Goldene RegelnWie Fernbeziehungen funktionieren können

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Kein trauriger Abschied: Eine Fernbeziehung kann auch durchaus positive Seiten haben.

Von Frankfurt am Main nach Hannover und wieder zurück – jeweils ungefähr 350 Kilometer. Diese Strecke legt der Lebensgefährte von Janina Westphal seit eineinhalb Jahren jedes Wochenende zurück. In den ersten Monaten der Fernbeziehung beschränkte sich die gemeinsame Zeit auf Freitag- bis Sonntagabend, inzwischen sind sie oft von Donnerstagabend bis Montagmorgen zusammen. „Am Anfang war ich total unglücklich über die Situation“, sagt die 34 Jahre alte Bloggerin und Social-Media-Beraterin aus Hannover. „Jetzt ist es eigentlich sogar schön. Man schätzt die gemeinsame Zeit viel mehr.“ Wie kann das gelingen?

Drei Grundregeln für eine gelingende Fernbeziehung

Für eine gelingende Fernbeziehung gelten im Prinzip drei Grundregeln, sagt Theologe, Therapeut und Autor Peter Wendl, der an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt zum Thema forscht. Zunächst sollte das Paar die Motivation klären: Bei der Frage „Warum führen wir überhaupt eine Fernbeziehung?“ sollten die Vorteile die Nachteile aufwiegen. Dann braucht es eine, eigentlich sogar mehrere Perspektiven, erklärt Wendl: kurz-, mittel- und langfristig. So sollte jedes Paar in einer Fernbeziehung wissen, wann es sich wiedersieht.

Mittelfristig sind Unterbrechungen der Fernbeziehung wie etwa ein gemeinsames langes Wochenende oder ein Urlaub wichtig. „Langfristig ist die wichtigste Frage: „Wie lange soll das so gehen?““, sagt Wendl. Wichtig ist auch: „Fernbeziehungs-Paare müssen auch den getrennten Alltag alleine meistern und damit zufrieden sein.“

„Paare in Fernbeziehungen leben in drei Welten: meine, deine, unsere“

So geht es Janina Westphal und ihrem Partner inzwischen. Am Anfang haben sie viel gestritten. Sie habe ihm die Schuld an der Situation gegeben, weil er aus beruflichen Gründen nach Frankfurt ging. „Ich hätte nie gedacht, dass ich das auch mal ganz angenehm finde“, sagt sie heute über ihre Fernbeziehung. „Man muss sich halt darauf einlassen.“

Ganz einfach ist das nicht. „Eine Fernbeziehung ist Arbeit“, sagt Paartherapeutin Vera Matt aus Berlin. Schließlich leben die Paare im Prinzip in drei Welten: „Es gibt meine, deine und unsere Welt.“ Den anderen an der eigenen Erlebniswelt teilhaben zu lassen und die gemeinsame Zeit zu gestalten, bedeutet vor allem: reden, reden, reden. Kommunikation sei das zentrale Element in Fernbeziehungen – sowohl wenn man sich sieht, als auch im getrennten Alltag.

Jeden Abend wird telefoniert und darüber ausgetauscht, wie der Tag so lief

Janina Westphal und ihr Partner telefonieren eigentlich jeden Abend. Dann erzählen sie, was sie so den Tag über gemacht haben. „Es sei denn, es gab einen besonderen Moment.“ Etwa wenn die Kita-Eingewöhnung gut lief, dann lesen oder hören sie auch zwischendurch voneinander. Die beiden haben zwei Kinder, das dritte ist unterwegs. „Wir wissen ziemlich genau, wer was auf dem Plan hatte und wie es den Kindern geht.“

Und das ist auch gut so, sagt Wendl: „Es gibt kaum ein Zuviel an Kommunikation.“ Man sollte den anderen wissen lassen, was einen freut und belastet. Ob das per Telefon, Chat, Messenger, Mail oder Skype passiert, sei egal, sagt Matt. Dabei sind feste Verabredungen „ein zweischneidiges Schwert“: Sie schützen das Paar auf der einen Seite vor Unverbindlichkeit, bergen aber die Gefahr der Zwanghaftigkeit, wie Matt sagt.

Zwei Kinder, beide berufstätig und müssen einen Haushalt führen

In einer Fernbeziehung haben beide meist viel um die Ohren – so auch Janina Westphal und ihr Partner: Zwei Kinder, beide arbeiten, haben einen Haushalt zu führen. Zu Beginn der Fernbeziehung seien auch die gemeinsamen Wochenenden komplett durchgeplant gewesen, Familie, Freunde, Zeit zu zweit: viel Programm in wenigen Stunden. Das ist heute anders. „Wir können nicht jedes Wochenende Halligalli machen“, sagt sie.

Erwartungen an die gemeinsame Zeit – das ist eine der größten Schwierigkeiten in einer Fernbeziehung. Denn leicht kann das eintreten, was Wendl den Weihnachtseffekt nennt: „Wenn man sich besonders auf etwas freut, wird besonders viel gestritten.“ Er rät deshalb, die Erwartungen an die gemeinsame Zeit nicht überfrachten.

Gegen Abschiedsschmerz hilft es, während der Fahrt in Kontakt zu bleiben

Wendl hat auch einen Ratschlag für das Wochenende zu zweit: „Der, der nach Hause kommt, sollte sich etwas zurücknehmen. Er ist erstmal Gast.“ Das heißt zum Beispiel: kein Chaos verbreiten, nichts umräumen und nicht die Ordnung im Haushalt kritisieren. Im Gegenzug muss aber auch derjenige, der zu Hause ist, sich etwas öffnen und dem Partner seinen Platz einräumen. Auch beim Thema Reisen sind beide gefragt – auch weil die Fahrerei viel Geld kostet. „Einer reist meistens mehr als der andere“, sagt Matt. „Der andere könnte sich dafür um die Einkäufe und vielleicht Unternehmungen kümmern.“ Sie empfiehlt außerdem, mit der Bahn zu fahren oder, wenn es die finanzielle Situation erlaubt, zu fliegen. So kann man unterwegs lesen oder einen Film gucken. Wendl empfiehlt, sich den Abschied etwas zu erleichtern, indem man unterwegs in Kontakt bleibt – per Nachricht oder am Telefon.

Für Janina Westphal und ihren Partner ist ein Ende der Fernbeziehung bislang nicht geplant. „Wir sind da reingewachsen“, sagt sie. Der Antrieb, wieder zusammenzuziehen, sei wohl auch deshalb nicht so groß. „Ich spreche für uns beide, wenn ich sage: Es fehlt nichts.“  (dpa/tmn) 

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