Klinik-KniggeWie verhalte ich mich im Krankenhaus?

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Besonders im Krankenhaus sind gegenseitige Rücksichtnahme und Verständnis wichtig.

Besonders im Krankenhaus sind gegenseitige Rücksichtnahme und Verständnis wichtig.

Köln – Wann ist die beste Zeit für einen Besuch?

Wer krank im Bett liegt, fühlt sich nicht gerade wie eine Schönheitskönigin. Deshalb erscheinen Sie auf keinen Fall unangemeldet – vielleicht hat der Patient ja gar keine Lust auf Ihren Besuch. Spontan reinschneien ist nur in seltenen Fällen, etwa bei nahen Verwandten, in Ordnung. Dagegen sind Sie in der Frage, wann ein Besuch angemessen ist, relativ frei. Die meisten Krankenhäuser haben feste Besuchszeiten abgeschafft. Trotzdem sollte man Rücksicht auf den Tagesrhythmus der Klinik nehmen und Arztvisiten (meist vor 9.30 Uhr) und Mittagszeiten (meist ab 11.30 Uhr) meiden.

Darf ich die Pflegerin Schwester nennen?

„Schwester“ zu sagen ist im Krankenhaus unangemessen, denn es ist keine gleichberechtigte Anrede. Die Krankenschwester spricht Sie ja auch mit Herr oder Frau Müller an – und nicht mit Ihrer Funktion als Patient. Denselben Respekt sollten Sie auch dem Personal entgegenbringen. Deshalb hat es sich etabliert, Pflegerin und Pfleger mit Nachnamen anzusprechen. Wenn man den nicht weiß? Nachfragen.

Ist aufs Bett setzen okay?

Das Bett ist für Besucher tabu. Es ist schließlich der einzige persönliche, intime Raum für den Erkrankten. Wenn sich jemand auf die Bettkante setzt und dessen Hand nimmt, wird seine Distanzzone womöglich nicht respektiert. Besucher sollten sich deshalb nur auf Wunsch des Patienten aufs Krankenbett setzen. Der ideale Platz für sie ist der Besucherstuhl.

Sind Blumen ein gutes Mitbringsel?

Blumen sind als Geschenk in Ordnung. Aber Obacht bei Topfpflanzen und Trauerblumen. Die Erde von Topfpflanzen kann Keime enthalten. Deshalb sollte man nur Schnittblumen mitbringen – am besten mit Vase, denn die sind in vielen Krankenhäusern knapp. Auch auf Trauerblumen wie weiße Calla oder Nelken sollte man verzichten. Mit einem gemischten, farbenfrohen Strauß ist man auf der sicheren Seite. Gut als Geschenk ist auch alles, was die Zeit vertreibt, Bücher zum Beispiel.

Darf ich sagen, wenn mir ein Besuch zu lange dauert?

Natürlich. Sagen Sie einfach, dass Sie etwas Ruhe brauchen und bitten Sie Ihren Besuch freundlich um Rücksichtnahme. Gerade, wenn jemand krank ist, reagiert er sensibler als sonst auf Störungen oder Geräusche. Das muss jeder Gast verstehen.

Darf ich im Zimmer telefonieren?

Wenn andere im Zimmer sind, würde ich lange Telefonate tunlichst vermeiden. Gegenüber den Mit-Patienten ist Rücksicht angesagt. Niemand hat Lust, private Gespräche über Stunden hinweg zu ertragen. Wer absehen kann, dass es länger dauert, sollte deshalb mit seinem Handy auf den Flur oder in den Gemeinschaftsraum ausweichen.

Muss ich mein Handy beim Besuch ausstellen?

Manche Stationen verbieten Mobiltelefone, weil sie die sensible Technik stören können. Falls das nicht so ist, darf das Handy ruhig angestellt bleiben. Wobei eine generelle Höflichkeitsregel besagt: Anwesende haben Vorrang vor Nichtanwesenden. Wenn man jemandem seine Zeit schenkt, sollte man ihm auch seine Aufmerksamkeit geben – und nicht aufs Handy starren.

Kann ich die Jungs vom Handballclub mitbringen?

