FachhochschulenFür den Doktorhut nach Spanien

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Die Krönung der akademischen Laufbahn: der Dokturhut

Die Krönung der akademischen Laufbahn: der Dokturhut

Köln – Fast hätte Thomas Myslisch (46) seinen Traum, einen Doktor zu machen, wieder aufgegeben. Wochenlang suchte der Masterstudent der Betriebswirtschaft, der an der Kölner Fachhochschule für Ökonomie und Management (FOM) seinen Master 2010 bestand, einen Doktorvater. Schrieb die Universitäten in Düsseldorf, Duisburg-Essen und Köln an. Vergeblich. In seiner Not versuchte sich der Wirtschaftswissenschaftler sogar an einer Promotion im Bereich Erziehungswissenschaft, bevor er auch hier von der Fakultät der Kölner Uni gestoppt wurde. „Wenn man nicht an der Uni studiert hat, hat man eigentlich überhaupt keine Chance“, sagt Myslisch.

Dass es mit der Promotion doch noch geklappt hat, verdankt Myslisch einem Zufall. Bei einer Feier an der FOM hörte der Elsdorfer Student 2011 von einem frisch aufgelegten Promotionsprogramm der Hochschule mit der Katholischen Universität im spanischen Murcia. Er bewarb sich, erhielt einen Platz und so kam es, dass er drei Jahre später seine Doktorarbeit zum Thema „Bilanzmanipulationen“ schrieb.

Trotz der Kooperation mit der spanischen Uni konnte Myslisch den Großteil der dreijährigen Promotion in Deutschland absolvieren. Lediglich zu einem zweiwöchigen Crashkurs und zur Verteidigung seiner Doktorarbeit musste er in den Flieger nach Murcia steigen. Dabei empfand Myslisch, der bereits viele Jahre als Kundenberater bei der Sparkasse Dinslaken arbeitet, die Ausflüge nach Murcia eher als Chance denn als Mühe. „Die Wirtschaftsbranche ist sehr international ausgerichtet. Da ist es ein Vorteil, wenn man Auslandserfahrungen aufweisen kann und seine Doktorarbeit auf Englisch geschrieben hat.“ Immerhin wurde seine Arbeit vom spanischen König persönlich abgezeichnet.

Zeit und Nerven

Was für Myslisch gerade noch einmal gut gegangen ist, ist für viele Studenten an Fachhochschulen ein echtes Problem: Wer seine Promotion angehen will, kann dies nicht an seiner heimischen Hochschule machen, sondern muss sich einen Doktorvater an einer Universität suchen. Das kostet Zeit und Nerven, denn viele Professoren sind schon mit der Betreuung der Uni-Doktoranden ausgelastet. Um ihren Studenten den Weg zu einer Promotion zu ebnen, arbeiten zahlreiche Fachhochschulen daher mit Universitäten zusammen. An der FOM gibt es derzeit 17 angehende Doktoren, sechs bis acht von ihnen werden wohl in diesem Jahr fertig werden. „Das Programm, mit einer spanischen Uni zu kooperieren ist schon sehr aufwendig“, sagt FOM-Rektor Burghard Hermeier. „Hätte sich eine Uni in der Nähe angeboten, hätten wir dort die Zusammenarbeit gesucht.“

Auch die Kölner Fachhochschule, mit 23.000 Studenten die größte in Deutschland, verfügt über kein eigenes Promotionsrecht. Die etwa 120 Promotionen pro Jahr können nur mit Hilfe von Partner-Universitäten in sogenannten kooperativen Verfahren durchgeführt werden, die sich die FH weltweit sucht. Insgesamt gibt es Kooperation mit 55 Universitäten. Manchmal klappe die Zusammenarbeit mit den Unis reibungslos, manchmal verlangten diese allerdings Zusatzqualifikationen von den Promotions-Studenten, sagt FH-Vizepräsident Klaus Becker. Im schlimmsten Fall verlören die Studenten ein Semester oder mehr durch zusätzliche Prüfungen oder Kurse. Das fehlende Promotionsrecht, dass sich Becker zumindest in forschungsstarken Bereichen für seine FH wünscht, sei überdies ein Wettbewerbsnachteil für die Fachhochschulen. „Manche Studenten besuchen aus diesem Grund lieber die Universitäten.“

Rektoren fordern Öffnungsklausel

Im Wintersemester 2014/2015 studieren in NRW 711.900 Studenten, davon 224.303 an Fachhochschulen, weitere 10.811 an Verwaltungsfachhochschulen.

Die größten Fachhochschulen des Landes sind die Fachhochschule für Ökonomie und Management (32.742 Studenten, allerdings über 30 Standorte verteilt), die FH Köln (23.585), FH Niederrhein (14.204), FH Münster (13.399), FH Dortmund (13.169), FH Südwestfalen (13.069), FH Aachen (12.868), FH Bielefeld (9670), FH Düsseldorf (9450) und FH Gelsenkirchen (9367).

Im Jahr 2013 gab es insgesamt 5359 Promotionen in NRW, 2004 waren es 4519. An den größten Fachhochschulen im Köln-Bonner Raum promovierten derzeit 120 (Fachhochschule Köln) und 40 (Hochschule Bonn Rhein-Sieg) angehende Doktoren.

Das kooperative Promotionsverfahren ist im Hochschulrecht Nordrhein-Westfalens geregelt. So enthielt schon das Hochschulgesetz des Jahres 2000 in Paragraf 97 Absatz 6 HG eine entsprechende Regelung. Danach sind Kooperationen zwischen Uni und FHs möglich. (ris)

In der Bonner Erklärung werden die Rektoren der Fachhochschulen in NRW noch deutlicher: „Zu groß ist die Abhängigkeit von den Universitätsfakultäten, deren Wille zur Kooperation mit den Fachhochschulen ganz unterschiedlich ausgeprägt ist“, heißt es in dem Papier „Wir hätten gerne eine Öffnungsklausel“, betont auch Eva Tritschler, Sprecherin der Hochschule Bonn/Rhein-Sieg.

Unterstützung erhalten die Befürworter vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE): Viele Fachhochschule leisteten ausgezeichnete Forschungsarbeiten. CHE-Expertin Isabel Roessler plädiert daher zumindest für Öffnungsklauseln für bestimmte Fakultäten von Fachhochschulen wie es sie in anderen Bundesländern gibt.

Das lehnt das NRW-Wissenschaftsministerium bislang vehement ab. Das kooperative Verfahren habe sich bewährt, teilt Sprecher Hermann Lamberty mit. Daher bestehen kein Bedarf für eine gesetzliche Neuregelung. Auch der Wissenschaftsrat verteidigt das kooperative Verfahren, weil sich ansonsten der Unterschied zwischen forschungsstarken Universitäten und eher lehrenden Fachhochschulen langsam auflöse. Darüber hinaus seien die meisten Fachhochschulen derzeit nicht in der Lage Doktoranden zu betreuen. „Man müssten viel Geld in die Hand nehmen, um zusätzliches Personal zu bezahlen.“

Immerhin will die Düsseldorfer Landesregierung ein Graduierten-Institut erlauben. Wie das allerdings genau aussehen soll, ist bislang nicht bekannt. Man muss es sich wohl wie eine virtuelle Plattform vorstellen, auf der sich Doktoranden, Hochschulen und Professoren kennenlernen können.

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