Diagnose BoreoutWenn Langeweile im Job krank macht

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Langeweile am Arbeitsplatz kann krank machen.

Langeweile am Arbeitsplatz kann krank machen.

Stress ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig - und wehe man hat keinen. „Wer nicht gestresst ist, ist scheinbar nicht wichtig“, schreiben die Autoren des Buches „Unterfordert. Diagnose Boreout - Wenn Langeweile krank macht.“ Philippe Rothlin und Peter R. Werder sind sich sicher: Stress gehört heute „einfach zum guten Ton“ und sei sogar „sozial erwünscht“. Deshalb werde er oftmals übertrieben dargestellt.

Unzählige Arbeitnehmer sind unterfordert

Zwar räumen sie ein, dass es sie natürlich gibt: „die gestressten Arbeitnehmer, die vom Unternehmen ausgequetscht werden wie eine Zitrone.“ Aber eben auch das Gegenteil. Ihre These: „Unzählige Arbeitnehmer sind keinesfalls im Stress, obwohl immer so viel davon geredet wird, sondern verfügen tatsächlich über »Freizeit« bei der Arbeit.“ So hätten in einer Umfrage von Salary.com und AOL rund 33 Prozent von 10.000 Arbeitnehmern erklärt, sie hätten bei der Arbeit zu wenig zu tun, seien also unterfordert.

Boreout ist weiter verbreitet als angenommen

Und: Eine weitere Studie von Salary.com aus dem Jahr 2014 komme zu dem Ergebnis, dass 26 Prozent der Befragten zwei oder mehr Stunden pro Tag verschwenden. Die Gründe: „Langeweile und fehlende Anreize bei einem Drittel der Befragten.“ Für die Autoren ein weiteres Indiz für die um sich greifende Langeweile im Job: Internetseiten, die zu Spielen mit dem Bürostuhl anleiten, oder Tipps zur Überbrückung von langweiligen Meetings geben.

Das Phänomen Boreout sei demnach weiter verbreitet als angenommen: Boreout - bestehend aus den englischen Wörtern „bore“ – Langweiler – und „out“ – außen - übersetzen die Autoren mit „Ausgelangweilt-Sein“, wobei ein Ende der Langeweile nicht in Sicht sei.

Unterforderung, Desinteresse und Langeweile

„Im Gegenteil: Die Langeweile wird dermaßen unerträglich, dass sich für den Betroffenen neue, viel schlimmere Dimensionen auftun.“ „Boreout“ bestehe im Wesentlichen aus drei Elementen: Neben der Langeweile gehören demnach Unterforderung und Desinteresse dazu. Um eins aber klar zu stellen: Boreout-Betroffene sind definitiv nicht faul. Umfragen hätten gezeigt, dass unterforderte Arbeitnehmer die unzufriedensten seien und gerne mehr leisten würden. „Doch entweder sind sie im falschen Beruf gelandet, oder ihr Unternehmen lässt sie genau dies nicht tun“, erklären Rothlin und Werder, die jeweils in der Finanzindustrie und im Gesundheitswesen arbeiten.

Selbsttest für Arbeitnehmer: „Leide ich am Boreout-Syndrom?

Wer sich ständig unterfordert fühlt, sich im Job nur langweilt und kein Interesse an seiner Arbeit hat, könnte an Boreout leiden.

Wer sich ständig unterfordert fühlt, sich im Job nur langweilt und kein Interesse an seiner Arbeit hat, könnte an Boreout leiden.

Strategien, um beschäftigt zu wirken

Hinzu kommt: Wer an Boreout leidet, entwickelt Strategien, um diesen Zustand zu erhalten. So versuche der unzufriedene Arbeitnehmer beschäftigt zu wirken und sich vor zusätzlicher Arbeit - die ihn schließlich nicht interessiert oder nicht erfüllt - zu drücken. „Paradox ist dieses Verhalten deshalb, da genau diese Strategien den Zustand der Unzufriedenheit zementieren.“ Mit fatalen Folgen: „Ein über längere Zeit andauerndes Nichtstun bei der Arbeit ist nicht mehr und nicht weniger als der blanke Horror.“ Und: Immer nur vorzuspiegeln, man sei beschäftigt, könne ziemlich anstrengend sein.

Selbsttest für Arbeitnehmer: „Leide ich am Boreout-Syndrom?

Damit der Leser den Boreout im Schnelltest bei sich selbst diagnostizieren kann, stellen die Autoren Fragen wie „Fühlen Sie sich unterfordert oder gelangweilt?“, „Tun Sie ab und zu so, als ob Sie arbeiten würden – tatsächlich haben Sie aber nichts zu tun?“ und „Interessiert Sie Ihre Arbeit nicht oder wenig?“. Wer mehr als vier Fragen von insgesamt zehn für einen längeren Zeitraum mit „ja“ beantworten kann, leide am Boreout-Syndrom - oder sei zumindest auf dem Weg dorthin.

Mit Eigenverantwortung aus der Boreout-Falle

Doch sie zeigen auch Strategien auf, aus dem vermeintlichen Teufelskreis auszubrechen oder gar nicht erst in die Boreout-Falle zu tappen: Die Grundvoraussetzung sei Eigenverantwortung. Es gebe zwar viele Menschen oder auch Unternehmen, die an einem Boreout mitschuldig seien. Aber: „Es gibt nur eine Person, die das Problem wirklich lösen kann. Das sind Sie selber“, bilanzieren Rothlin und Werder. „Ihre Eigenverantwortung fängt also früh an – nämlich bei der Stellensuche und der Bewerbung für einen neuen Job.“

Sinn, Zeit und Geld sind elementar

Dabei sollten Arbeitnehmer immer drei Aspekte im Hinterkopf haben: Sinn, Zeit und Geld. „Dies sind unserer Ansicht nach die zentralen Elemente für Zufriedenheit am Arbeitsplatz.“ Denn, so die Autoren: „Sie bekommen nicht nur Geld für Ihre Arbeit, sondern finden persönliche Befriedigung (Element Sinn), sind ausgelastet und haben die Möglichkeit, Ihre Hobbys in der Freizeit intensiver zu pflegen und das verdiente Geld auch auszugeben (Element Zeit).“

Qualitativer Lohn als Orientierungshilfe

Diese drei Parameter sollen zusammengenommen den Schlüssel für den Weg aus dem Boreout ergeben, den die Autoren als „qualitativen Lohn“ bezeichnen, weil er eben nicht nur den rein finanziellen Wert meint. Damit hätten Arbeitnehmer eine wichtige Orientierungshilfe im Gepäck: „Ihr qualitativer Lohn ist hoch, wenn Sie aus allen drei Elementen genug herausholen und somit der Output groß ist. Ihr qualitativer Lohn ist niedrig, wenn Ihnen das nicht gelingt.“

Philipp Rothlin und Peter R. Werder: Unterfordert. Diagnose Boreout - Wenn Langeweile krank macht, dritte überarbeitete Neuauflage 2014 erschienen im Redline-Verlag.

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