Offene FragenBaustopp für Dahlemer Windpark – nun droht juristisches Glatteis

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Dahlem – Der am Montag verhängte Baustopp für den Windpark Dahlem IV kann für die Firma Dunoair (Investor und Betreiber), den Kreis Euskirchen und den klageführenden Naturschutzbund (Nabu) eine nervenzehrende Angelegenheit werden.

Viele Fragen stellen sich nach dem Urteil des Aachener Verwaltungsgerichts, weshalb es nicht verwundert, dass Kreis und Dunoair mit Informationen äußerst zurückhaltend sind. Nun wird an den fünf Windrädern zunächst nicht weitergebaut.

Und da Fachleute von bis zu fünf Millionen Euro Kosten pro Windrad sprechen, könnte auch ein immenser finanzieller Schaden im Raum stehen.

Landrat Günter Rosenke bat am Dienstag um Verständnis, dass der Kreis sich derzeit nicht zum Fall äußern könne. Das 20-seitige Urteil des Verwaltungsgerichts müsse intensiv durchgearbeitet werden. Wichtige Personen, die mit dem Thema befasst seien, seien derzeit in Urlaub. Er sei zuversichtlich, dass sich die bemängelten Verfahrensfehler heilen ließen.

Die Vorprüfung

Dr. Frank Schafranek, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Aachen, erläuterte die Besonderheiten des Falls: Die Kreisverwaltung habe im Zuge des Genehmigungsverfahrens eine Vorprüfung durchgeführt und sich dabei am Rotmilan orientiert. Dabei habe sie den Schwarzstorch mit im Blick gehabt und aus den Resultaten geschlossen, dass auch mit diesem alles in Ordnung sei. Dies hatte das Gericht als „beachtlichen Verfahrensfehler“ bewertet.

Günter Ratzbor vom Ingenieurbüro Schmal + Ratzbor für Landespflege und Umweltplanung in Lehrte, das seit 1994 derartige Untersuchungen durchführt – nicht jedoch das zu Dahlem IV –, sagte: „Juristen sind nicht unbedingt gute Ökologen.“ Sein Büro betrachte durchaus Rotmilan und Schwarzstorch zusammen. Allerdings müssten die Flugzeiten und Aufenthaltsorte beachtet werden. Solche Untersuchungen seien schwierig: „Es gibt viele Fehler, die man machen kann. Denn die dafür gültigen Leitfäden sind uneindeutig und widersprüchlich.“

Zwei Möglichkeiten

Richter Schafranek zeigte zwei Handlungsmöglichkeiten auf: So sei zum einen eine erneute Vorprüfung denkbar, bei der die vom Gericht angemahnten Aspekte berücksichtigt werden.

Dies sei allerdings in der Rechtsprechung umstritten. Die Behörde müsse entscheiden, ob sie diesen Weg gehen wolle. „Wenn man anfängt, die Vorprüfung zu heilen, wird der Zeitpunkt der Genehmigungserteilung (2016) zugrunde gelegt“, so Schaffranek. Die zweite Möglichkeit sei eine sofort durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung. Jedoch: Maßgeblich wäre dabei der jetzige Zeitpunkt.

Neue Landespolitik

Die neue Landesregierung will in Sachen Windkraft das Ruder herumreißen und einen gänzlich anderen Kurs als Rot-Grün fahren. Abgeordneter Klaus Voussem (CDU): „Im Koalitionsvertrag finden sich einige Aussagen zum Ausbau der Windenergie, obgleich derzeit noch kein Erlass oder Gesetz geändert wurde.“ So sei als Zielvorgabe ein Abstand von 1500 Metern zur Bebauung vorgegeben, was bedeute, dass viele Standorte wegfielen. Auch die vorrangige Nutzung der Windkraft im Wald werde wegfallen.

Dort könne zukünftig nur dann gebaut werden, wenn es keine anderen Optionen gebe. Diese Änderungen würden allerdings „unter Berücksichtigung von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz realisiert“. Voussem: „Ich interpretiere das so, dass die veränderten Regeln nicht für laufende Projekt gelten.“

Ein neuer Rotmilan

Im Fall des Windparks Dahlem IV könnte erschwerend hinzukommen, dass sich auf dem Gelände mittlerweile ein Rotmilan angesiedelt hat. Bei einer neuen Umweltverträglichkeitsprüfung müsste dies berücksichtigt werden. Schafranek: „Das macht die Sache nicht ganz unpikant.“

Beschwerde?

Die Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts vom Montag bewirkt laut Schafranek, dass die vom Kreis erteilte Genehmigung zunächst aufgehoben ist. Sowohl Kreis als auch Unternehmen können gegen den Richterspruch Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Münster einlegen. Schafranek: „Die Musik, die derzeit gespielt wird, ist so groß, dass es nachvollziehbar ist, dass das wohl geschehen wird.“

Es hänge von den Beteiligten ab, wie viel Zeit bis zu einer Entscheidung vergehe. Ein Beschwerdeführer müsse darlegen, dass das Verwaltungsgericht falsch entschieden habe und warum es richtig gewesen sei, den Schwarzstorch außen vor zu lassen. „Das machen sie nicht innerhalb einer Woche. Dafür brauchen sie Zeit“, sagte er. Aber auch der Nabu werde im Fall einer Beschwerde Zeit benötigen, um dazu Stellung zu nehmen.

Rückbau?

Sollten Kreis und Dunoair auch in Münster nicht Recht bekommen, könnten sie versuchen, das Problem zu lösen, indem weniger Anlagen gebaut werden oder andere Standorte gesucht werden. Ein kompletter Rückbau der Anlage, so Schafranek, sei immer die letzte Möglichkeit.

Wer haftet?

Falls es zu Regressforderungen kommen sollte, müsste die Betreiberfirma dem Kreis nachweisen, dass er an dem Schaden Schuld ist. Schafranek gibt zu bedenken: „In einer Rechtsfrage falsch zu entscheiden heißt noch lange nicht, dass fahrlässig oder vorsätzlich etwas falsch gemacht wurde.“ Die Frage sei dann, ob eine Sorgfaltspflicht verletzt worden sei.

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