Minderjährige StudentenStudieren mit Generalvollmacht

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Einen festen Platz im Hörsaal: Mit 16 Jahren studiert Lea Winterscheidt bereits Chemie an der Uni Köln.

Einen festen Platz im Hörsaal: Mit 16 Jahren studiert Lea Winterscheidt bereits Chemie an der Uni Köln.

Köln – Zu jung, zu kindlich, nicht reif genug für das Campus-Leben: Lea Winterscheidt kennt die Argumente und Vorurteile. Gerade erst hat sie auf der Uni-Toilette ältere Mitstudentinnen beim Tuscheln ertappt. „Da ist eine bei uns, die ist erst 16 - krass!“ Krass, aber korrekt, denn Winterscheidt, Jahrgang 1995, hat vor zwei Wochen ihr Chemie-Studium an der Universität zu Köln begonnen. Damit ist sie an der Hochschule eine von knapp 40 Erstis unter 18. Die Frischlinge haben dabei mit Einschränkungen zu tun, die der „normale“ Student nicht kennt.

Schon bei der Immatrikulation wird das Alter zur Hürde. Weil Winterscheidt an einer Kölner Pilotschule in acht Jahren das Abitur gemacht hat und zudem zwei Klassen übersprungen hat, konnte sie sich nicht ohne die Zustimmung ihrer Eltern einschreiben. Die Kölner Uni hat aus dem Grund eine Generalvollmacht eingeführt. Kurios: Ohne diese Vollmacht müsste die 16-Jährige jedes Mal ihre Eltern um Erlaubnis fragen, wenn sie eine neue Kopierkarte, eine Essensmarke oder einen Bibliotheksausweis beantragt. Schließlich sind Minderjährige juristisch gesehen nur eingeschränkt geschäftsfähig.

Neues Gesetz für minderjährige Studenten

Die meisten Hochschulen im Land behelfen sich mit solchen Generalvollmachten. In Zukunft könnte es jedoch noch einfacher werden: Das Land plant aktuell, den Freibrief durch eine gesetzliche Regelung zu ersetzen. „Wir wollen es den Studierenden so leicht wie möglich machen und den Hochschulen ausreichend Rechtssicherheit bieten“, sagt eine Sprecherin des Wissenschaftsministeriums in Düsseldorf.

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Hin und Weg – für viele Studenten gehört ein Auslandssemester mittlerweile fest zum Studium dazu, auch viele Arbeitgeber befürworten es. Im Bachelor-Studiengang eignet sich häufig das fünfte Semester für den Aufenthalt. Ihr könnt über verschiedene Organisationen wie Erasmus oder den DAAD ins Ausland gehen. Wichtig: Ein Jahr vorher schon informieren und bewerben. Weitere Informationen, auch über Partnerunis, erhaltet ihr an euren Instituten.

Bafög: das Wortungetüm Bundesausbildungsförderungsgesetz ist eine monatliche staatliche Finanzspritze. Nach dem Studium muss die Hälfte zurückgezahlt werden, allerdings maximal 10.000 Euro. Die Höhe des Bafög hängt unter anderem vom Einkommen der Eltern und dem eigenen Vermögen ab. Hier gibt es einen Bafögrechner.

Credit Points sind was für Jäger und Sammler: Wer als erstes 180 Punkte zusammen hat, schließt als erster sein Studium ab. Credit Points gehören in das Leistungspunktesystem ECTS (European Credit Transfer System). Die Anzahl der Punkte entspricht dem Arbeitsaufwand, den ein Kurs mit sich bringt. Natürlich werden Klausuren und Hausarbeiten weiterhin benotet. Diese gehen dann in die Endnote ein – eine Note in einem Kurs mit vielen Credit Points wiegt mehr als eine Note in einem Kurs mit wenigen Credit Points. Ein Beispiel: Eine Note in einem Kurs mit 10 CP wiegt doppelt so schwer wie die aus einem Kurs mit 5 CP. Wer das System durchblickt, hat schon eine Art Vorstudium bestanden.

Eine aussterbende Art. Im Zuge der Bologna-Reform wurden die Studienabschlüsse europaweit von Magister und Diplom auf Bachelor und Master umgestellt. Die Folge sind verschulte Studiengänge mit relativ fest vorgegebenem Stundenplan.

