Wahl in EuskirchenWahlsieg für Detlef Seif (CDU) – Jubel bei FDP- und AfD-Kandidaten

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Unterkühlt gratulieren sich Rüdiger Lucassen (l.) und Detlef Seif. 

Unterkühlt gratulieren sich Rüdiger Lucassen (l.) und Detlef Seif. 

Kreis Euskirchen – Uneingeschränkte Freude strahlt an diesem Abend nur einer aus: Rüdiger Lucassen. Dass er und die AfD künftig dem Deutschen Bundestag als dritte Kraft angehören werden, sorgt bei den anderen Parteien am Sonntagabend im Euskirchener Kreishaus für Entsetzen.

Auch wenn Detlef Seif (CDU), der zum dritten Mal das Direktmandat im Wahlkreis 92 gewinnt, seine dritte Legislatur in Berlin antreten darf, und Markus Herbrand, der dank gutem FDP-Ergebnis auf Landes- und auf Bundesebene ein Mandat erhält, sich über ihre Wahl in den Deutschen Bundestag freuen – der Erfolg der AfD trübt auch deren Stimmung.

Seine Erststimmen-Verluste im Vergleich zu 2013 nimmt Seif hingegen relativ gelassen hin. Sie seien geringer als die Verluste der CDU im Bund insgesamt. Sauer zeigt sich Detlef Seif hingegen über die Bundes-SPD, die sich „ohne, dass Gespräche geführt wurden, aus der Verantwortung stiehlt“. Das könnte durchaus negative Folgen für den Wahlkreis haben: Der Lückenschluss der Autobahn1 mit den Grünen in einer möglichen Jamaika-Koalition (CDU, FDP, Grüne)? Könnte schwierig werden, schwant Seif da Böses.

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Letzte Hoffnung Meiers: Listenplatz 26

Unterdessen gibt es im SPD-Fraktionsraum Blumen für Ute Meiers. Mehr ist an diesem Abend wohl nicht drin. Letzte Hoffnungen, noch über Listenplatz 26 in den Bundestag zu gelangen? „Eher unrealistisch“, gesteht SPD-Kreischef Markus Ramers gegen 21 Uhr. Ihr Trost: So schlecht wie die SPD im Bund schnitten die Genossen im Wahlkreis nicht ab.

Die FDP hingegen präsentiert sich guter – wenn auch, wegen des AfD-Erfolgs, nicht bester Stimmung. „Ich habe mich vor drei Jahren zur Kandidatur entschlossen“, erzählt Markus Herbrand: „Da war die Partei nahe der Bedeutungslosigkeit.“ Nun dürfe er sich in Berlin eine Bleibe suchen. Jamaika? „Könnte ein spannendes Projekt werden“, findet Herbrand.

Bei den Grünen freut man sich übers gute Bundesergebnis. Direktkandidat Hans-Werner Ignatowitz hat ohnehin nicht wirklich mit einem Sitz im Bundestag gerechnet. Die Linke glänzt an diesem Abend weitgehend durch Abwesenheit.

„Schande für Deutschland“

Ob Sieg oder Niederlage, Freude oder Enttäuschung: Über allem schwebt der AfD-Erfolg. „Eine Schande für Deutschland“, findet Ute Meiers.

Markus Herbrand hält es „nicht für berauschend, dass die AfD überhaupt im Parlament ist“. Folgerichtig könne er sich auch nicht über einen AfD-Abgeordneten aus dem Wahlkreis freuen. „Die AfD“, so Herbrand weiter, „hat auch bürgerliche Leute, die es aber nicht schaffen, sich klar und deutlich von den Nazis in ihren Reihen zu distanzieren.“Eine Fahrgemeinschaft mit Lucassen schließt er aus.

Auf die bürgerlichen Kräfte in der AfD hofft nun Seif. Deren Wähler unisono abzuschreiben, sei nicht der richtige Weg.

Als dann Rüdiger Lucassen ins Kreishaus kommt, wird’s sehr förmlich. Kurzer Händedruck, eine höfliche gegenseitige Gratulation zwischen Herbrand und ihm – mehr nicht.

Keine Übereinstimmung

Dann schreitet Lucassen in Richtung CDU-Zimmer, gratuliert Seif, der erwidert den Glückwunsch – allerdings nicht ohne die Aufforderung an Lucassen, dazu beizutragen, dass die radikalen Kräfte in der AfD-Fraktion nicht zu stark werden. Lucassen kontert: Er, Seif , solle dazu beitragen, dass die Kanzlerin keine weiteren „Rechtsbrüche“ begehe.

Dann wird beiden wohl klar: Übereinstimmung werden sie nicht erreichen – an diesem Abend schon gar nicht. Sie verabschieden sich voneinander. Wiedersehen in Berlin.

Lucassen sagt, er könne damit leben, dass er bei den anderen Parteien nicht gut gelitten sei. „Das ist deren Problem“, sagt er. Er müsse ja nicht jedermanns Liebling sein. „Hass und Aggression, von den Altparteien ausgeschüttet“, habe seine Partei im Wahlkampf erfahren. „Wir müssen uns auch nicht von Nazis distanzieren“, erklärt er: „Es gibt bei uns keine Nazis.“ Noch ein gründlicher Blick auf die Ergebnistafeln, dann verlässt Lucassen das Kreishaus wieder. Am nächsten Morgen geht’s nach Berlin.

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