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Blitzer in NRWPrivatfirmen verdienen kräftig an Radarkontrollen mit

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Symbolbild.

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Düsseldorf/Bergisch Gladbach – Die Autofahrerin, die mit Tempo 84 in einer 50er Zone in Bergisch Gladbach unterwegs war und nach einer Entscheidung des Bensberger Amtsgerichts weder ihren Führerschein für vier Wochen abgeben muss noch zwei Punkte in der Flensburger Verkehrssünderkartei kassieren wird, dürfte ihr Glück kaum fassen können. Ein Stück Rechtsgeschichte wird sie dennoch nicht schreiben, obwohl eine Amtsrichterin das Verfahren eingestellt hat.

Die Stadtverwaltung von Bergisch Gladbach, so ihre Begründung, hätte das Bußgeldverfahren nicht einem privaten Dienstleister überlassen dürfen. Die Firma Radarrent GmbH hatte nicht nur die Messfahrzeuge zur Verfügung gestellt sondern auch die Datensätze verarbeitet. Das sei eine hoheitliche Aufgabe, die eine Kommune nicht aus der Hand geben dürfe.

Private Unternehmen wie Radarrent, Jenoptik, Eso oder German Radar haben den Markt der Verkehrsüberwachung längst für sich entdeckt, hat Polizeidirektor Johann-Markus Hans von der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster beim Verkehrskongress 2015 in Saarbrücken ausgeführt. Zum Teil bieten sie Kommunen und Kreisen sogenannte Rundum-Sorglos-Pakete an. Sie statten die Kommunen mit moderner Messtechnik aus, übernehmen den Betrieb der Anlagen und bereiten die Daten auf. Selbst bei der Standortwahl seien sie beratend tätig. Die Kommune muss nur noch das Bußgeldverfahren einleiten.

Abgerechnet wird mit Fall-Pauschalen oder pro Datensatz. Das sind in der Regel zwischen fünf und sechs Euro. „Besonders für klamme Kommunen können solche Modelle attraktiv sein, weil sie teilweise keinen Cent investieren müssen und trotzdem mit Geschwindigkeitskontrollen sicher und risikolos Geld verdienen können“, sagt Hans. Eine Beispielrechnung: Bei 60 000 Fällen pro Jahr und einen durchschnittlichen Bußgeld von 15 Euro ergeben sich pro Jahr Einnahmen von rund 750 000 Euro, davon 300 000 Euro für den Dienstleister. Nach den Informationen des Polizeidirektors geht der Einfluss der Dienstleister in einigen Fällen sogar so weit, dass sie von der Kommune verlangen können, den Standort einer Blitzeranlage zu verlegen, wenn die nicht genügend abwirft.

Bis Mitte 2014 durften Kommunen nur an Unfallschwerpunkten und Gefahrenstellen blitzen. Diese Einschränkung hat NRW-Innenminister Ralf Jäger per Erlass aufgehoben. Seither darf theoretisch überall gemessen werden, allerdings nur nach vorheriger Absprache mit der Polizei. Außerdem müssen die Standorte der mobilen Radarwagen vorab veröffentlicht werden.

Im Jahr 2013 haben die Kommunen in NRW 354 Millionen Euro an Bußgeldern eingenommen. 85 Prozent stammen aus Ordnungswidrigkeiten wie der Verkehrsüberwachung. Diese sei, so Polizeidirektor Hans, eine „hoheitliche Aufgabe“. Der Einsatz von Dienstleistern, die mittels privatrechtlicher Verträge und Gewinnbeteiligung diese Aufgabe übernehmen, „erscheint sowohl rechtlich als auch hinsichtlich der Akzeptanz von Kontrollen mehr als fragwürdig“, lautet das Urteil des Fachmanns. (pb)

Abgerechnet wird mit Fall-Pauschalen oder pro Datensatz. Das sind in der Regel zwischen fünf und sechs Euro. „Besonders für klamme Kommunen können solche Modelle attraktiv sein, weil sie teilweise keinen Cent investieren müssen und trotzdem mit Geschwindigkeitskontrollen sicher und risikolos Geld verdienen können“, sagt Hans. Eine Beispielrechnung: Bei 60 000 Fällen pro Jahr und einen durchschnittlichen Bußgeld von 15 Euro ergeben sich pro Jahr Einnahmen von rund 750 000 Euro, davon 300 000 Euro für den Dienstleister. Nach den Informationen des Polizeidirektors geht der Einfluss der Dienstleister in einigen Fällen sogar so weit, dass sie von der Kommune verlangen können, den Standort einer Blitzeranlage zu verlegen, wenn die nicht genügend abwirft.

Bis Mitte 2014 durften Kommunen nur an Unfallschwerpunkten und Gefahrenstellen blitzen. Diese Einschränkung hat NRW-Innenminister Ralf Jäger per Erlass aufgehoben. Seither darf theoretisch überall gemessen werden, allerdings nur nach vorheriger Absprache mit der Polizei. Außerdem müssen die Standorte der mobilen Radarwagen vorab veröffentlicht werden.