Erasmus ist ein Programm der Europäischen Union. Es soll die Mobilität von Studenten in Europa erhöhen und die Anerkennung von Studienleistungen im Ausland erleichtern. Studenten, die mit dem Erasmus-Programm an einer Uni im Ausland studieren, werden finanziell unterstützt.

In Fachschaften engagieren sich Studenten eines bestimmten Faches für ihre Kommilitonen. Sie organisieren zum Beispiel Erstsemesterfahrten und Informationsveranstaltungen zum Semesterbeginn und beantworten Fragen rund ums Studium. Manchmal haben sie auch Tipps, welche Profs bei Prüfungen besonders streng sind und welche eher mal ein Auge zudrücken.

Gerne auch Seniorstudenten genannt. Die interessieren sich vor allem für Kunstgeschichte, Geschichte und Germanistik. Stellen gerne viele Fragen, während die meisten anderen nur nach Hause wollen. Trotzdem: Auch von Gasthörern kann man noch was lernen. Gasthörer müssen sich ebenfalls im Studierendensekretariat (s.u.) einschreiben, brauchen allerdings kein Abitur, um zu studieren. Sie zahlen außerdem einen vergünstigten Semesterbeitrag. Weitere Infos

HiWi steht für Hilfswissenschaftler. Das sind studentische Hilfskräfte, also Studenten, die meist schon in höheren Semestern studieren und am Institut oder bei ihrem Prof arbeiten. Auch Tutoren (s.u.) sind oft studentische Hilfskräfte.

ISIC (International Student Identity Card): Der Internationale Studentenausweis ist ein weltweit anerkannter Ausweis, der Studenten auch im Ausland Rabatte und vergünstigten Eintritt ermöglicht. Den Ausweis gibt’s beim Asta, beim Kölner Studentenwerk und in studentischen Reisebüros. www.isic.de

Gehören für die meisten Studenten fest zum Studium dazu. Praktisch ist es, wenn der Job mit dem Studium zu tun hat oder zumindest auf mögliche spätere Berufsfelder vorbereitet. Für Lehramtsstudenten bietet sich etwa ein Nachhilfejob an. Das Jobportal der Uni und der Nebenjob-Sevice der Fachhochschule gute Adressen bei der Jobsuche.

Das Online-Vorlesungsverzeichnis der Uni Köln. Hier findet ihr alle Kurse mit Beschreibungen und könnt euch euren Stundenplan zusammenbauen. Zum Ende des Semesters werden hier eure Noten und Credit Points eingetragen. Zu Klips gehört Ilias, die digitale Lernplattform der Uni Köln. Für beides müsst ihr euch einmal freischalten lassen. Weitere Informationen unter www.klips.uni-koeln.de und www.ilias.uni-koeln.de/ilias/index.php.

Vor Bachelor, Master und Credit Points gab es Diplom- und Magisterstudiengänge und Leistungsnachweise, auch Scheine genannt, für Klausuren und Hausarbeiten. Diese konnte man sich auf Papier gedruckt in den Instituten abholen und musste sie zu Zwischenprüfung und Examen einreichen. Mancher in die Jahre gekommen Prof erzählt euch am Anfang des Semesters vielleicht noch von diesen ominösen „LNs“ oder „Scheinen“.

Diese Nummer lasst ihr euch am besten tätowieren. Zumindest solltet ihr sie auswendig kennen. Sobald ihr euch für einen Studiengang eingeschrieben habt, bekommt ihr eine persönliche Matrikelnummer zugeteilt. Sie ist sieben Ziffern lang. Sie muss bei Klausuren und Hausarbeiten eingetragen werden und auch in vielen anderen Zusammenhängen wird gerne nach ihr gefragt.

N.N. heißt Nomen Nominandum: Wird im Vorlesungsverzeichnis angegeben, wenn der Dozent für die Lehrveranstaltung noch nicht feststeht.  

Fennistik, Byzantinistik oder Judaistik – scheinbar gibt es nichts, was es nicht gibt. Seltene Fächer werden auch Orchideenfächer genannt. Zum Glück können sie sich – trotz gesellschaftlichem Leistungsdruck – zum Teil noch halten. In Fennistik lernt man übrigens die finnische Sprache und Literatur kennen, Byzantinistik ist ein Fachbereich am historischen Institut für Altertumskunde und in der Judaistik beschäftigen sich die Studierenden mit der Geschichte, Sprache und Philosophie des Judentums in seinen verschiedenen Kulturräumen. Aha.

