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ArtenschutzExperte aus der Eifel geht mit Umweltministerium ins Gericht

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Extensiv bewirtschaftet wird diese schöne Wiese voller Schlüsselblumen bei Uedelhoven.

Extensiv bewirtschaftet wird diese schöne Wiese voller Schlüsselblumen bei Uedelhoven.

Kreis Euskirchen – „45 Prozent der Arten in NRW sind vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben.“ Die Pressemitteilung, die das Düsseldorfer Umweltministerium zum „Tag des Artenschutzes“ herausgegeben hat, bringt Dr. Wolfgang Schumacher noch immer auf die Palme

Der emeritierte Professor für Geobotanik und Naturschutz der Landwirtschaftlichen Fakultät der Uni Bonn erklärt auf Anfrage: „Würde das stimmen, wäre das fatal und ein Armutszeugnis für NRW. Denn dann hätte sich der Anteil der vom Aussterben bedrohten oder ausgestorbenen Arten in den vergangenen 30 Jahren verdreifacht“. Schumacher weiß nach eigenem Bekunden genau, dass die Aussage des Remmel-Ministeriums „objektiv falsch ist“. Denn er habe schließlich mit anderen Experten und dem Landesamt für Naturschutz die Rote Liste der gefährdeten Arten für Nordrhein-Westfalen erstellt. Darin würden einzelne Arten in Gefährdungskategorien eingeteilt.

Ausgewiesener Experte

Dem Geobotaniker eilt somit der Ruf voraus, ein ausgewiesener Experte in Sachen Roter Liste und Artenreichtum im Land zwischen Rhein und Ruhr zu sein. „Richtig ist vielmehr, dass derzeit 15 Prozent der Arten in NRW als vom Aussterben bedroht gelten oder ausgestorben sind“, korrigiert der Antweiler die Zahl des Ministeriums um 30 Prozentpunkte nach unten.

Der Wissenschaftler hält nicht damit hinter dem Berg, dass ihn diese Verlautbarung, die von zahlreichen Medien übernommen worden sei, sehr geärgert habe. Denn seit 1985 seien vom Land, den Kreisen, Gemeinden und Stiftungen rund eine Milliarde Euro für Naturschutz und Landschaftspflege, vor allem für Flächenkauf, Vertragsnaturschutz, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen ausgegeben worden. Damit seien in manchen Naturräumen – nicht nur in der Eifel – bemerkenswerte Erfolge erzielt worden, auch wenn in anderen Regionen die Bilanz nach wie vor negativ sei.

Das Ackerrandstreifen-Programm, bei dem Landwirte einen Teil ihrer Flächen nicht mit Pestiziden behandeln, hat Wolfgang Schumacher selbst entwickelt: „Mit Zahlen muss man solide umgehen und darf nicht übertreiben.“

Von Naturschutzverbänden sei gelegentlich zu hören, man solle am besten nicht mitteilen, wenn sich in Sachen Naturschutz etwas verbessert habe, denn sonst könnten manche Politiker meinen, man habe genug getan.

„Überschrift ungenau“

Angesichts dieser Anstrengungen glaubt er jedoch, dass eine andere Gefahr sehr viel größer sei. Schumacher: „Jetzt fließen seit Jahrzehnten erhebliche Gelder in den Naturschutz und trotzdem wird nur wenig besser, vieles aber offenbar schlechter. Dann könnte man das Geld auch gleich in ,wichtigere’ Dinge stecken.“ Wilhelm Deitermann, Pressesprecher des Düsseldorfer Umweltministeriums, kommentierte die Pressemitteilung seines Hauses auf Anfrage dieser Zeitung mit den Worten: „Die Überschrift ist ein bisschen ungenau.“ Im weiteren Text habe man aber lesen können, dass zu den 45 genannten Prozent auch die Arten zählen, die lediglich gefährdet sind.

Die Umweltprogramme des Landes hätten bereits dazu geführt, dass sich die Bestände stabilisiert hätten. Trotzdem kämen sie immer noch nicht aus dem Gefährdungsstatus heraus. Das Ministerium habe deshalb mit der Verlautbarung für das Problem sensibilisieren wollen.

Nach wie vor gebe es das Spannungsfeld Naturschutz – intensive Landwirtschaft, auch wenn es heute mehr Naturschutzgebiete gebe als früher. Auf keinen Fall dürfe das Bewusstsein in der Bevölkerung dafür verloren gehen, dass es gelte, den Verlust der Artenvielfalt zu stoppen. Deitermann weiter: „Da sind wir auch ein wenig anderer Ansicht als Herr Schumacher.“

Das Land habe eine Biodiversitäts-Strategie vorgelegt, um die Artenvielfalt zu steigern oder zumindest zu halten. Derzeit werde an einem neuen Landes-Naturschutzgesetz gearbeitet, das die rechtliche Absicherung dafür sein soll. Es handele sich um eines der „Hauptprojekte dieser Legislaturperiode“.

Ende Mai gebe es dazu eine Expertenanhörung, danach könne das Gesetz beschlossen werden, so der Pressesprecher.

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