Streiche spielen, veräppelnWas es über uns aussagt, wenn wir andere gerne ärgern

Lesezeit 4 Minuten
Streiche spielen Joko und Klaas

Die Entertainer Joko und Klaas sind berühmt dafür, sich gerne gegenseitig zu ärgern.

Die TV-Stars Joko und Klaas sind für ihre Liebe zum Schabernack bekannt: Die zwei Freunde versuchen bei jeder Gelegenheit, sich gegenseitig Streiche zu spielen – und haben daraus ein erfolgreiches Show-Konzept gemacht.

Auch im wahren Leben gibt es in jedem Freundes- oder Familienkreis mindestens einen, der seine Mitmenschen gerne aus Spaß ärgert. Sogar Staatsoberhäupter sind davor nicht gefeit: Mitarbeiter des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama haben ihm im Winter 2016 einen Streich gespielt. Dafür haben sie mehrere Schneemann-Figuren heimlich vor die Fenster des Oval Office platziert, so dass der Präsident sich erschreckte, als er von seinem Schreibtisch hochblickte.

Aber warum verspüren wir eigentlich so eine diebische Freude, wenn wir andere ärgern können – und warum ist diese Eigenschaft bei manchen Menschen ausgeprägter als bei anderen?

Schabernack wird schon in der Kindheit geprägt

Der Psychotherapeut Dr. Michael Titze forscht seit Jahren über Humor und Gelotologie, also der Wissenschaft über die Auswirkungen des Lachens. Im Interview erklärt er dieser Zeitung, dass diese Art von Humor zu allererst aus Schadenfreude entsteht. Dieses Gefühl sei im Kern genetisch angelegt und prägt sich schon ganz früh in der Kindheit aus: „Das Paradebeispiel ist die Entthronung eines Einzelkindes durch ein neues Geschwisterkind. Dieses Kind muss es verkraften, dass plötzlich alles anders wird“, sagt er.

Das Kind erlebe sich auf einmal als weniger wichtig und würde Gefühle empfinden, die zwischen Neid, Missgunst und Wut stehen. „Wenn es dann feststellt, dass das jüngere Kind im Vergleich zu einem selbst inkompetenter ist, reguliert das die negativen Gefühle. Wir sprechen hier vom Abwärtsvergleich.“ Um diese Inkompetenz immer wieder aufs Neue zu inszenieren und sich damit selbst besser zu fühlen, würde das ältere Kind dem Jüngeren dann Streiche spielen oder diesem etwas vorflunkern.

Wir spielen Streiche, um uns selbst ein gutes Gefühl zu geben

Auch im Erwachsenenalter ändert sich an diesem Grundschema erst einmal nichts. Wer seine Mitmenschen gerne ärgert oder ihnen Streiche spielt, macht das aus psychologischer Sicht, um den anderen zu erniedrigen und sich selbst dadurch besser zu fühlen. Das klingt sehr hart – ist aber eine angeborene menschliche Eigenschaft. „Humor ist ein Luxusreflex, er steht nur dem Menschen zur Verfügung“, erklärt der Psychotherapeut. „Es ist ein Regulativ, um ungute Gefühle, wie sie im Alltag entstehen, zu kompensieren.“ Manche Menschen haben das von Geburt an ausgeprägter als andere.

Es muss nun aber niemand sauer auf einen Freund sein, der einen letztens auf den Arm genommen hat. Denn unter Freunden und in der Familie gibt es eine sogenannte „Lachgemeinschaft“. Das bedeutet, dass jeder, der mit seinen Freunden schon mal gescherzt und gelacht hat, weiß: Hier darf ich Scherze machen, denn die anderen wissen, es ist nicht böse gemeint, sondern humorvoll. „Wenn aber ein Fremder sich einen Scherz erlaubt, kann das sehr kränkend sein,“ weiß der Psychotherapeut.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wenn aus Spaß Mobbing wird

Gerade in der Schule und im Beruf entsteht so aus anfänglichen Scherzen schnell Mobbing. Der Grat ist schmal. Genau wie der Typus Mensch, der ein ausgeprägteres „Ärger-Gen“ hat, gibt es auch den Typus Mensch, der Späße nicht gut versteht. Nicht, weil er es nicht will, sondern weil er einen anderen Charakter hat. Auf solche Menschen wirkt ein kleiner Spaß am Rande dann schnell beleidigend. „Gerade dieser Typus wird dann leider oft selbst zum Opfer von Späßen“, sagt Titze.

Spaßvögel schießen hier oft über das Ziel hinaus, weil sie kein Gefühl dafür haben, dass andere ihren Humor nicht teilen. Sie verletzen ihre Umwelt damit. „Die Engländer unterscheiden deshalb umgangssprachlich zwischen dem ‚bad guys humour‘ und dem ‚good guys humour‘ . Letzterer verzichtet von vorne herein auf Abwärtsvergleiche und schöpft aus einer besonderen Befähigung, auch über sich selbst lachen zu können“, so Titze. Wenn jemand selbst in der unterlegen Position sei, dann dürfe er auch mit anderen scherzen. „Wenn er aber alles dafür tut, niemals in diese unterlegene Situation zu kommen, dann ist das kein guter Humor.“

Letztendlich hilft Humor dabei, Dampf abzulassen, frei nach dem Motto: „Humor ist der Knopf, der verhindert, dass einem der Kragen platzt." Dazu gehören eben auch mal Scherze und kleine Streiche unter Freunden und Familie. Wichtig ist nur, dass nicht nur einer daran Freude hat – sondern alle.

KStA abonnieren