Amateurfunker in HeimbachUnd plötzlich ist die ganze Welt zu Gast

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Roswitha Otto ist seit über 25 Jahren Vorsitzende des Heimbacher Clubs. Sie hat sich aufs Morsen spezialisiert.

Roswitha Otto ist seit über 25 Jahren Vorsitzende des Heimbacher Clubs. Sie hat sich aufs Morsen spezialisiert.

Euskirchen – Im Garten stehen zwei 18 Meter hohe Antennen. Der Kellerraum erinnert mit seinen vielen Kabeln, Gerätschaften, Knöpfen und Drehscheiben ein wenig an die Anfangsszene der Kultserie Alf. Morsecode-artiges Piepen dringt aus kratzenden Lautsprechern, Zeiger schlagen aus.

Und dann gibt’s plötzlich „Kontakt“. Nein, nicht zu Außerirdischen auf dem Planeten Melmac, aber kaum weniger exotisch. Es meldet sich ein Mann aus der Sahara. Seine Stimme aus den Boxen ist überraschend gut zu verstehen – das hat Telefon-Qualität. Einsam sitzt der Mann aus der Wüste in einer kleinen Funkstation. Der Amateurfunk-Clubraum wird ein Tor zur Welt, Rudolf Klemmt zum Weltenbummler im eigenen Heim.

Klemmt ist Amateurfunker im 25 Mitglieder starken Ortsverband Heimbach, der dem Deutschen Amateur Radio Club (DARC) angegliedert ist. Seit über 25 Jahren ist die 78-jährige Heimbacherin Roswitha Otto Vorsitzende. Zuvor war Klemmts Vater, Rudolf Klemmt Senior, zehn Jahre Vorsitzender. Er gründete die Gruppe.

Mit Jordaniens

König gefunkt

Auch in Zeiten von Smartphone und Internet hat das Funken für die Heimbacher nichts von seinem Reiz eingebüßt. Entstanden ist Amateurfunken in den 1920er Jahren. Seitdem halten die Funker diverse Faktoren im Blick – etwa der Verlauf der Sonne. „Südafrika und Südjapan erreicht man über Funkwellen besser abends“, so Klemmt.

Wenn die Stimmen fremder Menschen aus den Boxen tönen, schlägt das Funker-Herz höher. Es kommt zu unvergesslichen Begegnungen. Klemmt kann etwa von einem Funkkontakt um 1970 mit dem König von Jordanien berichten, der begeisterter Funkamateur gewesen sei. Oder dem zu einem Arzt aus dem Team von „Ärzte ohne Grenzen“, mit dem er nach einem Erdbeben in Nicaragua 1992 zwei Tage humanitäre Hilfe leistete und mit anderen Funkern als eine Art „internationale Schaltstelle“ fungierte. Hilfsgüter wie Verbandmaterial wurden vermittelt. „Ich habe die Vermissten registriert. Das Auswärtige Amt hat dann zwei Tage später übernommen, weil ich auch keine Stimme mehr hatte“, so Klemmt.

Unverzichtbar für einen Funker ist laut Klemmt die Sammelleidenschaft – mit dem Ziel, die Plakette „DXCC Honor Roll“ zu erhalten. „Das ist das höchste Diplom, das ein Amateurfunker erreichen kann“, erklärt Klemmt: Dafür muss ein Funker sich über 330 „Länder“ – die Funker zählen mehr Länder, als es auf der Welt Staaten gibt – bestätigen lassen, in denen man Kontakt hergestellt hat. Die Funker verlangen bei hergestelltem Kontakt eine Bestätigung, ein ansehnliches Erinnerungs- und Sammelstück, QSL-Karte genannt. Diese wird vom Empfänger des Kontakts zurückgeschickt, ähnlich einer Postkarte. In den vielen Jahren des Funkens ist Klemmt weit vorgedrungen. Er hat die 330 Funk-Länder längt voll. Als Highlights für Funker Highlights gelten Verbindungen zum Vatikan oder Südpol – die auf Klemmts Karte natürlich nicht fehlen.

Politik und Religion sind tabu

„Dora. Kilo. Vier. Kilo. Lima“, buchstabiert Klemmt sein Amateurfunkkürzel „DK4KL“, als er Kontakt mit der Außenwelt herzustellen versucht. „Es ist ein bisschen Glücksspiel, dass mich einer genau jetzt herauspickt“, erklärt er, während er am Frequenzregler dreht. Inzwischen kommen recht häufig weibliche Stimmen aus dem Off. Das war nicht immer so – und ist längst noch nicht überall so. „Zum Beispiel Saudi-Arabien: Da dürfen Frauen weder Autos fahren noch Funken“, so Klemmt.

Oft gehen die „Gespräche“ nicht über die kurze Bestätigung des Kontakts hinaus. „Tabu-Themen sind politische und religiöse.“ Manchmal liegt man aber auf einer Wellenlänge, dann können echte Freundschaften entstehen. „Irgendwann werden Gespräche privater und plötzlich bekommt man Einladungen aus der ganzen Welt“, sagt Klemmt. Auf Madeira und Jersey sei er bereits mehrfach gewesen – eine Reise nach Uruguay habe er jedoch nicht  antreten können.

Einmal im Monat treffen sich die Mitglieder in der Heimbacher „Försterstube“ und tauschen sich aus. Kontakt über Roswitha Otto, Tel. (02446) 1396 oder online:

http://www.darc.de/distrikte/g/41/

Auch für junge Leute spannend

Jüngstes Mitglied des Ortsverbands ist Sascha Schreiber aus Hasenfeld. Er habe sich schon immer für das außergewöhnliche Hobby interessiert. „Angeln ist schließlich was für Extremsportler“, sagt der Bahn-Mitarbeiter lachend. Kürzlich bestand er seine Prüfung und erlangte damit die Lizenz zum Funken.

Wie Annette Hosbach bestätigt, sind die meisten Funker älteren Semesters. „Das ist schade, weil wir auch für Jugendliche spannende Felder haben.“ Dazu zähle eine Fuchsjagd, bei der zu Fuß mehrere versteckte Sender mit Hilfe von Peilempfängern gefunden werden müssen.

„Betriebstechnik, Technik- und Gesetzeskunde sind ein Themen, die gelernt werden müssen“, erklärt Roswitha Otto. Sie selbst hat sich auf das Morsen spezialisiert. Etwas weltoffen sollte man als Funker sein. „Man kann mit jedem Kontakt aufnehmen, egal, welche Muttersprache jemand hat. Die Sprache des Funkens ist international“, so Otto. (küp)

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