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Sturzregen in MechernichKommerner kämpfen weiter mit den Unwetter-Folgen

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Die Schäden an und in seinem Haus nimmt Karl-Heinz Selbeck (l.) mit Ortsvorsteher Rolf Jaeck in Augenschein.

Die Schäden an und in seinem Haus nimmt Karl-Heinz Selbeck (l.) mit Ortsvorsteher Rolf Jaeck in Augenschein.

Mechernich-Kommern – Wenn Stephanie Selbeck über den Donnerstag spricht, als das Hochwasser Kommern heimsuchte, ist ihr die Erschütterung anzumerken.

Im zerstörten Erdgeschoss ihres kleinen, liebevoll renovierten Fachwerkhauses bietet sie Platz auf Holzstühlen an. „Die sind sauber, da haben die Nachbarn ganze Arbeit geleistet“, sagt sie. Im Hintergrund laufen Bautrockner, von Schadensbeseitigung ist noch nicht die Rede: Die Versicherung will einen Gutachter schicken.

Es ist eines der am schlimmsten betroffenen Häuser. Baustützen sichern das angegriffene Fachwerk, das von den Wassermassen unterspült wurde. Es stand zu befürchten, dass das Haus, von Selbecks 1993 bezogen, abgerissen werden muss.

Nun sieht es besser aus, eine Grundsanierung könnte reichen. „Das Wasser kam von überall her“, erzählt Selbeck. 86 Liter auf den Quadratmeter, über eine Stunde sintflutartiger Regen, Schäden von Strempt bis Obergartzem. „Und Kommern ist wie eine Wanne vollgelaufen“, sagt sie. Binnen zehn Minuten habe das Wasser hüfthoch im Haus gestanden.

Solidarität gibt Kraft

Wenige Meter weiter hatte ihr 17-jähriger Sohn Lucas sich ein kleines Studio eingerichtet. Unter dem Namen Lucasdrums postete er Schlagzeugvideos. „Das wird das letzte Video für eine lange Zeit sein“, sagt er in dem Clip, in dem er das zerstörte Schlagzeug zeigt. Computer, Interface, Trommeln – vieles ist nicht mehr zu gebrauchen. Dort, wo der Putz dem Wasserdruck nachgegeben hat, ist in der Wand ein Loch.

Auch, wenn bei Familie Selbeck, die derzeit in Firmenich untergekommen ist, wahrscheinlich die Versicherung die Schäden reguliert, ist die Unsicherheit groß. „Wie geht das weiter?“, fragt Stephanie Selbeck. Manchmal würden ja Versicherungen gekündigt (siehe „Versicherung“). „Vor vier Jahren das Hagelunwetter, das war genau hier“, erzählt sie. „Man fühlt sich so hilflos. Man weiß, dass es jederzeit wiederkommen kann“, schildert sie ihre Sorgen.

Eine dreiköpfige Familie, die ein kleines Haus bewohnt, will nicht wiederkommen. „Am schlimmsten ist der Schimmel, es ist nicht auszuhalten“, sagt die Frau. Trockengeräte laufen nicht, der Vermieter habe bisher nichts in die Wege geleitet. Vor vier Jahren seien sie nach Kommern gezogen, nun sei alles kaputt.

„Nur der Kühlschrank geht noch, der schwamm zwei Tage lang auf dem Wasser“, sagt der Mann. 1,30 Meter stand das Wasser in seiner Küche. Als die braune Brühe ins Erdgeschoss lief, habe sie eine Kochplatte und einen Wasserkocher gegriffen und sich in den ersten Stock gerettet, erzählt die Frau.

Viele Häuser vorerst unbewohnbar

Über Tage lebte die Familie ohne Toilette, Bad und Küche. Bis heute geht das Licht im Erdgeschoss nur sporadisch. Doch sie haben Glück: „Wir können für zwei Monate in die Wohnung einer Kollegin“, sagt er. Und dann? Nicht zurück, zu groß ist die Angst. „Ich möchte versuchen, sie in Kommern zu halten“, so Ortsvorsteher Rolf Jaeck. Doch Wohnraum ist derzeit knapp. Gerade 21 Tage war Jaeck im Amt, da begann es zu regnen und die Welt war eine andere in Kommern. Mit seinem Stellvertreter Friedrich Meuser und der Stadtverordneten Nicole Reipen wandert er seitdem durch die Häuser, nimmt Schäden auf, hört sich Sorgen an, macht Mut.

Viele Häuser können vorerst nicht bewohnt werden. Der Geruch von Heizöl liegt in der Luft. Schlimm getroffen hat es die Apotheke, in deren Keller der Wasserdruck das Öl aus den Tanks trieb. Ein Spezialunternehmen musste die Entsorgung des kontaminierten Wassers übernehmen. Es ist unklar, wie es weitergeht.

Als er gefragt wird, wie viele Häuser betroffen sind, schüttelt Jaeck den Kopf: „Das haben wir nicht gezählt.“ Am wichtigsten sei für ihn, dass niemand körperlich zu Schaden gekommen sei. Und die viele Arbeit? Da lächelt er und zählt die vielen Hilfsangebote auf, die Arbeit der Stadtverwaltung, Rabattaktionen von Geschäften und Nachbarn, die mit Besen und Schaufeln kamen: „Diese Solidarität, die stärkt einen, wenn man nicht mehr kann.“

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