Kreis EuskirchenStädten droht Klagewelle von Spielhallen-Betreibern

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Kreis Euskirchen – „95 Prozent werden spielsüchtig, weil sie beim ersten Mal Zocken in der Spielhalle gewinnen“, sagt Karl-Heinz Schenk (Name geändert). Der 62-Jährige muss es wissen. Auch er hat beim ersten Mal gewonnen und war anschließend süchtig – süchtig nach dem Kick, nach der Jagd auf den möglichen Gewinn. Aus den unregelmäßigen Besuchen in der Spielhalle, wurden mehrere in der Woche.

„Plötzlich war ich mehrmals am Tag in der Daddelbude“, berichtet Schenk: „Ich habe alle belogen. Spielsüchtige werden professionelle Lügner. Plötzlich gerät man angeblich zweimal am Tag in eine Polizeikontrolle und muss die Strafe direkt in bar bezahlen.“

Selbsthilfe-Gruppe bei der Euskirchener Caritas

Irgendwie habe er seiner Frau ja erklären müssen, dass er wieder Geld vom Konto holen müsse. Ob ihm der neue Glücksspielstaatsvertrag damals geholfen hätte, vermag er nicht zu beurteilen. „Was ich aber weiß ist, dass er nicht weit genug geht. Es ändert sich doch kaum etwas“, sagt Kremer, der sich als „trocken“ bezeichnet. Mehr noch: Er leitet seit zehn Jahren bei der Euskirchener Caritas die Spieler-Selbsthilfegruppe, in Rheinbach baut er gerade eine weitere Selbsthilfegruppe auf.

Mechernich

In Stadtgebiet Mechernich gibt es an drei Standorten Spielhallen, die vom neuen Glücksspielstaatsvertrag betroffen sind. Für die Spielhalle in der Turmhofstraße hat die Stadt nach Angaben von Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick zwei Konzessionen erteilt. Für die Spielothek im Gewerbegebiet sind drei Konzessionen ausgegeben. Die größte Spielhalle im Stadtgebiet ist in der Zikkurat in Firmenich untergebracht. Dort stehen 72 Spielgeräte, was sechs Konzessionen entspricht.

„Insgesamt haben wir im Stadtgebiet aktuell elf Konzessionen ausgegeben. Wir rechnen damit, dass die Einnahmen durch die Vergnügungssteuer um zwei Drittel zurückgehen werden“, sagt Bürgermeister Schick. Im Gespräch mit dieser Zeitung versicherte er, dass die neue Regelung konsequent umgesetzt werde. „Ich habe absolutes Verständnis für das neue Gesetz. Es gibt Wichtigeres als Vergnügungssteuer“, so der Verwaltungschef: „Die Kritik an den Spielhallen kann ich verstehen, auch weil ich Vater bin.“

Auch Schick rechnet damit, dass es Klagen gegen das neue Gesetz geben werden. Schließlich dürfen, so der Bürgermeister, ab Dezember nur noch maximal zwölf Spielgeräte in einer Spielhalle betrieben werden. „Es geht um viel Geld“, so Schick. (tom)

Für die Teilnehmer kommt die gesetzliche Änderung des Glücksspielstaatsvertrags zu spät. Am 1. Dezember endet die fünfjährige Schonfrist für Spielhallen, die der Gesetzgeber den Betreibern in dem Schriftstück eingeräumt hat. Die Eckpunkte der neuen Regelung: Pro Standort soll es nur noch eine Konzession – was zwölf Geräten entspricht – geben und zwischen den Spielhallen gilt ein Mindestabstand von 350 Metern Luftlinie.

Dieser Abstand gilt auch zu Schulen und Jugendeinrichtungen. Den Begriff „Casino“ darf eine private Daddelstätte nicht mehr im Namen tragen. Die Vorgabe, nach denen nur zwölf Automaten pro Betrieb erlaubt sind, wissen Unternehmer bislang zu umgehen: Sie führen Großhallen mit räumlich getrennten Automateninseln. Der Trick, durch Trennwände und separate Eingänge Gebäude zu „vervielfältigen“, ist von Dezember an nicht mehr zulässig.

