TriestItalienisches Strandbad trennt Besucher nach Geschlecht – und alle lieben es

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Links die Frauen, rechts die Männer – seit 114 Jahren wird im „Pedocin“ nach Geschlechtern getrennt gesonnt und gebadet. Und alle freut’s. 

Triest – Einst war Triest ein Außenposten des Westens am Eisernen Vorhang, das kommunistische Jugoslawien war nicht weit. Mit dem Ende des Kalten Krieges fielen viele trennende Grenzen und Mauern – aber eine gibt es noch in der norditalienschen Hafenstadt: jene im Strandbad „Bagno alla Lanterna“, von den Triestinern „El Pedocin“ genannt.

Weiß getüncht ist die Mauer, die Männer und Frauen beim Baden trennt. Der letzte Strand in Europa, so heißt es in Triest, an dem die Geschlechter sich getrennt sonnen. „Es ist vielleicht paradox, aber diese Mauer macht uns freier“, sagt Grundschullehrerin Sabrina Pecchiari an einem sonnigen Sonntag in dem gut besuchten Strandbad. Das Bagno gibt es seit 1903. Damals war Triest unter österreich-ungarischer Herrschaft. Ursprünglich trennte ein Zaun die Geschlechter, der später durch eine Mauer ersetzt wurde. Sie wurde nur einmal niedergerissen und versetzt – und zwar 1959, als der Frauenbereich auf Kosten der Männer vergrößert wurde.

„Frauen lieben diesen Ort, weil er ihnen Privatsphäre bietet“, sagt die Journalistin Micol Brusaferro. „Wenn keine Männer da sind, dann sind ein paar Extra-Kilos oder nicht perfekt gewachste Beine kein Problem.“ Italien sei vielerorts noch immer eine Macho-Gesellschaft und Frauen stünden unter Druck, stets toll auszusehen. „El Pedocin“ gibt ihnen die Möglichkeit, Konventionen zu brechen. Hier können auch 80-Jährige im Stringtanga oder oben ohne baden, wenn sie dazu Lust haben, sagt Brusaferro. Männer dagegen schätzen das Strandbad, weil sie hier Ruhe vor ihren nörgelnden Gattinnen haben, sagt auf der anderen Seite der Mauer Gianmarco, der seinen vollen Namen nicht nennen will. Sein Vater Elio steht daneben und nickt zustimmend.

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Das Strandbad ist ganzjährig geöffnet, im Sommer kommen 3000 Badegäste am Tag. Der Eintritt kostet einen Euro. Seinen Spitznamen hat das Bagno den Einheimischen zufolge entweder vom Triester Dialektwort für Muscheln (pedoci) oder für Läuse (pedocio). So soll es in der Nähe früher eine Muschelfarm gegeben haben und österreich-ungarische Soldaten, durchaus auch mal verlaust, nutzten den Strand für ihre Körperpflege.

Trenne man Frauen und Männer, bringe das manchmal die schlechtesten Seiten beider Geschlechter zutage, sagt Rettungsschwimmerin Francesca Azzarelli und lacht. „Bei den Männern hört man viele Macho-Witze. Opas etwa, die nach einer Mund-zu-Mund-Beatmung fragen. Auf der anderen Seite gibt es mehr Gezänk. Kürzlich mussten wir eingreifen und einen Streit um einen Schattenplatz schlichten.“

Einmal im Jahr, bei einem großen Sommerfest, feiern Männer und Frauen gemeinsam im „Pedocin“. Und keiner in Triest fordert: Die Mauer muss weg. „Das ist eine Triester Institution“, sagt der für die Bäder zuständige Ratsherr Giorgio Rossi. „Warum sollten wir niederreißen, was das Bad so einzigartig macht?“ (dpa)

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