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Studenten-FeuerwehrAcht Minuten bis zum Einsatz

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Die Löschtruppe der Freiwilligen Feuerwehr der Hochschule Bonn/Rhein-Sieg.

Die Löschtruppe der Freiwilligen Feuerwehr der Hochschule Bonn/Rhein-Sieg.

Bonn – Wenn der Fernmelder anspringt und Alarm gibt, ist Einsatzzeit für die Studenten der Hochschule Bonn/Rhein-Sieg. Dann laufen sie los, aus dem Hörsaal, über den Campus, so schnell sie können. Ziel ist der Umkleideraum im vorderen Teil des Gebäudes. Hier stülpen sich die angehenden Akademiker innerhalb von drei Minuten ihre blaue Uniform über und sitzen startklar im Mannschaftswagen, der auf dem Parkplatz der Hochschule steht. Die Studenten gehören zur Freiwilligen Feuerwehr der Hochschule Bonn/Rhein-Sieg in St. Augustin.

Die Idee zur Hochschul-Feuerwehr entstand in einer Notsituation. Weil sich immer weniger Bürger in St. Augustin in der Freiwilligen Feuerwehr engagierten, fehlte dem Löschzug 2005 schlicht das Personal. Vertreter der Stadt, die Hochschule und die freiwillige Feuerwehr haben sich daher auf ein gemeinsames Konzept geeinigt: Studenten, die bereits über Erfahrung in der freiwilligen Feuerwehr verfügen, können während der Vorlesungszeit die Berufsfeuerwehr unterstützen. Den Anstoß für das Projekt gab Marcus Faak. Der 43-Jährige ist Mitarbeiter der Verwaltung der Hochschule und selbst seit seiner Kindheit Mitglied in der freiwilligen Feuerwehr. Heute helfen acht Studenten bei Einsätzen in St. Augustin.

Daniel Schriek (23) ist einer von ihnen. Schriek hat viele Feuer gesehen und geholfen, Leben zu rettet. So erinnert er sich beispielsweise an einen älteren Mann, der noch am Einsatzort wiederbelebt werden musste. Mit einem anderen Kameraden habe er zunächst das Treppenhaus frei räumen müssen, weil der Löschtrupp mit der Trage nicht durchkommen konnte. Erst dann sei es möglich gewesen, den Mann, der unter anderem durch ein Beatmungsgerät am Leben gehalten wurde, die anderthalb Stockwerke hinunter in den Rettungswagen zu tragen. Später habe sich Schriek noch um die zurückgebliebene Ehefrau des Seniors gekümmert.

Zu durchschnittlich zehn bis 15 Einsätzen fährt die Hochschul-Feuerwehr im Jahr. 2014 wurden sie bereits zu fünf Einsätzen gerufen, meist als Verstärkung der Berufsfeuerwehr. Die zentrale Lage des Campus sei günstig, weil man schnell am Einsatzort sei, so Faak. "Wir müssen innerhalb von acht Minuten vor Ort sein." Die meisten Professoren hätten viel Verständnis dafür, dass manche ihrer Studenten plötzlich den Hörsaal verlassen müssen, um zu einem Wasserschaden oder Brand zu eilen, sagt Schriek. Einer der Dozenten habe sogar einmal angekündigt, einen Algorithmus zu entwickeln, um herauszufinden, welcher Weg der schnellste zur Umkleide sei, sagt er lachend.

Die Freiwillige Feuerwehr der Hochschule Bonn/Rhein-Sieg wurde 2005 gegründet und unterstützt die St. Augustiner Berufsfeuerwehr bei zehn bis 15 Einsätzen pro Jahr. Derzeit hat sie acht Mitglieder. Bundesweit gibt es Löschtrupps an einigen Hochschulen, unter anderem an den Technischen Universitäten in München, Dresden und Ilmenau. (ris)

Dankbarkeit erfahren die jungen Feuerwehrmänner nicht immer. Im Gegenteil: Ein Hausbesitzer habe dem Team sogar einmal vorgeworfen, dass es mit seinen schmutzigen Stiefeln durch seinen Keller gelaufen seien. Dabei hatten die Ehrenamtler den Raum noch kurz zuvor für ihn leer gepumpt. Andererseits bedankten sich viele Bürger auch für die schnelle Hilfe der Studenten. "Es reicht uns ja schon, wenn man einfach eine Kanne Kaffee hinstellt", sagt Schriek.

Mitunter werden die jungen Männer während der Einsätze auch mit schwierigen Situationen konfrontiert. Mit verletzten Menschen, manchmal auch mit Toten. Jeder gehe mit solchen Situationen auf seine Weise um, sagt Faak. Wer es allein nicht schaffe, erhalte psychisch-soziale Unterstützung. Letztlich sei es immer die Entscheidung des Mannschaftsführers, was man einem Mitglied der Truppe zumuten könne. Als Schriek 20 oder 21 Jahre alt war, habe er bei einem Einsatz nicht helfen dürfen. Damals war ein Mann vor einen Zug gesprungen. "Mein Mannschaftsführer hat mich vom Einsatz abgezogen", erzählt er. In solchen Situationen sei es wichtig, dass man erfahrene Kameraden habe, mit denen man reden könne.

Unterkriegen lassen sich die Studenten nicht. Das Gefühl, etwas Sinnvolles zu leisten, sei ihnen wichtig. Solche Kameradschaft könne man zwar auch in einem Schützenverein haben, aber Leben retten, das könne man dort nicht.

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