch: „Als Paar getrennt, als Eltern zusammen – Wie eine gemeinsame Erziehung nach der Trennung gelingt“.

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