Im Jahr 2013 haben die Kommunen in NRW 354 Millionen Euro an Bußgeldern eingenommen. 85 Prozent stammen aus Ordnungswidrigkeiten wie der Verkehrsüberwachung. Diese sei, so Polizeidirektor Hans, eine „hoheitliche Aufgabe“. Der Einsatz von Dienstleistern, die mittels privatrechtlicher Verträge und Gewinnbeteiligung diese Aufgabe übernehmen, „erscheint sowohl rechtlich als auch hinsichtlich der Akzeptanz von Kontrollen mehr als fragwürdig“, lautet das Urteil des Fachmanns. (pb)

Dass sich Städte und Gemeinden bei der Jagd nach Temposündern immer häufiger privater Unternehmen bedienen, betrifft nicht nur Nordrhein-Westfalen (siehe „Ein lukratives Geschäft“). Doch im Gegensatz zu anderen Bundesländern wie dem Saarland oder Mecklenburg-Vorpommern, die mit Erlassen sehr genau regeln, wie weit der Einfluss der Privaten bei der Verkehrsüberwachung gehen darf, gibt es in NRW dazu keinerlei Regelungen.

Geschwindigkeitsüberwachung keine hoheitliche Aufgabe

Das Innenministerium sieht auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ auch nach der jüngsten Entscheidung keinen Anlass, daran etwas zu ändern. „Zu nahezu allen Fragen der Geschwindigkeitsüberwachung gibt es verschiedene richterliche Entscheidungen, an denen sich die Kommunen orientieren müssen“, sagt Ministeriumssprecher Oliver Moritz. „In NRW gibt es keinen Erlass zur Verkehrsüberwachung. Damit stehen wir nicht allein. Das ist in zwölf anderen Bundesländern auch so. Selbst wenn wir eine solche Regelung hätten, würde das nicht dazu führen, dass es weniger Klagen von Autofahrern gibt.“ Es mache daher wenig Sinn, die Geschwindigkeitsüberwachung als ureigene hoheitliche Aufgabe zu definieren und die Einbindung privater Unternehmen von vornherein zu reglementieren.

Genau das sehen Verkehrsrechts-Experten völlig anders. Ihnen geht der Einfluss der Privaten zu weit. „Ich persönlich stelle mich auf den Standpunkt, dass jeder dieser Messungen, an denen Privatunternehmen beteiligt sind, rechtswidrig ist, so lange es dafür keine Grundlage gibt.“ Tim Geißler, Rechtsanwalt und Experte für Fragen des Verkehrsrechts, vertritt derzeit drei Autofahrer, die auf der Leverkusener Rheinbrücke wegen überhöhter Geschwindigkeit geblitzt wurden. In einem Fall droht bei einer Überschreitung von 56 Stundenkilometern der Führerscheinentzug. Ein Verfahren wurde – wie in Bergisch Gladbach – inzwischen eingestellt. Die beiden anderen ruhen und werden, da ist Geißler sicher, „so lange ruhen, bis sie verjährt sind und eingestellt werden können“.

Datenschutz spricht gegen Weitergabe der Blitz-Dateien

Der Grund: Auch die Stadt Leverkusen nutzt bei der Verarbeitung der Daten ein privates Unternehmen. „Das hat man mir mitgeteilt, als ich die Herausgabe der digitalen Messdatei nebst öffentlichen Schlüssel und Rohmessdaten verlangt habe“, sagt Geißler. „Man könne mir die Daten gegen Zahlung von 36 Euro zur Verfügung stellen, da die Kopie von einem privaten Dienstleister erstellt wurde.“ Am Ende würden die Verfahren in der Regel eingestellt, „damit wir uns nicht auf Urteile berufen können“. Er könne Autofahrern, die geblitzt wurden und unsicher sind, ob die Kommune sich dazu privater Dienstleister bedient hat, zu einer Klage raten. „Dann hat man gute Chancen, dass diese Beweise nicht verwertet werden dürfen.“ Schließlich sei es in Deutschland nicht gestattet, hoheitliche Aufgaben dauerhaft auf Private zu übertragen. Auch könnten datenschutzrechtliche Gründe gegen eine Weitergabe der Blitz-Dateien an Dritte sprechen. „Das hat der Fall in Bergisch Gladbach gezeigt.“ Die Stadtverwaltung müsse jeder Zeit Kontrolle über die Daten haben, die Auswertung der Ermittlungsergebnisse sei eine hoheitliche Aufgabe, so die Argumentation der Richterin.

Wie viele Blitzer in NRW von Kommunen mit Hilfe privater Firmen betrieben werden, ist auch für Verkehrsexperten schwer einzuschätzen. Die Branche gibt sich zugeknöpft. „Das lässt sich im Grunde nur einschätzen, wenn es wie in Bergisch Gladbach zu einem Rechtsstreit kommt“, sagt Elke Hübner, Leiterin des Verbraucherschutzes beim ADAC.

Nach Informationen der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ betreibt allein einer der vier Branchenriesen, von denen drei in NRW sitzen, im Auftrag von Kommunen mindestens 600 stationäre Messplätze in NRW, darunter im Kreis Recklinghausen, in Euskirchen, Krefeld und wohl auch in Langenfeld, Leichlingen und Monheim.

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