DrogensuchtDie verheerende Wirkung von Crystal Meth

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Die Zahl der erstauffälligen Crystal-Meth-Konsumenten stieg von 1693 im Jahr 2011 auf 2556 im vergangenen Jahr.

Die Zahl der erstauffälligen Crystal-Meth-Konsumenten stieg von 1693 im Jahr 2011 auf 2556 im vergangenen Jahr.

Kristall, Ruppe, Ice oder auch einfach nur C - all diese Begriffe stehen für die illegale Droge Crystal Meth. Die Substanz mindert Gefühle wie Angst, Hunger und Schmerz. Sie kann euphorisch machen und steigert die subjektive Leistungsbereitschaft. Doch die Folgen des Konsums von kristallinem Metamphetamin, so die Übersetzung für Crystal Meth, können verheerend sein: Lässt die Wirkung nach, stellen sich Antriebsarmut und Gereiztheit ein. Und bei regelmäßigem Gebrauch verändert sich die Persönlichkeit der Konsumenten, wie Roland Härtel-Petri, Suchttherapeut aus Bayreuth, erklärt.

„Die erste Crystal-Welle betraf in erster Linie die Technoparty-Szene“, sagt der Experte. „Seit etwa 2009 erleben wir jedoch eine zweite Welle und sehen nun viele Leute, die den Konsum mitmachen, um den eigenen Leistungsansprüchen und einem Erlebnishunger nachzukommen. Das sind ganz andere Milieus.“ In Medien würden oft Bilder von Crystal-Süchtigen aus den USA gezeigt, die seit Jahren abhängig seien und durch das dort fehlende Sozialsystem entsprechend schlecht aussähen. „Da erkennen sich viele bereits abhängige Konsumenten aus Deutschland nicht wieder“, sagt Härtel-Petri. Sie nähmen dies als „Ausrede“, keine Hilfe aufzusuchen, weil sie sich als noch nicht so weit „runtergekommen“ erlebten.

Geschnupft, geraucht oder inhaliert

„Konsistenz und Aussehen des Methamphetamins erinnern an Eiskristalle oder kleine Glassplitter“, heißt es in einer Broschüre der Jugendsucht- und Drogenberatung der Stadtmission Chemnitz. In dieser oder in feiner, pulvriger Form werde es auf dem Drogenmarkt angeboten. Die Kristalle hätten eine milchig-weiße Färbung, könnten aber rosa oder blau eingefärbt sein.

„Crystal wird in der Regel durch die Nase geschnupft, geraucht oder inhaliert“, erläutert Gabriele Bartsch, Gesundheitswissenschaftlerin von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) in Hamm. „Es kann aber auch mit Spritzen injiziert werden, was die Gefahr von Infektionen mit sich bringt, wie wir sie bei Heroinsüchtigen kennen.“

Überwiegend aus Tschechien

Behörden machen sich nun Sorgen, dass sich die Droge in Deutschland ausbreiten könnte. Bislang ist sie vor allem in den an Tschechien grenzenden Bundesländern Bayern und Sachsen bekannt. Mehr als 75 Kilogramm Crystal Meth wurden im Jahr 2012 in Deutschland beschlagnahmt, im Jahr davor waren es 40 Kilogramm. Das geht aus aktuellen Daten der Bundesdrogenbeauftragten hervor. Auch die Zahl der „erstauffälligen Konsumenten“ stieg von 1693 im Jahr 2011 auf 2556 im vergangenen Jahr an.

Eine Studie des Bundesgesundheitsministeriums zum Missbrauch von Amphetaminen soll unter anderem Klarheit darüber bringen, wer die Droge wo und aus welchem Grund verwendet. Das in Deutschland konsumierte Methamphetamin stamme überwiegend aus Tschechien, sagt Bernd Werse vom Centre for Drug Research (CDR) der Universität in Frankfurt am Main. Meist werde Crystal Meth wohl eher in kleineren Produktionsstätten hergestellt. Manchen Fernsehzuschauern ist die süchtigmachende Substanz durch den krebskranken Chemielehrer aus der US-Serie „Breaking Bad“ bekannt - dort dient zunächst ein umgebautes Wohnmobil in der Wüste von New Mexico als Drogenküche.

Herzrhythmusstörungen und Muskelkrämpfe

Die Substanz Methamphetamin ist nicht neu. Laut Härtel-Petri war sie in Deutschland bis 1988 als Medikament erhältlich und fiel unter die Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes. Im Zweiten Weltkrieg erhielten Soldaten sie als Tabletten in kleinen Dosierungen von drei Milligramm. Das heutzutage als Droge erhältliche kristalline Metamphetamin werde aber beispielsweise bereits von Erstkonsumenten in 30-fach höherer Dosierung durch die Nase eingenommen.

Crystal Meth bewirkt, dass körpereigene Botenstoffe wie Dopamin im Gehirn sowie Adrenalin im Rest des Körpers freigesetzt werden. Das führt zur Stimulation unterschiedlichster Körperreaktionen. Neben den als positiv empfundenen Gefühlen des Glücks und der Leistungsfähigkeit könnten sich riskante Wirkungen wie Herzrhythmusstörungen, Schwindel und Muskelkrämpfe einstellen, warnt Bartsch. Bei regelmäßigem und hoch dosiertem Gebrauch würden zudem die Nerven im Gehirn geschädigt. Ein typisches Zeichen bei Patienten sei Vergesslichkeit und eine veränderte Persönlichkeit. Psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Psychosen könnten auftreten.

Sofort abhängig

Laut Härtel-Petri ist der Stoff in vielen Regionen erhältlich, jedoch zu unterschiedlichen Preisen von 20 Euro bis 150 Euro pro Gramm. „Die Sicherstellungsmengen und -fälle von Crystal Meth steigen bundesweit an, das ist richtig“, ergänzt Bartsch von der DHS. „Das liegt auch daran, dass die Behörden inzwischen genau wissen, wo sie suchen müssen.“ Es gebe aber nicht den Automatismus, dass Drogen, die in einer Region populär seien, auch in anderen Städten boomten.

In Frankfurt befragen die Forscher um Werse seit mehr als zehn Jahren Schüler und Mitglieder der Partyszene, welche Rauschmittel sie verwenden. „Etwa ein Prozent der befragten Schüler hat Crystal schon mal probiert, die Zahlen sind sehr konstant hier“, erläutert der Wissenschaftler. „Aber die Droge hat einen schlechten Ruf, gilt als schwer kontrollierbar und von der Wirkdauer als zu intensiv.“ Es gebe Menschen, die sehr anfällig für die Effekte der Droge seien, so dass sie schon nach einmaligem Gebrauch nicht mehr davon lassen könnten. Andere wiederum fühlten sich abgeschreckt. Wie die übrigen Experten möchte er nicht verharmlosen: „Crystal Meth gehört zu den gefährlichsten Drogen auf dem illegalen Markt.“ (dpa)

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