Edles AmbienteTraumhaus voller Kunst und Krempel

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Wie aus dem Märchen: Der Staudterhof in Hellenthal.

Wie aus dem Märchen: Der Staudterhof in Hellenthal.

Hellenthal – Die Bodendielen aus Mooreiche knarren unter den Füßen, durch die Sprossenfenster fällt der Blick auf einen herrschaftlichen Garten. Der Staudterhof ist ein Anwesen, in dem es ein Weihnachtszimmer, ein Kofferzimmer, ein Pferdezimmer, ein Etagenbettzimmer, mehrere Kaminzimmer, eine kleine Galerie für Stiche, eine Galerie für Hirschbilder, ein Jagdzimmer und eine blaue Diele gibt. Gabriele Baumann-Neubert lebt mit ihren Eltern in diesem malerischen Haus auf insgesamt 850 Quadratmetern in 28 Zimmern, verteilt auf drei Etagen.

Gabriele Baumann-Neubert: „Wir leben in einem Mehrgenerationenhaus, und das ist wunderschön.“ Je nach Kraft und Fähigkeit bringen sich die drei Bewohner täglich ein. Gabriele Baumann-Neubert ist unter anderem zuständig für die Dekoration. Sie liebt es, immer wieder die Winkel, Ecken und Wände im altehrwürdigen Gemäuer und auch den Garten je nach Jahreszeit tipp-topp herzurichten. Die 128 Fensterläden strich sie in mühevoller Kleinarbeit auch alleine an.

Doch märchenhaft mutet nicht nur der Staudterhof selber an, märchenhaft klingt auch die Geschichte, wie Gabriele Baumann-Neubert zu diesem Gemäuer kam. Bereits als Jugendliche lernte sie die Räume kennen. Als erste weibliche Falknerin arbeitete sie 1968 im Wildgehege für Horst Niesters. Gemeinsam mit seiner Familie und der Familie des damaligen Försters Horst Pankatz lebte Niesters im Staudterhof bei den Staudts zur Miete.

Die Familie Staudt, auf dem Bild zu sehen ist Johann David Staudt (1707-1783), stammt aus der Rhön, ihr Wahrzeichen sind drei Disteln. Über Gemünd kamen sie 1770 nach Hellenthal, wo Johann Paulus Staudt als lutherischer Schulmeister wirkte. Seine Nachfahren arbeiteten während der französischen Zeit als Eisenhütten- und Kaufleute und brachten es zu Wohlstand.

Jakob Wilhelm und Ewald Staudt verließen um 1880 die Eifel, um erfolgreich in Buenos Aires (Argentinien) die Import- und Exportfirma Staudt & Co. zu gründen. Zahlreiche Niederlassungen gibt es inzwischen in vielen Hauptstädten Südamerikas, bis heute reißt die Geschäftsverbindung in die alte Heimat nicht ab.

Bei dem älteren Gebäudeteil des Staudterhofs handelt es sich um einen Fachwerktrakt. Richard Staudt gab kurz vor dem Ersten Weltkrieg das angrenzende „Barockschlösschen“ nach den Plänen des Düsseldorfer Professors Josef Kleesattel in Auftrag. Er bestückte dieses zauberhafte Kleinod mit Eifeler Kunst, wertvollen Bildern und Möbeln, so dass es bald den Charakter eines Museums erhielt. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Schätze geraubt, das Haus schwer beschädigt. Der Wiederaufbau fand schon kurz nach Kriegsende statt.

Guillermo Staudt richtete schließlich auf einem Teil des Besitzes 1968 das Hellenthaler Wildgehege ein. Ende des vergangenen Jahrhunderts wurden sowohl das Wildfreigehege als auch der Staudterhof verkauft.

Nach der Zeit der Staudts wechselte der Hof in den Besitz der Stadt Grevenbroich, die dort von 1980 bis 2005 ein Landschulheim mit 60 Betten unterhielt.

Gabriele Baumann-Neubert, die in Hellenthal aufwuchs, erinnert sich: „Ich passte häufig auf die Kinder der Familien Niesters und Pankatz auf.“ Und während dieser Stunden saß die damals 13-Jährige am liebsten auf der hölzernen Barocktreppe in der großen Halle und dachte so bei sich: „Hier möchte gerne einmal wohnen.“

Doch der Liebe wegen zog die heute 57-Jährige zunächst für 30 Jahre nach Düsseldorf. Dort lebte sie mit dem Steuerberater und Kunstsammler Alfons Baumann zusammen. Als der Staudterhof in ihrer Heimat 2005 zum Verkauf stand, kam sie ins Grübeln. Ihr Mann redete ihr den Traum zunächst aus. Seine Frau aber ließ nicht locker.

Als Alfons Baumann im August 2006 starb, ließ sie zum zweiten Mal von der Idee des Kaufs ab. Mit einem anderen Interessenten hatte die Stadt Grevenbroich, bei der Gabriele Baumann-Neubert vorstellig geworden war, dann einen Notartermin anberaumt. Der Interessent sprang allerdings in letzter Sekunde vom Kauf ab, so dass die Stadt Grevenbroich im November 2006 bei der Wahldüsseldorferin anrief. Gabriele Baumann-Neubert: „Am 23. Dezember 2006 unterschrieb ich tatsächlich im dritten Anlauf den Kaufvertrag.“ Die Pharmareferentin stattete die 850 Quadratmeter nach und nach mit den Möbeln und Gegenständen aus, die ihr Mann im Laufe seines Lebens zusammengetragen und gesammelt hatte. Auf diese Weise erhielt der Staudterhof den musealen Charakter wieder. Die Eigentümerin sagt: „Die dritte Etage unterm Dach wollte ich zunächst brach liegen lassen, doch auch hier fand sich für jedes Zimmer etwas Schönes.“

„Boah, ist das schön hier“

Einige der Zimmer stehen Gästen offen. Besonders die Staudts freuen sich, wenn sie immer mal wieder in ihrem einstigen Familienanwesen in Hellenthal übernachten dürfen.

Und Gabriele Baumann-Neubert, die seit 2010 wieder ganz in ihrem Geburtsort lebt, genießt jeden Tag in ihrem Traumhaus: „Morgens, direkt nach dem Aufstehen, mache ich manchmal einen Spaziergang durch das ganze Haus und staune immer wieder aufs Neue. Dann bin ich glücklich und denke: Boah, ist das schön hier.“

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