KanadaDie Queen Street in Toronto ist eine Straße für alle

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Queen Street Toronto

Queen Street in Toronto im Morgengrauen.

Toronto – Beginnen wir im Westen der 15 Kilometer langen Straße, im Stadtteil West Queen West. Zwischen kleinen Restaurants und Boutiquen befindet sich an einer Straßenecke ein imposantes rotes Backsteingebäude – das Gladstone Hotel. 1889 eröffnet, bekam das am längsten durchgehend geöffnete Hotel Torontos im Jahr 2004 von Hotelierstochter Christina Zeidler einen neuen Anstrich und eine neue Vision.

Toronto idyllische Nachbarschaft in West Queen West

Die Queen Street im Westen.

„Ich wollte Leben in das Hotel und die Nachbarschaft bringen“, sagt Zeidler. Ihr Konzept: Neben 37 einzigartigen Zimmern, die jeweils von einem Künstler individuell konzipiert und gestaltet wurden, finden sich auf den weitläufigen Fluren in dem alten Gebäude das ganze Jahr über Kunst-Ausstellungen zu verschiedenen Themen. „Die Renovierung war der Startschuss“, sagt die Inhaberin und meint damit die Entwicklung von West Queen West zum Zentrum der lokalen Kunst- und Designszene – mit dem Gladstone als wichtigem Treffpunkt für Kreative und Freidenker. 

Nach und nach eröffneten Galerien, Kreativräume und Shops, in denen in Toronto Ansässige nun eigens entworfene Kleidung anbieten. In den Seitenstraßen, die von der Queen Street West abgehen, schmücken große Streetart-Bilder die Häuserwände. Junge Kreative bei der Arbeit sieht man immer wieder. Ob mit Spraydose oder Pinsel. Und dabei fühlt man sich in West Queen West gar nicht wie in einer Millionenstadt. Die Häuser, die die Straßen einrahmen, stammen größtenteils aus den Fünfzigern, haben kleine Vorgärten und Schaukelstühle auf der Veranda. 

Wolkenkratzer kommen näher

Doch läuft man die Queen Street West weiter entlang Richtung Osten, so verändert sich auch zusehends die Nachbarschaft. Mit jedem Schritt kommen die Wolkenkratzer, die im Hintergrund die Großstadt erahnen lassen, näher. Mehr und mehr Menschen tummeln sich auf der Queen Street West, die gerade abends mit zahlreichen Restaurants und Bars junge Menschen anzieht.

Mit Erreichen der kreuzenden Spadina Avenue weiß man, was die hier lebenden Menschen meinen, wenn sie sagen: „Die Frage ‚Wo kommst du her?‘ ist in Toronto egal.“ An dieser Straßenecke treffen sich alle: Banker, die auf dem Weg zum angrenzenden Finanzdistrikt sind; Touristen, die die Stadt erkunden; Studenten und junge Leute, die hier einen der Busse nehmen, um zur Universität zu gelangen; und viele Chinesen – denn nördlich der Spadina Avenue liegt Torontos Chinatown. Mit mehreren Hunderttausend Chinesen bilden die Asiaten eine riesige Minderheit in der kanadischen Großstadt. Sogar die Straßenschilder sind hier mit chinesischen Schriftzeichen versehen. Kulturelle Vielfalt, wie man sie aus London oder New York kennt.

Toronto Chinatown

Chinatown

Ein bisschen wie in New York fühlt man sich auch wenige Blocks weiter. Die Yonge Street gilt als längste Straße der Welt. Offiziell misst sie 1896 Kilometer. Hier, in Downtown Toronto, beginnt sie, nahe der Kreuzung, wo die Queen Street West zur Queen Street East wird, ist sie mit riesigen Werbetafeln und Plakaten versehen. Nachts leuchtet die Yonge Street in bunten Farben.

„Kleiner Times Square“ wird der Straßenteil genannt. Nicht ganz so groß wie jener in Manhattan, für Toronto jedoch ein bezeichnender Ort. 

Toronto Kleiner Timesquare an der Yonge Street der längsten Straße der Welt

Der „kleiner Times Square“ in Toronto.

„Die Stadt wächst und wächst und hört nicht auf zu wachsen“, erzählt Bruno Brandt. Der 85-Jährige ist Deutscher. 1954 kam er nach Toronto, arbeitete lange Jahre als Manager verschiedener Kaufhäuser. Heute führt Brandt deutsche Touristengruppen durch die Stadt. „Es ist kein Vergleich zu damals“, sagt er: „Als ich hier ankam, da gab es noch keine Wolkenkratzer.“

Toronto The Beaches Blick auf Innenstadt und CN Tower

The Beaches mit Blick auf die Innenstadt und den CN Tower

Brandt schlendert gerne durch die Straßen Torontos, zwischen den modernen Banken und Wohnkomplexen stehen immer wieder alte Gebäude, die die zahlreichen Brände, die Toronto in der Vergangenheit heimsuchten, überlebt haben. „Das ist ein Kontrast, den ich schätze“, sagt der 85-Jährige. Er verstehe, warum so viele junge Menschen aus den USA hierher ziehen. „Toronto pulsiert“, sagt er: „Hier ist immer etwas los. Hier trifft man immer interessante Menschen. Egal, wer man ist, hier findet man seinen Platz.“

Toronto The Beaches mit Blick auf Ontariosee

The Beaches mit Blick auf den Ontariosee.

Für Brandt ist das der Grund, warum es gerade in den letzten Jahren so viele junge Menschen aus Kanada und der ganzen Welt nach Toronto zieht. Auch der Deutsche hat hier seinen Platz gefunden. Er wohnt nicht mehr in der Innenstadt, die wolle er den Menschen lassen, die abends ausgehen und den gastronomischen und kulturellen Reichtum Torontos vernünftig nutzen können. 

Bruno Brandt wohnt mittlerweile im Stadtteil The Beaches. Der Name deutet es schon an. Hier, am Ende der Queen Street East und direkt am Ontariosee, befindet sich ein richtiger Sandstrand.

20 Minuten Busfahrt versetzen einen vom Großstadt-Feeling in die Urlaubs-Idylle. Der Trubel der Innenstadt ist hier vollkommen vergessen. Viktorianische Häuschen zieren die Straßen, an deren Enden einen der grenzenlos scheinende Blick auf den kleinsten der fünf großen Seen Nordamerikas erwartet.

In den heißen Sommermonaten nutzen selbst die Geschäftsleute die Gelegenheit, um dem Alltag zu entfliehen, setzen sich mit Decken auf den Sand und schauen den Möwen an der Promenade zu. Und sollte einem die Ruhe plötzlich doch zu viel werden reicht ein Blick in Richtung Westen – auf die Skyline Torontos. 

Anreise und Tipps

Anreise: Direktflüge mit Condor ab Frankfurt und zurück ab 700 Euro pro Person. Die Flugzeit beträgt rund acht Stunden.

Tipps: Die Homepage von Tourism Toronto gibt zahlreiche Tipps zu Unterkünften, Sehenswürdigkeiten und landestypischen Gepflogenheiten.

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