Wenn der eigene Partner am Bett sitzt und man sich leise unterhält, stört das sicher keinen Bettnachbarn. Wenn sich der gesamte Handballverein ums Bett versammelt, vermutlich schon. Gruppenbesuche im Mehrbettzimmer sind deshalb unhöflich. Am besten, man entführt den Kranken ein Weilchen in die Cafeteria.

Wer hat die Macht über den Fernseher?

Als Patient ist man in Sachen Abendgestaltung arg eingeschränkt. Kein Wunder, dass sich um die Frage des Fernsehprogramms schon ganze Mehrbettzimmer-Belegschaften zerstritten haben. Wie in anderen Gemeinschaftsfragen – Fenster auf? Heizung an? Licht aus? – gilt auch beim TV-Gucken: keine Alleingänge, sprechen Sie sich ab. Ein Krankenzimmer ist wie ein Großraumbüro. Auch dort gibt es verschiedene Bedürfnisse.

Darf ich Ärzte und Pfleger kritisieren?

In Großbritannien erregt gerade die Online-Kampagne „My name is“ („Mein Name ist“) viel Aufmerksamkeit. Mit der Aktion kritisiert eine Krebspatientin, dass viele Pfleger sich ihren Patienten im Krankenhaus nicht namentlich vorstellen – was sie respektlos findet. Wer sich in der Klinik unhöflich behandelt fühlt, hat alles Recht zur Kritik. Und wenn es nur die Frage ist: Darf ich fragen, wie Sie heißen?

Darf ich dem Pfleger Trinkgeld geben?

Geldfluss ist eine heikle Sache, weil schnell ein Gefühl der Bestechung aufkommen kann. Nach dem Motto: „Für den Zwanni kümmerst du dich jetzt mal gut um Oma Gerda.“ Zudem sind Pflegeberufe aus ihrer Geschichte her keine Trinkgeldberufe. Wer dem Personal trotzdem Danke sagen möchte, macht besser ein Gemeinschaftsgeschenk und bringt zum Beispiel Kuchen für die Abteilung mit.

Wie lange sollte ein Besuch dauern?

Eine halbe Stunde hat sich als Zeitfenster für einen Krankenbesuch bewährt. Ist er kürzer, wirkt der Besuch wie absolviert. Dauert er wesentlich länger, kann er für den Patienten – und dessen Zimmernachbarn – anstrengend werden.

Darf mich mein Bettnachbar vollquatschen?

Wer sich von einem viel redenden Bettnachbarn gestört fühlt, hat mehrere Möglichkeiten, höflich zu bleiben. Manchmal kommt man schon mit nonverbalen Strategien aus – Kopfhörer aufsetzen, weil man gleich ein Hörbuch hören will, zum Beispiel. Wenn der Wink mit dem Zaunpfahl nicht wirkt, sollte man sich nicht scheuen, offen anzusprechen, dass man ein wenig Ruhe braucht. Gerade im Krankenzimmer darf man für seine Rechte einstehen und seine Bedürfnisse zur Sprache bringen.

Darf ich über die Krankheit reden?

Man sollte den Patienten nicht mit Fragen löchern. Wenn er selbst das Bedürfnis hat, über seine Erkrankung zu sprechen, sollte man ihm sein Ohr schenken, dabei aber nicht zu indiskret oder neugierig sein. Es lohnt, sich schon vor dem Besuch mögliche Gesprächsthemen auszuloten: Welche Dinge könnten den Kranken interessieren? Dabei sollte man den Fokus auf Themen legen, die ihn aufmuntern. Lachen ist schließlich auch eine Medizin.

Wie soll ich mich bloß verabschieden?

Sie müssen kein schlechtes Gewissen haben, wenn die Zeit zum Gehen gekommen ist. Bevor Sie sich verabschieden, sollten Sie aber noch mal kurz nachfragen: „Kann ich noch irgendetwas für dich tun, bevor ich gehe?“ Fühlt man sich selbst gesund, spricht nichts dagegen, den Erkrankten zum Abschied zu umarmen. Allerdings sollte man auch hier vorher fragen.

Die Antworten stammen von Agnes Anna Jarosch, Coach und Mitgründerin des Knigge-Rats.

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