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Plötzlicher HerztodGefahr auch für Sportler

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Rettungshelfer und Offizielle tragen Kameruns Nationalspieler Marc-Viven Foe aus dem Stadion, nachdem er auf dem Fußballfeld zusammengebrochen war. Wenig später starb er an Herzversagen.

Rettungshelfer und Offizielle tragen Kameruns Nationalspieler Marc-Viven Foe aus dem Stadion, nachdem er auf dem Fußballfeld zusammengebrochen war. Wenig später starb er an Herzversagen.

Frau Berrisch-Rahmel, man liest regelmäßig von Sportlern, die auf dem Platz zusammenbrechen und sterben. Diagnose: plötzlicher Herztod. Wie kann ein junger, fitter Mensch einfach einen Herzanfall erleiden?

Susanne Berrisch-Rahmel: Die meisten jungen Sportler, denen so etwas passiert, hatten keinen Herzinfarkt. Einen Infarkt bekommen eher ältere Sportler. Junge Menschen, die auf dem Platz zusammenbrechen, haben meist andere Herzerkrankungen. Oft sind das angeborene oder entzündliche Krankheiten wie zum Beispiel eine Herzmuskelentzündung.

Kennen Sie so einen Fall?

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Berrisch-Rahmel: Ich habe einen jungen Hockeyspieler in Behandlung, der mit 17 auf dem Spielfeld zusammengebrochen ist. Er wurde in der Klinik untersucht, doch es wurde keine Ursache gefunden. Dann haben wir ihn in der kardiologischen Praxis noch mal gecheckt. Dabei hat sich gezeigt, dass er eine angeborene Rechtsherzerkrankung hat. Der Mann hat jetzt einen implantierten Defibrillator, der ihm schon zwei Mal das Leben gerettet hat.

Dr. Susanne Berrisch-Rahmel leitet im Bundesverband niedergelassener Kardiologen die Gruppe Sport und Prävention.

Der Vorsitzende Ihres Kardiologen-Verbands hat sich gerade mit der These zitieren lassen: „Bisher gibt es in der Sportmedizin einen Fokus auf die Orthopädie. Die größten Gefahren im Breitensport drohen jedoch bei unentdeckten Herzerkrankungen.“ Ist das nicht ein bisschen dick aufgetragen?

Berrisch-Rahmel: Finde ich nicht. Das Herz ist eben das gefährlichste Organ. Wenn der Meniskus oder ein Kreuzband reißt, kann das einen Sportler zwar monatelang lahmlegen. Aber Herzerkrankungen können viel folgenschwerer sein. Werden sie nicht sofort richtig behandelt, heilen sie oft nicht komplett aus. Und dann kann der Sportler nicht nur zeitweise seinen Sport nicht mehr ausüben, sondern er verliert langfristig seine Leistungsfähigkeit, auch im Alltag.

Wie lässt sich denn erkennen, ob jemand eine bislang unentdeckte Herzschwäche hat?

Berrisch-Rahmel: Man sollte hellhörig werden, wenn man an sich Veränderungen beim Training feststellt. In der Regel kennen Sportler ja ihren Körper sehr gut. Nehmen wir das Beispiel Herzmuskelentzündung: Es kann ein banaler Infekt sein, der plötzlich aufs Herz schlägt. Warnzeichen sind, dass die Leistung plötzlich nachlässt, dass man nicht mehr so belastbar ist, der Puls schneller und der Herzschlag manchmal unregelmäßig wird. Man sollte nicht so lange warten bis auch Luftnot auftritt, sondern frühzeitig einen Arzt aufsuchen.

Schwieriger zu entdecken sind angeborene, sogenannte strukturelle Herzerkrankungen. Gibt es dafür auch Warnzeichen?

Berrisch-Rahmel: Ein angeborenes Herzleiden lässt sich nur durch eine Voruntersuchung erkennen. Mein Rat ist, sich direkt vom Kardiologen untersuchen zu lassen - eine hausärztliche Diagnostik ist oft nicht ausreichend.

Der plötzliche Herztod wird definiert als ein unerwartet auftretender Tod durch Herzstillstand. In Deutschland versterben an ihm 100 000 bis 200 000 Menschen pro Jahr. Tritt er beim Sport auf, ist es meist die Belastung, die bei einem vorgeschädigten Herz ein Kammerflimmern auslöst, das zum Herzstillstand führt: Das Herz zuckt unkoordiniert und bringt keine Pumpleistung mehr. Experten schätzen, dass auf diese Weise jährlich mehrere hundert Menschen beim Sport sterben. Ein bundesweites Register für die genauere Erfassung des plötzlichen Herztods beim Sport wurde erst 2012 installiert. (ma)

Das sagen Sie als Kardiologin . . .

Berrisch-Rahmel: Ich kann das auch begründen. Manche Hausärzte - auch solche, die eine Zusatzausbildung zum Sportmediziner haben - bekommen in ihrer Ausbildung oft nicht das kardiologische Know-How vermittelt, um strukturelle Herzprobleme genau zu diagnostizieren. Sie machen ein EKG und sagen bei gutem Ergebnis: Alles klar, Sie können weiter Sport treiben! Oft fehlen Hausärzten auch die Instrumente: Eine Spiroergometrie - ein Belastungstest, bei dem Atemgase gemessen werden - bieten die wenigsten an.

