re:publica„Welche digitale Strategie will ich?“

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Kixka Nebraska ist unter diesem Pseudonym als „digitale Flaneurin“, Bloggerin und als gefragte Sprecherin auf Konferenzen unterwegs. 2010 machte die Hamburger Kultursoziologin und Pressereferentin sich als „Profilagentin“ selbstständig und berät seitdem überwiegend Freiberufler aus kreativen Branchen. Auf der re:publica sprach sie über „About me – die digitale Fassade“. (Bild: privat)

Kixka Nebraska ist unter diesem Pseudonym als „digitale Flaneurin“, Bloggerin und als gefragte Sprecherin auf Konferenzen unterwegs. 2010 machte die Hamburger Kultursoziologin und Pressereferentin sich als „Profilagentin“ selbstständig und berät seitdem überwiegend Freiberufler aus kreativen Branchen. Auf der re:publica sprach sie über „About me – die digitale Fassade“. (Bild: privat)

Was für Menschen nehmen Ihre professionelle Online-Profilberatung in Anspruch?

Kixka Nebraska: Das sind vor allen Dingen Freiberufler, beispielsweise ein Consulter. Eine Modeschöpferin hatte ich auch mal als Kundin oder jemanden aus dem Musikbusiness. Das sind vor allem kreative Leute. In Frage kommt das aber für alle Selbstständige.

Zu Ihren Haupttipps gehört, authentisch zu bleiben. Widerspricht das nicht dieser Aufgabe, das Profil bewusst zu schärfen und sich konsistent zu präsentieren?

Nebraska: So lange der Online-Auftritt mit dem Offline-Auftritt übereinstimmt, bleibt es ja authentisch. Das heißt ja nicht, dass man sich mit dem Online-Auftritt plötzlich eine neue Identität schafft, sondern es sollte eigentlich eine Verlängerung der Offline-Identität in den digitalen Bereich sein.

Sie beziehen sich in Ihren Vorträgen zur digitalen Identität auch auf kulturwissenschaftliche Theorien wie zum Beispiel die Rollenmodelle der Soziologin Sherry Turkle, die in den 1990er Jahren davon ausging, dass das Netz ganz neue Möglichkeiten bietet, sich selbst zu erfinden. Ist die Herstellung von Identität online wirklich ganz anders als offline?

Nebraska: Ich würde sagen, das hängt genau von der Persönlichkeitsstruktur ab und von dem, was man vorhat. Das kann sehr nah beieinander oder weiter auseinander liegen. Einige Leute möchten nur privat ein wenig herumspielen und sich auf Facebook mit Angry Birds unterhalten lassen. Dann ist es ja relativ egal, was ich von meiner Persönlichkeit preisgebe. Es wird in dem Moment entscheidend, wenn es sich um die berufliche Identität geht, wenn das professionelle Ich einen Auftritt hat. Dann ist es natürlich wichtig, dass man sich die Strategien überlegt.

Was ist der schlimmste Fehler, den man in der Selbstdarstellung im Netz machen kann?

Nebraska: Aufzuschneiden, dass man übertreibt, anfängt, irgendwelche Lügen einzustellen. Das fliegt eigentlich immer auf, das kann kein gutes Ende nehmen. In seiner re:publica-Keynote hat der Jurist und Hochschullehrer Eben Moglen sozialen Netzwerken und anderen privaten Betreibern von Online-Plattformen, denen wir unsere Daten anvertrauen, scharfe Kritik entgegengestellt. Er fordert freie Technologien und freien Zugang zu ihnen, aber ohne den Menschen verfolgbar zu machen, ob von Unternehmen oder Regierungen. Denn das Netz vergisst nichts.

Reflektieren Sie diese Risiken und die Kritik in Ihrer Arbeit?

Nebraska: Auf jeden Fall. Gerade bei den ständig wechselnden Privacy-Settings bei Facebook. Den Kunden mache ich von Anfang an klar, dass sie, wenn sie bei Facebook sind, dort tief mit ihren Daten drinstecken. Dass ich mit privaten Fotos sehr zurückhaltend bin und das auch anderen empfehle. Dass man wirklich eine offizielle Version eines Bildes von sich auswählt, wie man im Netz gefunden werden möchte und dies bewusst mit seinem Namen - auch als Dateiname für die Google-Suche - freigibt. Man muss sich klarmachen: Möchte ich Facebook für mich als öffentliche Person nutzen oder als privaten Bereich, das kann man ja abriegeln. Aber man muss sich klar machen, das Facebook natürlich trotzdem alles weiß und die Daten speichert. Und dass man sein Profil zwar stilllegen kann, aber Löschen sehr schwierig ist.

Sie behandeln das Thema Online- und Social-Media-Identität ja nicht nur im PR-Bereich, sondern mit einem expliziten soziologischen Interesse. Woher kommt das?

Nebraska: Ich hab tatsächlich Soziologie studiert. (Lacht) Ich finde es faszinierend, wie diese digitalen Möglichkeiten sich auf gesellschaftliche Prozesse auswirken, wie das eingreift, was es beschleunigt, wie das zusammenspielt, auch aufzupassen, was mit uns geschieht. Es ist spannend zu beobachten, was das mit uns macht, sowohl die Möglichkeiten als auch die Risiken.

Was glauben Sie denn, was diese digitalen Technologien mit unserer Identitätsbildung machen?

Nebraska: Ich glaube, dass diese sehr viel größeren Möglichkeiten es viel früher nötig machen, zu planen, wie man sich präsentiert. Irgendwann wird man für sich entschieden haben, ‘ok, ich mache etwas, mit dem ich in der Öffentlichkeit stehe‘ und spätestens dann muss man parallel dazu überlegen, mit welcher digitalen Strategie man das begleiten will. Menschen, die mit dem Netz gar nichts zu tun haben, würde ich das gar nicht empfehlen, denn ohne Spaß an der Sache bringt das alles nichts.

Gibt es diese zeitlichen Schritte und die Trennung zwischen digital und analog denn überhaupt noch so? Ist das nicht auch eine Generationenfrage?

Nebraska: Meinen Sie, weil heutzutage der Facebookaccount sozusagen schon mit der Muttermilch weitergegeben wird?

Genau.

Nebraska: Meine Kunden sind alle eher ab 30 Jahre aufwärts, tatsächlich. Ich hab zwei Söhne, und die sind Digital Natives. Da würde ich schon sehr viel früher ansetzen und zeigen, wo liegen die Gefahren, wie schütze ich meine Privatsphäre. Man muss die Medienkompetenz stärken und klarmachen, dass es nicht heißen kann: posten, posten, posten ‘Ich bin ein heißer Typ‘ und all diese Geschichten. Ich empfehle, mit den Kindern darüber ins Gespräch zu kommen und aufzuklären, was auf der Pinnwand öffentlich oder eben nicht öffentlich ist. Ich selbst bin mit den Jungs alle Privacy-Einstellungen durchgegangen und habe ihnen gezeigt, was für wen auf dem Facebook-Profil sichtbar ist, abgestuft in öffentlich, Freunden von Freunden, nur Freunde. Die Eltern müssen sich solche Kompetenzen heute viel härter erarbeiten als die Jungen. Die gehen viel selbstverständlicher damit um aber, eben auch leichtfertiger mit den Privatsphäreeinstellungen, als es aus der Elternperspektive wünschenswert wäre.

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