StolpersteineDenkmale für die Opfer in Hellenthal

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Stolpersteine werden am Montag, 27. Oktober, nachmittags für die Opfer der jüdischen Familie Kaufmann in Hellenthal verlegt. Der kleine Junge im Bild war das Kind Adolf Kaufmann.

Stolpersteine werden am Montag, 27. Oktober, nachmittags für die Opfer der jüdischen Familie Kaufmann in Hellenthal verlegt. Der kleine Junge im Bild war das Kind Adolf Kaufmann.

Hellenthal – Im Oberen Oleftal bestand vor 1933 eine vergleichsweise große jüdische Gemeinde mit einer eigenen Synagoge in Blumenthal. Mit dem Beginn der nationalsozialistischen setzte unter dem NSDAP-Bürgermeister die Entrechtung, Ausgrenzung und Drangsalierung der jüdischen Einwohner massiv ein. Fast alle jüdischen Einwohner Hellenthals verloren im weiteren Verlauf der nationalsozialistischen Terrorherrschaft ihr Leben. Am Montag, 27. Oktober, werden Stolpersteine zur Erinnerung an mehrere jüdische und christliche Opfer des Nationalsozialismus verlegt.

Die Drangsalierung der Gebrüder Haas, die in Kirschseiffen einen bedeutenden Viehhandel betrieben, setzte unmittelbar nach der Übernahme der Macht durch die Nationalsozialisten ein. Der 1878 geborene Martin Haas war im Ersten Weltkrieg Kriegsteilnehmer, später Repräsentant der jüdischen Gemeinde und Mitglied des Rates der Zivil-Gemeinde. Er wurde unter ungeklärten Umständen 1936 in Aachen inhaftiert. Aufgrund der Haftbedingungen folgte angeblich ein Suizid im Gefängnis. Der Arbeitskreis JudiT.H geht allerdings eher von einem getarnten Mord aus.

Emil Haas, geboren 1880, wie sein Bruder Weltkriegsteilnehmer, konnte nach dem „Prangermarsch“ nach Belgien fliehen, wo er nach dem deutschen Einmarsch verhaftet und 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet wurde. Auch Alex(ander) Haas, geboren 1885, war im Krieg Soldat gewesen. Nach nationalsozialistischer Drangsalierung starb er 1936 im jüdischen Krankenhaus in Köln.

Einzig Karl Haas, geboren 1890, wie seine Brüder im Krieg gewesen, konnte der Verschleppung ins Konzentrationslager unter spektakulären Umständen entgehen. Er war nach dem Pogrom im Oleftal im November zur Teilnahme am Prangermarsch gezwungen worden. Dann wurden zahlreiche Juden über die folgende Nacht vor der Verschleppung ins KZ in die Spritzenhäuser der Gegend eingesperrt. Karl Haas wurde in Udenbreth eingesperrt. Am folgenden Tag konnte er während der Fahrt im Gestapo-Wagen entkommen. Unter dem Vorwand, austreten zu müssen, ging er an den Straßenrand, machte einen Schritt über den Straßengraben – und war auf belgischem Hoheitsgebiet, wohin die Gestapo ihm nicht nachstellen konnte. Später kam er in Lagerhaft in Frankreich, aus der ihm erneut die Flucht gelang, diesmal in die Schweiz.

Von der Familie Kaufmann überlebte seinerzeit nur eine Tochter. August Kaufmann, geboren 1893, Inhaber einer kleinen Metzgerei in Hellenthal, konnte zwar nach Belgien fliehen, aber kurz vor dem Einmarsch der Wehrmacht wurde er dann doch inhaftiert und vermutlich wenig später im Brüsseler Gefängnis erschossen. Fanny Kaufmann, geboren 1893, überlebte versteckt in Belgien, aber der Sohn Adolf Kaufmann (1922) starb wie der Vater im Brüsseler Gefängnis. Die Familie Kaufmann betrieb in Hellenthal eine kleine Metzgerei.

Pfarrer verlässt Kirchengemeinde

Der evangelische Pfarrer Wilhelm Hermann, geboren 1902, erlangte bleibende Bedeutung durch sein Werk „Hirt und Herde“ zur Geschichte der evangelischen Christen in Hellenthal. Er stand für seinen Glauben in den Jahren der NS-Diktatur ein und verkündete öffentlich Kirchenaustritte, auch den des Bürgermeisters Wilhelm Fischer. 1937 Jahr verließ er die Kirchengemeinde aus Protest gegen die politische Ausrichtung des Presbyteriums.

Der katholische Pastor Leonhard Bauer erlebte seit seinem Amtsantritt 1936 permanent die Schikanen des Bürgermeisters sowie diffamierende Aufmärsche des Arbeitsdienstes und von Wehrmachtsangehörigen vor seiner Wohnung und sah sich konfrontiert mit Drohungen und Schmähungen. Es gab Verhöre vor Gestapo und Gericht, Haft und Ausweisung aus Rheinland und Westfalen. Nach einer schweren Depression erhängte er sich nach 1945 in Waldkirch bei Freiburg nach einem Kurzbesuch in Hellenthal.

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