Abo

Wie bei US-MordfallAlexa als Zeugin – darf die Polizei auf Amazon Echo zugreifen?

Lesezeit 6 Minuten
Neuer Inhalt

Amazon zufolge lauschen Amazon Echo und Dot nach den Worten „Alexa“, „Echo“, „Amazon“ oder „Computer“. Erst nachdem sie diese gehört haben, werden weitere Kommandos an Amazon übertragen.

Der Fall sorgt weltweit für Aufsehen: In den USA könnte erstmals ein Mordfall durch Amazons Netz-Lautsprecher Echo aufgeklärt werden. Amazon hatte sich lange geweigert, die Daten an die US-Ermittler herauszugeben. Nachdem der Tatverdächtige jedoch selbst einer Verwendung zugestimmt hatte, gab der US-Konzern nun nach.

Hintergrund ist, dass ein Bekannter des Tatverdächtigen im Herbst 2015 tot in dessen Whirlpool aufgefunden wurde. Der Mann gab an, geschlafen und seinen Bekannten erst am Morgen tot vorgefunden zu haben. Die Behörden schöpften aufgrund von mutmaßlichen Kampfspuren jedoch Verdacht und gehen von einem vertuschten Mordfall aus.

Alexa als Zeugin in einem Mordfall

Die smarte Assistentin Alexa, die über den Amazon-Echo-Lautsprecher aktiviert wird, könnte nun zur Zeugin in dem Mordfall werden. Die Assistentin wird – ähnlich wie Siri beim Iphone – über die Mikrofone aktiviert, wenn man das Schlüsselwort „Alexa“ ausspricht. Die Sprachbefehle werden dann zur Verarbeitung weiter in die Cloud geschickt.

Wer fragt, „Alexa, wieviel Uhr ist es?“, wird von der Assistentin über die Lautsprecher eine Antwort bekommen. Über das Amazon-System lassen sich auch vernetzte Geräte in einem Smart Home per Stimme steuern. Wer das Licht im Haus einschalten möchte, könnte zum Beispiel sagen: „Alexa, mach das Licht an.“ Die Polizei erhofft sich von den Daten aus Amazons Netz-Lautsprecher Echo etwa  Informationen darüber, ob jemand in der Nacht im Haus wach gewesen ist.

Die Frage ist nun: Ist so ein Fall auch in Deutschland denkbar, wo Amazon Echo seit Kurzem auch auf dem Markt ist? Wir haben bei Rechtsanwalt Christian Solmecke nachgefragt:

Könnte Alexa auch bei uns zur Zeugin werden? Darf die Polizei in Deutschland im Verdachtsfall auf meine Amazon-Echo-Daten zugreifen?

Christian Solmecke: Wer glaubt, dass eine Datenweitergabe verboten sei, der irrt. Die Daten sind keineswegs vor dem Zugriff staatlicher Behörden geschützt. Eine Datenweitergabe ist jedenfalls grundsätzlich zur Abwehr von Gefahren für die staatliche oder öffentliche Sicherheit oder zur Verfolgung von Straftaten erlaubt. Hinzu kommen muss, dass der Betroffene kein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung oder Nutzung hat. Dann wäre ein Zugriff beim Cloud-Anbieter rechtmäßig.

Dabei dürfte es jedoch ein praktisches Problem geben, da Amazon die Daten auch auf ausländischen Servern speichert. Die Hoheitsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden enden allerdings an den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland. Sofern sie die Beschlagnahme von Daten beabsichtigen, die außerhalb von Deutschland gespeichert werden, so müssen sie den aufwändigen Weg der internationalen Rechtshilfe einschreiten.  Nutzer müssen im Übrigen über den Zugriff auf ihre Daten in Kenntnis gesetzt werden.

Dürfte Amazon den Zugriff deutschen Behörden verweigern? Wie Amazon es zunächst in den USA handhabte? 

Solmecke: Nach deutschem Recht dürfte sich Amazon ebenfalls weigern, eine Datenauskunft zu erteilen. In einem solchen Fall jedoch, würde es in der Folge zu Ordnungs- und Zwangsmaßnahme wie einer Beschlagnahme der Daten kommen.  Daher sind Anbieter wie Amazon in der Regel daran gehalten, mit den Behörden zu kooperieren und die Daten freiwillig herauszugeben, allein schon um Beeinträchtigungen im Betriebsablauf zu verhindern.

Werden die gesammelten Daten vor Gericht zugelassen?