Wer promoviert, macht seinen Doktor. In Fächern wie Medizin gang und gäbe. Auch bei Juristen sehr verbreitet. Dafür bewirbt man sich nach Abschluss seines Studiums (Master, Diplom, Magister) für eine Doktorandenstelle am dem Institut, wo man seine Arbeit (Dissertation, kurz Diss) schreiben möchte. Häufig wird der Doktorand dann auch in der Lehre eingesetzt. Früher haben viele ihren Doktor parallel zu ihrem Job gemacht. Das ist allerdings schwieriger geworden, weil man jetzt regelmäßig Berichte zum Stand seiner Arbeit einreichen muss.

Ganz wichtig bei wissenschaftlichen Arbeiten ist die sorgfältige Angabe aller Quellen. NICHT als Vorbild gelten sollten Karl-Theodor zu Guttenberg oder Anette Schavan. Die haben's falsch gemacht.

Wenn ihr nach Abschluss eines Semesters im nächsten weiterstudieren möchtet, dürft ihr die Fristen für die Rückmeldung nicht verpassen. Bis zum 15. Februar (für das Sommersemester) oder bis zum 15. Juli (für das Wintersemester) müsst ihr euren Semesterbeitrag überwiesen haben. Die verspätete Rückmeldung kann kosten, im schlimmsten Fall droht die Exmatrikulation.

Jeder Dozent bietet während der Vorlesungszeit eine Sprechstunde pro Woche an. Hierfür müsst ihr euch vorab anmelden – bei manchen Dozenten läuft das über E-Mail, bei anderen über einen digitalen Kalender oder nach privater Absprache. Hier könnt ihr euch beraten lassen, wenn ihr etwa nach einem Thema für die Hausarbeit sucht oder bei kursbezogenen Problemen nicht weiter wisst.

Eine begleitende Veranstaltung, die von erfahrenen Studenten geleitet wird. Studienanfänger erfahren dort, wie sie nach Literatur für Hausarbeiten suchen, wie sie richtig wissenschaftlich arbeiten und wie sie die Bibliothek nutzen. Manchmal werden Tutorien auch dafür genutzt, um Grundkenntnisse in einem Fachbereich zu vertiefen.

Die USB heißt in der Langfassung „Universitäts- und Stadtbibliothek Köln“. Studenten der Uni Köln bekommen hier umsonst einen Bibliotheks-Ausweis und können sich mit Büchern für Hausarbeiten versorgen. Alle Bücher, die es in der Uni Köln nicht gibt, können über die Funktion „Fernleihe“ aus anderen Unis bestellt werden. Außerdem besitzt jedes Institut noch seine eigene, fachspezifische Bibliothek.

In der Schule würde man eine Vorlesung wohl als Frontalunterricht bezeichnen. Schlimmer noch: Als Student darf man hier selten zu Wort kommen. Stattdessen steht vorne am Pult ein Prof und erzählt zum Beispiel anderthalb Stunden lang etwas über die Entstehung des Romans. Viele nutzen diese Zeit, um ihre kommenden Seminare vorzubereiten oder ihr Facebook-Profil zu erneuern. Leider droht am Ende des Semesters häufig eine Klausur.

Eine beliebte Wohnform von Studenten. Kann gelegentlich im Chaos ausarten. Immerhin treffen hier häufig fremde und völlig unterschiedliche Charaktere aufeinander. Kann aber auch prima klappen: Aus gemeinsamen Kochabenden und Partys entwickeln sich manchmal wahre Freundschaften. Damit das Zusammenleben harmonischer verläuft, sollte ein Putzplan erstellt werden. Wenn es trotzdem schief geht, bleibt immer noch der Weg zum WG-Schlichter.

Machen Studenten vor allem in den ersten Semestern sehr gerne: Sich einen XXL-Stundenplan mit rund 30 Semesterwochenstunden zusammenzustellen. Weil sie noch motiviert sind und glauben, in der Regelstudienzeit fertig zu werden. Leider kommt man am Ende des Semester mit den zehn zu den Kursen gehörigen Klausuren durcheinander, fällt teilweise durch – und muss den Kurs im nächsten Semester wiederholen. Also: Macht euch lieber einen etwas kürzeren, dafür aber gut organisierten Stundenplan. Als Richtwert gelten rund 20 Semesterwochenstunden.