Ein Belastungs-EKG reicht also nicht aus zum Herz-Check?

Berrisch-Rahmel: Nein. Früher gab es die Empfehlung, ein EKG reiche aus. Heute ist die Lehrmeinung, dass - neben einem Ruhe- und einem Belastungs-EKG - immer auch eine Ultraschall-Untersuchung des Herzens, eine sogenannte Echokardiographie, gemacht werden sollte.

Würden Sie einen Kardio-Check jedem Sportler empfehlen?

Berrisch-Rahmel: Je älter ein Mensch ist, desto größer ist sein Risiko für eine Herzerkrankung. Vor allem ältere Sportler sollten sich deshalb durchchecken lassen - gerade, wenn sie erst wieder neu anfangen. Ab 35 sollte man regelmäßig zur kardiologisch-sportärztlichen Untersuchung gehen.

Was ist mit jüngeren Menschen?

Berrisch-Rahmel: Es kommt darauf an, welchen Sport ich machen will. Möchte ich ein bisschen am Rhein entlang radeln? Oder will ich Wettkampfsport betreiben? Wer einen Marathon laufen will, sollte sich immer vorher kardiologisch durchchecken lassen. Auch Sportler, die bei sich unerklärliche Leistungseinbrüche feststellen, sollten zur Vorsorge gehen.

Und wenn bei der Vorsorge ein Problem erkannt wird? Bedeutet das: Sportverbot?

Berrisch-Rahmel: Viele, die zu uns kommen, haben Angst, dass wir ihnen den Sport verbieten. Doch das wäre langfristig sogar ungesund. Wir wollen, dass die Betroffenen gesunden Sport treiben. Dafür ist Beratung wichtig, manchmal auch eine weitere Untersuchung. Danach besprechen wir, ob der Patient eine generelle Sportpause oder nur eine Wettkampfpause machen sollte.

Vor allem Wiedereinsteiger, die in den letzten Jahren wenig Sport getrieben haben, sollten sich vor dem ersten Training untersuchen lassen. Sie haben ein besonders hohes Risiko für einen plötzlichen Herztod. Tipp: Die Belastung anfangs nur langsam steigern.

Die Deutsche Herzstiftung rät, sich ab dem 35. Lebensjahr regelmäßig medizinisch checken zu lassen, weil ab diesem Alter die koronare Herzkrankheit die häufigste Ursache für einen plötzlichen Herztod im Sport darstellt. Man kann einen solchen Kardio-Check etwa mit dem sogenannten "Gesundheits-Check" kombinieren, der ab 35 alle zwei Jahre von den Kassen bezahlt wird. "Nur den kostenlosen Check-up machen zu lassen, reicht aus kardiologischer Sicht aber nicht aus", sagt Herzmedizinerin Susanne Berrisch-Rahmel.

Infekte sollte man ganz auskurieren, bevor man wieder mit dem Sport einsteigt. Wenn der Puls nach einem Infekt bei Belastungen höher ist als vor dem Infekt, kann das darauf hindeuten, dass sich die Herzfunktion noch nicht normalisiert hat - ein Fall für den Hausarzt.

Um das Herz beim Sport nicht zu überlasten, sollte man - vor allem als älterer Mensch - keinen übertriebenen Ehrgeiz an den Tag legen. Ein klassischer Fehler ist etwa der Schlussspurt, mit dem man sich am Ende des Trainings noch mal richtig auspowern möchte.

Wenn in der Familie bei einem Verwandten in einem jüngeren Lebensalter (unter 35 Jahre) ein plötzlicher Todesfall aufgetreten ist, sollte man sich untersuchen lassen. Schließlich kann die Ursache für den Herztod eine erblich bedingte Herzkrankheit sein, für die man selbst ein Risiko trägt.

Fühlt man beim Sport im Brustkorb ein Druckgefühl, Schmerzen oder eine beklemmende Enge, sollte das unbedingt ärztlich abgeklärt werden. Einfach weitertrainieren kann - bei einem drohenden Herzinfarkt - tödlich sein. Wenn solche Beschwerden länger als fünf Minuten anhalten, sollte man sofort den Notarzt unter der Notrufnummer 112 anrufen. Weitere Alarmzeichen: kurze Schwindelattacken, Ohnmachtsgefühle, Herzstolpern und Herzrasen.

Wird das Thema Herztod von Vereinen stiefmütterlich behandelt?

Berrisch-Rahmel: Im Profisport nicht. Die großen Vereine spendieren schon ihren U11-Jugendspielern jedes Jahr einen Herz-Check.

Im Breitensport müssen Sportler aber meist selbst zahlen. Oder steuern die Krankenkassen etwas bei?

Berrisch-Rahmel: In der Regel nur bei bestehender Herzerkrankung. Im neuen Präventionsgesetz ist aber vorgesehen, dass Kassen Kardio-Checks zahlen. Demnächst mehr dazu im Bundestag.

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