Lit.EifelSyrische Autorin las aus ihrem Buch „Damaskus – eine Träne, ein Lächeln“

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Vor rund 50 Besuchern las Luna al-Mousli aus ihrem Buch über ihre Kindheit in der syrischen Stadt Damaskus.

Vor rund 50 Besuchern las Luna al-Mousli aus ihrem Buch über ihre Kindheit in der syrischen Stadt Damaskus.

Kall-Steinfeld – Wenn jemals der arg in Misskredit geratene Begriff „Multikulti“ charakterisierend auf eine einzelne Person angewendet werden sollte, dann müsste die Autorin Luna Al-Mousli erste Wahl sein. In Syrien aufgewachsen, in Österreich erwachsen geworden, stellt sie die Vorzüge, aber auch mit bemerkenswerter Offenheit die Probleme der Verschmelzung der Kulturen dar. Am Donnerstagabend las Al-Mousli vor 50 Zuhörern im Rahmen des Literaturfestivals Lit.Eifel und mit Förderung des Jugendmigrationsdienstes in der Schülerkapelle im Kloster Steinfeld aus ihrem Buch „Damaskus – eine Träne, ein Lächeln“.

Mit 14 nach Wien gekommen

Al-Mousli ist eine junge, zart gebaute Frau, die fröhlich und unprätentiös auf das Publikum zugeht. Die Lesung aus ihrem Buch bringt sie mehr als Pflichtübung hinter sich, um sich dann offen den Fragen des Publikums zu stellen. „Das ist mir lieber als zu lesen“, gibt sie zu. Dabei wirkt die redegewandte Frau ganz anders als die nüchternen Prosaminiaturen vermuten lassen, mit denen sie die Erinnerungen ihrer Kindheit in Damaskus in Worte fasst. Auf Deutsch und Arabisch sind die Abschnitte geschrieben, beide trägt sie vor. „Das mache ich auch, wenn niemand im Publikum Arabisch versteht“, erläutert sie.

An diesem Abend ist es anders. Auch mehrere Syrer sind gekommen, die in Kall ihren neuen Wohnsitz gefunden haben. Mit Schülern des Steinfelder Hermann-Josef-Kollegs haben einige von ihnen sich gemeinsam in einem Projekt dem Begriff „Heimat“ gewidmet. Die Idee dazu war der Flüchtlingshelferin Tina Seynsche bei einer Lesung von Luna Al-Mousli im Februar in Kall gekommen. Auf Tafeln stellen sie Fotos aus, die die unterschiedliche Wahrnehmung demonstrieren.

Nicht nur mit ihrer offenherzigen Art wusste Al-Mousli die Herzen der Eifeler zu gewinnen, sondern auch mit ihrem perfekten Wiener Zungenschlag. „Wie haben Sie so akzentfrei Deutsch gelernt?“, wollte eine Lehrerin im Publikum von der 26-Jährigen wissen, worauf Moderator Manfred Lang, selber oft in Sachen Dialekt unterwegs, scherzte: „Das mit dem »akzentfrei« lassen wir einmal beiseite.“

Mit 14 Jahren sei sie aus der syrischen Hauptstadt Damaskus nach Wien gekommen. Wo vorher die Großfamilie war, sei nun die Einsamkeit, die fremde Sprache gewesen. „Ich hatte eine gute Lehrerin, die mich in den Allerwertesten getreten hat“, begründet sie unverblümt ihre brillanten Deutschkenntnisse. Hauptberuflich arbeitet sie als Grafikdesignerin.

Nicht nur zu ihren österreichischen Freunden gibt es oft Unterschiede. Für Syrer, die in Österreich geboren wurden und Syrien nur vom Urlaub her kennen, stelle das nun im Bürgerkrieg befindliche Land „das Paradies“ dar. Wenn sie versuche, ihnen zu erklären, dass es dort gar nicht so einfach sei, stoße sie auf Unverständnis. Doch auch zu den aktuell nach Europa kommenden Flüchtlingen gebe es Differenzen. „Ich hatte keine Schlepper, keine Boote“, liest sie im Nachwort ihres Buches.

Von dem Heimweh, das wie ein grüner Planet für Wochen ihr schmerzhafter Begleiter sei, berichtet sie und auch von ihrer Entscheidung, kein Kopftuch zu tragen. „Das ist eine extrem persönliche Entscheidung“, erläuterte sie auf neugierige Nachfrage. In ihrer Heimat sei das völlig normal. In den Medien werde das aber leider ganz anders dargestellt. Wozu zwei syrische Muslima, die ohne Kopftuch im Publikum sitzen, bestätigend nicken.

„Wenn ich mit meinen österreichischen Freunden rede, wünschte ich, dass sie Arabisch sprechen, und wenn ich mit Syrern zusammensitze, denke ich: Redet doch mal über was anderes“, gesteht Al-Mousli. Auch die zweisprachigen Texte zeichnen ein Bild zweier Welten, die nebeneinander zu existieren scheinen. „Die arabischen Texte sind keine Übersetzungen der deutschen, aber so ähnlich“, lachte die Autorin.

Viel Beifall

Und so bietet die gerade erst 26 Jahre junge Frau fast schon einen Ausblick auf die Zerrissenheit zwischen der Vergangenheit und einer ungewissen Zukunft, die uns in den integrierten Flüchtlingen kommender Generationen erwarten mag. „Das ist ein Prozess, der Zeit braucht“, sagte die Autorin über den allgegenwärtigen Begriff der Integration. Es sei nicht zu erwarten, dass die Neuankömmlinge aus einem Integrationskursus kämen und dann integriert seien. „Jeder muss für sich entscheiden: Was soll zu meiner Identität werden?“, sagt Al-Mousli. Mit viel Beifall dankten die Zuhörer für einen Abend, der viel Aktualität bot.

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