Der neue Vertrag dürfte auch Auswirkungen auf die Spielhöllen im Kreis Euskirchen haben. Wie die allerdings aussehen, ist aktuell völlig unklar. Der Grund: Kaum eine Gemeinde hat sich wenige Monate vor dem Inkrafttreten des Vertrags mit den Konsequenzen beschäftigt.

In Euskirchen liegen beispielsweise an der Wilhelmstraße zwei Spielhalle unmittelbar nebeneinander. Auch an Roitzheimer Straße gibt es zwei Spielhallen, die keinen Abstand von 350 Meter zueinander haben.

Nach dem neuen Vertrag muss eine von beiden zum 31. November schließen. „Über die Schließung von Spielhallen entscheidet die Stadt Euskirchen. Diese Entscheidung ist gerichtlich überprüfbar. Die Möglichkeit von Klagen gegen die Entscheidungen der Stadt ist Gegenstand der Diskussion, eine seriöse Prognose über mögliche Klagen ist derzeit nicht möglich“, sagt Euskirchens Pressesprecherin, Silke Winter.

700.000 Euro Vergnügungssteuer

700.000 Euro Vergnügungssteuer nimmt die Stadt laut Winter aktuell pro Jahr durch die Spielhallen ein. „Wie sich künftige Veränderungen auswirken werden, ist noch nicht absehbar“, sgat Winter auf Anfrage.

Bis es Veränderung geben wird, könnte es auch nach dem 1. Dezember noch dauern. „Der Widerstand bei den Spielhallenbetreibern ist bereits angekündigt worden und wird sicherlich in vielen Fällen auch vor Gericht landen. Es geht schließlich um sehr viel Geld“, sagt die Leiterin der Suchtberatung bei der Caritas Euskirchen, Maria Surges-Brilon.

Das bestätigt ein Spielhallenbetreiber aus Euskirchen, der namentlich nicht genannt werden möchte: „Die Stadt hat sich noch nicht geäußert, nach welchen Kriterien eine Spielhalle geschlossen wird. Spielt es eine Rolle, welche länger da ist oder wer weniger Vergnügungssteuer zahlt? Natürlich werde ich klagen. Das bin ich auch meinen Angestellten schuldig.“ 19 Konzessionen gibt es aktuell in Euskirchen – verteilt auf elf Standorte. „Die Konzessionen für Spielhallen wurden bisher unbefristet erteilt. Aufgrund der Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags und des dazugehörigen Ausführungsgesetzes für NRW ist jedoch für alle Spielhallen eine neue glücksspielrechtliche Erlaubnis zum 1. Dezember erforderlich“, erläutert Winter.

Auch in Blankenheim regiert die Ungewissheit. „Zum jetzigen Zeitpunkt können wir keine Informationen zur Verfügung stellen, ob und wie sich das neue Gesetz auswirkt, da sich die Fachabteilung noch mit der Prüfung der Gesetzeslage befasst“, berichtet die Pressesprecherin der Gemeinde Blankenheim, Martina Klaes.

Im Stadtgebiet von Zülpich verfügen aktuell vier Spielhallen über eine Spielhallenerlaubnis. „Daraus resultieren für den städtischen Haushalt Erträge von jährlich rund 175 000 Euro“, sagt Zülpichs Beigeordneter Ottmar Voigt. Auch er wisse aktuell nicht, wie sich das Gesetz auswirke. Fraglich ist, ob die Spielhalle in der Kölnstraße bestehen bleiben könne. Die ist nämlich nur etwa 100 Meter Luftlinie von einer evangelischen Jugendeinrichtung entfernt. „Das wird aktuell vom Ordnungsamt geprüft“, so Voigt.

Die Vorgehensweise der Städte ist für Schenk nicht nachzuvollziehen: „Die drücken sich vor der Verantwortung und haben sich bisher nicht eingestanden, dass sie ein Problem haben – genau wie Spielsüchtige.“

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