Höhenretter im WindparkWie fühlt es sich an, 150 Meter über dem Boden zu arbeiten?

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Mit den Füßen stoßen sich die Höhenretter bei der Übung im Windpark Patersweiher von der Anlage ab.

Mit den Füßen stoßen sich die Höhenretter bei der Übung im Windpark Patersweiher von der Anlage ab.

  • 25 Mitglieder gehören zu der Truppe der Höhenretter der Feuerwehr Aachen. Zu rund 40 Einsätzen müssen sie pro Jahr ausrücken.
  • Wir haben sie beim Training im Windpark Patersweiher begleitet, wo sie in schwindelerregenden Höhen unterwegs sind.
  • Wie fühlt es sich an, wenn eine Luke in 149 Metern Höhe bei zupackendem Wind öffnet – und der tödliche Sturz täglich nur ein lockeres Seil entfernt ist?

Schleiden-Patersweiher – Gebannt starren die Menschen im Windpark Patersweiher in die Höhe. Doch Action gibt’s dort nicht zu sehen. Nicht einmal das Windrad dreht sich, obwohl der Wind munter bläst. Und die Sonne brennt vom Himmel. Langsam bewegen sich die Männer um das Windrad, ihr Blick geht immer wieder hoch zur Gondel.

Nachdenklich sieht auch Markus Göbel in die Höhe. Schließlich weiß er dort oben seine Schützlinge. Göbel ist ein kräftig gebauter Mann, der nicht so aussieht, als könne ihn irgendetwas in Panik versetzen. Er ist einer der Ausbilder der Höhenrettungseinheit der Feuerwehr Aachen.

Neun Höhenretter sind mit zwei Mitarbeitern des Betreibers Ene in die Gondel des Windrads gefahren und bereiten sich darauf vor, aus 149 Metern Höhe wieder auf den Erdboden zu gelangen. Dies aber nicht über den vom Hersteller vorgesehenen Weg, der über Aufzug und Leiter geht, sondern an der Außenseite.

„Die Betreiber sind sehr daran interessiert, dass wir an den Windrädern üben, um sie kennenzulernen“, erläutert Göbel. Wenn es dort oben ein Problem gebe, dann müsse die Feuerwehr es lösen. „Im Grunde ist das Training hier eine Win-Win-Situation“, sagt Göbel. Schließlich sei die Rettung eines Menschen aus einem Windrad anspruchsvoll.

Beengter Raum

Der Raum ist begrenzt, etwas mehr als ein Meter Platz ist auf dem Gang, der rund um den Generator führt. Sogar bis in die Rotorblätter können Menschen gehen. Etwa 20 Meter weit führe ein Gang in die Rotoren hinein, so die Ene-Mitarbeiter.

Plötzlich öffnet sich die Luke an der Unterseite der Windradgondel. Bastian Lambertz klettert hinaus und sinkt an einem Seil langsam aus der schwindelerregenden Höhe gen Boden. „Er wird von oben herunter gelassen, genau wie das sein würde, wenn er mit einem Patienten herunterkommen würde“, erklärt Göbel. In so einem Fall werde der auf einer Trage liegende Patient an der Sicherheitsausrüstung der Höhenretter befestigt.

„Wir lassen keinen allein auf dem Weg nach unten“, so Göbel. Und wenn das Opfer Höhenangst hat? „Das ist bei einem Windrad nicht zu erwarten, wer hier hoch geht, hat keine Höhenangst“, stellt er pragmatisch fest. Allerdings könne das in anderen Fällen durchaus vorkommen. Doch da komme ihm seine jahrelange Erfahrung im Rettungsdienst zugute, die ihn im Umgang mit Menschen in Krisensituationen geschult hat.

„Ein tolles Gefühl“

Immer wieder packt der mit zehn Metern pro Sekunde, etwa 36 km/h, wehende Wind den jungen Feuerwehrmann, dreht ihn am Seil im Kreis, drückt ihn gegen den Mast. Mit den Füßen stößt er sich ab. Nach mehreren Minuten kommt er auf dem Boden an. „Das ist schon ein tolles Gefühl, wenn die Luke aufgeht, und unter dir ist nichts“, sagt er. Aus einer derartigen Höhe sei er bisher noch nicht abgeseilt worden.

„Das ist eigentlich super, vor allem die Aussicht“, berichtet er weiter. Nur auf halber Höhe seien die Windböen unangenehm gewesen. Johannes Ortmann ist der nächste, der aus der Luke heruntergelassen wird. Auch er macht diese Erfahrung: „Wenn man sich zu stark vom Turm abstößt, dann gerät man in eine Pendelbewegung, die einen noch stärker an den Mast wirft.“

Die Höhenretter

25 Mitglieder gehören zu der Truppe der Höhenretter der Feuerwehr Aachen. Zu rund 40 Einsätzen müssen sie pro Jahr ausrücken, sagte Göbel. 2015 etwa befreiten sie einen Segelflieger, der in den Baumwipfeln des Dahlemer Waldes gelandet war.

Die Übung an den Schleidener Windrädern gehört zu den Fortbildungseinheiten, die die Höhenretter absolvieren müssen. 80 Stunden pro Jahr werden da gefordert, einmal im Monat ist Training angesagt – meist an Talsperren oder Brücken.

Ziel der Übung an den Windrädern sei, verschiedene Einsatzszenarien durchzuspielen, damit im Ernstfall die Aufgaben klar verteilt seien und eine schnelle und effektive Hilfe gewährleistet sei, so Markus Mertens von der Ene. Deshalb seien Mitarbeiter der Ene und des Herstellers Enercon vor Ort. Demnächst werde auch am Tivoli in Aachen trainiert, wo Dacharbeiten geplant sind. „Wenn dort einem Dachdecker etwas passiert, dann müssen wir den abseilen“, so Göbel.

Stellen bei den Aachener Höhenrettern werden ausgeschrieben. Neben einer fünfjährigen Berufstätigkeit bei der Feuerwehr und einer Ausbildung zum Rettungsassistenten sind auch eine ärztliche Untersuchung zur Höhentauglichkeit sowie ein 80 Stunden umfassender Lehrgang notwendig. (sev)

Einer nach dem anderen kommen die Höhenretter aus der Luke und sinken zur Erde. In der nächsten Woche wird die andere Hälfte des Höhenrettungsteams der Feuerwehr Aachen an den Schleidenern Windrädern sein, um auch ihre Erfahrungen hoch oben über der Eifel zu machen.

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