Das Bett ist schön warm, draußen regnet es und ihr habt keinen Bock in die Uni zu gehen? Vielleicht habt ihr Glück, und euer Prof bietet seine Vorlesungen auch auf YouTube an. So wie Mathe-Professor Jörn Loviscach von der FH Bielefeld. Dann könnt ihr schön von zu Hause aus lernen. YouTube-Kurse eignen sich übrigens auch wunderbar, um Sprachen zu lernen. Nur eins könnt ihr nicht: Bei eurem Nachbarn abgucken.

Bei besonders beliebten Fächern gibt es eine Zulassungsbeschränkung in Form eines Numerus Clausus (NC). Abiturnote und Wartesemester entscheiden darüber, wer die Plätze ergattert. Manche Unis wählen ihre Studenten zum Teil auch selbst aus. Es gibt auch noch einige wenige zulassungsfreie Fächer. Nur wer eine Zulassung hat, kann sich an der Hochschule einschreiben.

Wie genau das Gesetz aussehen soll, ist noch unklar. Klar ist jedoch, dass sich 2013, wenn auch NRW einen Doppeljahrgang aus den Schulen entlässt, deutlich mehr Minderjährige an den Hochschulen des Landes tummeln werden. Winterscheidt und ihre jungen Mitstreiter sind in diesem Wintersemester deshalb so etwas wie Versuchskaninchen.

Trotz Generalvollmacht bleiben Einschränkungen für die U 18-Studis. Stichwort studentisches Leben: „Klar ist es nervig, wenn ich zu Hause bleiben muss, während die anderen eine Kneipentour machen“, sagt Winterscheidt. Das Studium spielt sich schließlich nicht nur an der Uni ab. Auch bei der Suche nach einer Wohnung oder einem Studentenjob steht ihr die ominöse 16 im Weg. Auf Partys sei es jedoch am Schlimmsten: „Jedes Mal, wenn man jemanden kennenlernt, wird man nach dem Alter gefragt.“ Um nerviges Nachhaken zu vermeiden, hat Winterscheidt eine eigene Taktik entwickelt: „Ich sage einfach, dass ich dieses Jahr Abitur gemacht habe, dann denken die meisten, ich wäre 18.“

Nichts verpasst

Die Befürchtung mancher, dass die Minderjährigen mit dem nahtlosen Übergang von Schule zu Uni ihre Jugend verpassen, teilt Winterscheidt nicht: „Ich habe nichts verpasst und brauche auch keine Sternchen anhimmeln.“ Die 16-Jährige weiß genau, was sie will: Nach dem Chemie-Studium könne sie sich gut vorstellen, noch Medizin dran zuhängen. Der frühe Studienbeginn käme ihr da sogar entgegen.

Ruth Zimmermann, Leiterin des Kölner Studierendensekretariats, freut sich über die selbstbewussten Uni-Küken. Die Fürsorge soll dennoch nicht zu kurz kommen. „Ob die sehr jungen Studierenden schon reif genug sind, die richtige Studienentscheidung zu treffen, wird sich zeigen, wenn wir zum Beispiel in den kommenden Jahren mehr Studiengangswechsel zu verzeichnen haben.“ Mit Blick auf 2013 überlegt sich an der Uni Köln eine Arbeitsgruppe, wie man sich noch besser um die sehr jungen Studienanfänger kümmern kann.

Fakt ist: Solange die Studenten noch nicht 18 sind, sind die Unis in der Aufsichtspflicht. Winterscheidt berichtet von Professoren, die diese Aufgabe besonders ernst nehmen. Väterliche Hinwendung im Hörsaal - Lea Winterscheidt ist das mitunter zu viel des Guten: „Ich komme sehr gut zurecht!“ Die einzige Einschränkung, die ihr in ihrem neuen Leben als Studentin wirklich zu schaffen macht, ist die Besteckausgabe in der Uni-Mensa. Die ist für die knapp 1,50 Meter große Erstsemesterin zu hoch angebracht. Ihr Alter spielt hier ausnahmsweise keine Rolle. (dpa)

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