Solmecke: Sofern die staatlichen Behörden ermächtigt waren, auf die Daten zuzugreifen, so dürfen diese auch vor Gericht als Beweismittel verwertet werden.

Könnte eine Frau so beispielsweise beweisen, dass ihr Ehemann gewalttätig ist?

Solmecke: Das wäre denkbar. Rechtlich gesehen wäre eine Aufnahme im Regelfall verwertbar, sollte die Betroffene bedroht oder genötigt worden sein. In diesem Fall wäre eine Aufnahme voraussichtlich durch eine notwehrähnliche Situation gerechtfertigt.

Nächste Seite: Was passiert bei Amazon mit den gesammelten Daten?

Was passiert bei Amazon mit den gesammelten Daten?

Solmecke: Amazon speichert alle Sprachbefehle dauerhaft in der Cloud. Alexa leitet Audiodaten in die Cloud, wenn Nutzer mit Alexa interagieren. Alexa verarbeitet und speichert die Stimmeingaben dann auf einem Server. Das können übrigens laut Amazon auch Server aus dem Ausland sein.  Das Problem ist: In der Regel ist bei solchen Geräten nicht hinreichend transparent, wie die erfassten Informationen tatsächlich genutzt und gespeichert werden.

Darf Echo diese abspeichern?

Solmecke: Ja, denn diese Erlaubnis erteilen Nutzer dem Unternehmen, wenn Sie in die Nutzungsbedingungen von Amazons Echo einwilligen. Ob die Einwilligung auch nach den Regeln deutscher Gesetze korrekt erfolgt ist und der Nutzer wusste, wohin er einwilligt , steht natürlich auf einem anderen Blatt Papier. Das werden die Gerichte noch zu klären haben.

Wer hat Zugriff darauf?

Solmecke: Zunächst einmal hat natürlich der Nutzer selbst Zugriff. Auch Amazon kann grundsätzlich, wie der US-Fall zeigt, auf die Daten zugreifen.  Ansonsten sollen Daten laut Amazon nur dann weitergegeben werden, wenn dies für einen genutzten Dienst nötig sei, wie etwa, wenn Nutzer über den Sprachassistenten ein Taxi bestellen und daraufhin das Taxiunternehmen verständigt wird, oder das Wetter abgefragt wird.

Allerdings werden Geräusche und Gespräche unmittelbar in die USA übermittelt und auf den dortigen Servern von Amazon gespeichert und könnten dann theoretisch durch private Unternehmen oder amerikanische Geheimdienste, wie etwa NSA, CIA oder FBI, ausgewertet werden.

Haben auch Dritte per ungeschütztem Bluetooth-Zugang oder W-LAN die Möglichkeit, einen Kontakt mit Alexa herzustellen?

Solmecke: Bislang überzeugte Amazons Echo in Tests durch gut geschützte Kommunikation aller überprüften Verbindungen. Dennoch ist natürlich grundsätzlich auch ein Missbrauch durch Dritte nicht hundertprozentig ausgeschlossen. So könnte Echo theoretisch auch Hackern als hochsensible Wanze dienen. Nutzer sollten sich darüber im Klaren sein, dass gerade heutzutage, wo immer wieder Sicherheitslücken für Datendiebstahl genutzt werden, Daten nie vollkommen sicher sind.

Die smarte Puppe Cayla, die im Kinderzimmer agiert wie Echo, wurde von der Bundesnetzagentur kürzlich verboten. Cayla und Echo funktionieren ähnlich. Warum wird das eine verboten, das andere nicht?

Solmecke: Möglicherweise hängt dies tatsächlich weniger von der Rechtslage als davon ab, dass die Behörden im Fall von Amazons Echo ganz einfach noch nicht reagiert haben. Schaut man sich § 90 Telekommunikationsgesetz an, bei dem es um den Missbrauch von Sende- oder sonstigen Telekommunikationsanlagen geht, liegt eine solche Annahme jedenfalls alles andere als fern. Danach sind solche Gegenstände verboten, die in der Lage sind, das „nicht öffentlich gesprochene Wort“ einer Person aufzuzeichnen und dabei als „Gegenstand des täglichen Gebrauchs verkleidet“ sind. Das Telekommunikationsgesetz greift hier also immer dann, wenn sich Abhöranlagen in Alltagsgegenständen verbergen. Tatsächlich könnte der Lautsprecher Echo als ein solcher Alltagsgegenstand gewertet werden. Insofern ist es nicht auszuschließen, dass die Bundesnetzagentur sich auch dieses Produkt sehr genau anschauen wird. (rer, mit Material von dpa)

KStA abonnieren