1971 geschlossenDokumente erzählen von den Anfängen der Kaller Metallhütte

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Kall – 1971 wurde die Metallhütte in Kall geschlossen. Es dauerte bis 1973, bis die 54 Ein- und Mehrfamilienhäuser, die zum Werk gehörten, verkauft waren. Dazu zählten auch zahlreiche Häuser an Hütten- und Tanzbergstraße.

Es war der Kaller Ingenieur Willi Kerp, der dafür sorgte, dass die ehemaligen Mitarbeiter der Hütte oder ihre Angehörigen die Häuser zu moderaten Preisen kaufen konnten. „Die faire Abwicklung dieses Verfahrens ist ihm zu verdanken“, sagte Bürgermeister Herbert Radermacher (CDU).

Unterlagen gerettet

Zahlreiche alte Unterlagen, die bis in die Anfänge der Metallhütte zurückreichen, hatte Kerp seitdem verwahrt. Ursprünglich wollte er sie dem Kaller Hubert Büth, Autor von „Kall im Spiegel der Geschichte“, vermachen.

Dieser riet ihm aber, sie im Gemeindearchiv für jeden zugänglich zu machen. Büth: „Willi Kerp ist derjenige, der nach dem Ende der Metallhütte die Tür abgeschlossen hat. Dass er die Dokumente gerettet hat, kann man ihm nicht hoch genug anrechnen.“

Im Alter von 90 Jahren übergab Willi Kerp, der 50 Jahre in der Metallhütte tätig war, die Dokumente nun an Radermacher. Silke Kleinsimon und Angelika Käs werden sie nun im Rathaus archivieren.

Die Anfänge

Wie Büth in seinem Buch schildert, ist das genaue Entstehungsjahr der Bleihütte nicht bekannt. Um 1800 soll Abraham Eisleb am Schließenmaar, heute ein kleiner Tümpel, eine Erzwäsche betrieben haben. Das Bleierz wurde am Tanzberg aus der Erde geholt. Nach der ersten Urkunde des Königlichen Bergamts in Bonn erhielten Eisleb und Paul Heinrich Schruff 1843 die Genehmigung, die Halden am Schließenmaar und der früheren Grube Gute Hoffnung bei Dottel aufzuarbeiten. Bis 1878 wurde weiter ausgebaut.

Zuletzt waren Johann Heinrich Herbst und Heinrich Wilhelm Eisleb Eigentümer. 1878 ging die „Blei- und Silberhütte“ an Albert Poensgen und seien Söhne über, der seinen Betrieb 1860 von Gemünd-Mauel nach Düsseldorf-Oberbilk verlegte. Poensgen ließ zwei neue Bleiröstöfen mit einem 50 Meter hohen Abgaskamin und eine Blei-Destillationsanlage bauen. Das Werk hieß nun „Bleihüttenverwaltung in Call“.

Die Expansion

1907 übernahm die Metallurgische Gesellschaft aus Frankfurt die „Bleihütte Call“ und baute sie aus. Es wurden Erze aus Übersee, meist Australien, eingeführt. Sie wurden per Bahn geliefert.

Es wurde parallel zur Hüttenstraße eine Schmalspurbahn gebaut. Am Umladebahnhof Hüttenstraße wurde das Verhüttungsmaterial in Loren umgeladen und mit der Betriebsbahn zur Hütte transportiert. Die Belegschaft stieg auf 300 Mann. Die Gesellschaft baute 1912 die Doppelwohnhäuser für ihre Arbeiter. Für die leitenden Personen wurden die Villen am Keldenicher Berg und an der Kölner Straße errichtet.

Die Kriegsjahre

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs stoppte die Erzeinfuhr. Die Bleihütte wurde trotzdem erweitert, um für die Rüstung Kupferdraht, verzinkten Eisendraht, Patronenhülsen und beschlagnahmte Haushaltsgegenstände einzuschmelzen.

Bald reichte das nicht mehr. Die Heeresverwaltung verfügte 1917, dass die Kirchengemeinden Glocken und Orgelpfeifen abzuliefern hatten. Tonnenweise trafen Glocken in Kall ein. Dort wurden die meisten Glocken im Land eingeschmolzen. „Die Glocken wurden zur Sprengung auf die Krone gesetzt und mit Wasser gefüllt“, schreibt Hubert Büth: „Über die gefüllten Glocken legte man eine Latte, an der der Sprengstoff aufgehängt wurde. Pioniere sprengten dann die Glocken.“ Nach dem Einschmelzen wurden sie zu Barren gegossen. Bis Kriegende wurden aber nicht alle eingeschmolzen. Einige Glocken kamen zurück, zum Beispiel die Hellenthaler.

Neben den Glocken wurden auch Ein- und Zwei-Pfennig-Kupfermünzen eingeschmolzen. Aus dem gesamten Land wurden sie in Fässern geliefert. Um die Arbeiten zu bewältigen, wurden neben 700 Arbeitern über 380 russische Kriegsgefangene eingesetzt.

Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde die Produktion wieder auf Kriegswirtschaft umgestellt. Bei Bombenangriffen 1944/45 wurde die Hütte weitestgehend zerstört.

Die letzten Jahre

Nach dem Wiederaufbau arbeiteten 1954 rund 170 Menschen in der Hütte. Die endgültige Stilllegung erfolgte am 30. September 1971. Ein Jahr später verkaufte die Metallhütte das rund 40 Hektar große Betriebsgelände an die Gemeinde Kall. Die Firma Schumacher übernahm die Abbrucharbeiten der Betriebsgebäude, die nicht mehr gebraucht wurden. Aus dem Areal entwickelte sich das Kaller Gewerbegebiet. Im ehemaligen Betriebsgebäude ist heute der Bauhof untergebracht, in noch erhaltenen Hallen hat das Straßen- und Tiefbau-Unternehmen von Markus Schäfer seinen Sitz.

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