Ralf Janke aus WeilerswistWartungsarbeiten in luftiger Höhe

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Nichts für Menschen mit schwachen Nerven: Janke balanciert auf der großen Glocke der Großbüllesheimer Kirche.

Nichts für Menschen mit schwachen Nerven: Janke balanciert auf der großen Glocke der Großbüllesheimer Kirche.

Weilerswist – Behände klettert Ralf Janke die steilen Stufen der hölzernen Leiter hinauf, den zwei Meter langen Schraubenschlüssel unter den linken Arm geklemmt. Ein Grätschschritt, und er ist auf dem höchsten Dachbalken in der Glockenstube der Großbüllesheimer St.-Michael-Kirche angelangt. Dann wird es etwas kippelig, denn bis zum Schwingrad sind es noch einige Meter.

Geschickt überwindet er den Grat, der allerdings noch schmaler wird, wenn er um die Glockenläutemaschine herumbalanciert und die Aufhängungen kontrolliert. Was dem Beobachter den Atem stocken lässt, würde der Weilerswister schmunzelnd als „ideale Bedingungen“ bezeichnen. Denn er arbeitet in noch luftigeren Höhen, in denen dann bis zu sechs Glocken übereinander hängen. Ralf Janke übt einen seltenen Beruf aus: Er ist Turmuhren- und Glockenservice-Techniker und einer der wenigen seiner Zunft, die sich aus acht Millimeter starken Seilen einen „Fahrstuhl“ konstruieren können, an dem er sich für die Reparatur eines Uhrenziffernblatts aus eigener Kraft t in 40 Meter Höhe zur Kirchturmspitze hinaufzieht. Überhaupt arbeitet Janke überall dort, wo ein Kran nicht hinkommt.

Wagnis mit vielen Unbekannten

Es war ein Wagnis mit vielen Unbekannten, damals vor 18 Jahren, als sich der gelernte Elektriker entschloss, berufliches Neuland zu betreten. „Ein spannendes Arbeitsfeld“ hatte er nach einer Kirchenrenovierung gedacht, bei der er einem Techniker der Ulmer Turmuhren- und Läutemaschinenfabrik Philipp Hörz über die Schulter schauen konnte und der ihm vom Fachkräftemangel in der Branche berichtete. Gleichwohl hatte sich Janke gefragt, wie viele Kirchenglocken es in Deutschland wohl geben möge und ob dieser Beruf langfristige Perspektiven bieten würde. Er wagte den Sprung, und es eröffnete sich ihm ein breites Arbeitsfeld. Heute ist er Schlosser, Elektriker, Zimmermann und Unternehmensberater in Personalunion, hält Seminare und Vorträge vor Küstern in ganz Deutschland. Sein Einsatzgebiet erstreckt sich von der Eifel bis nach Münster, von Hagen bis nach Speyer, vom Saarland bis nach Luxemburg. Rund 900 Kirchen wartet er. Von Auftragsmangel keine Spur – im Gegenteil: Das Jahr sei in der Regel zwei Monate zu kurz, hat er festgestellt.

Das Faszinierende für Janke ist, dass sich hinter den Kulissen der Glockentürme oft Meisterwerke der Ingenieur- und Handwerkskunst verbergen. Eine Vielzahl kleinster Rädchen bis zum ausgewachsenen Zahnrad greifen ineinander Jede Kirche stellt für Janke eine neue Herausforderung dar.

Wie die prächtige, 1 908 Kilogramm schwere Bronzeglocke, die 2005 im holländischen Asten (Brabant) zur 1150-Jahr-Feier in Großbüllesheim gegossen wurde. Sie wurde in einer Form gegossen und die Reinheit des c´-Klangs anschließend bis auf den Hundertstel Grad gefräst. Da sich die gewaltigen Schwing- und Zugkräfte nicht auf das denkmalgeschützte Gemäuer übertragen dürfen, ist die Dreifaltigkeitsglocke mit der Inschrift „Te Deum Laudamus“ („Dich, Gott, loben wir“) in einem Eichenstuhl auf zwei Stahlträgern ohne Verbindung zum Mauerwerk fixiert. Auch die benachbarten fünf Glocken tragen Namen und erklingen in den Tönen d, e, g, und a sowie im zweigestrichenen c.

Die kleine „Marienglocke“ in der romanischen Großbüllesheimer Kirche stammt aus dem Jahre 1920 und ist die einzige vom alten Geläut, die den Zweiten Weltkrieg überstanden hat. „Alle anderen wurden damals eingeschmolzen und später erneuert“, erläutert Pfarrer Berg.

„Insgesamt muss man sich Glockenstuben vorstellen wie einen Lautsprecher“, erklärt Janke: „.Die zwei Zentimeter großen Schlitze in den Fensterläden und die im vorgeschriebenen Zwölf-Grad-Winkel außen schräg angebrachten Reflexionsbretter leiten den Schall.“ Die Glockenläutemaschine mit 1100-Watt-Motor hat dann die Aufgabe, die über Seilen und Ketten pendelnd aufgehängte Glocke in Schwingung zu bringen. „Über viele Jahrhunderte hinweg wurden Glocken von Hand geläutet.

Besonders in den Klöstern haben sich Patres und Brüder sehr gut darauf verstanden. Sie waren es ja auch, die sich mit dem Gießen von Glocken sehr früh befasst haben,“ erläutert der historisch versierte Janke, der neben Wissen in Konstruktion und Elektrotechnik auch ein musikalisches Gehör haben muss.

Nach drei Stunden ist sein Werk in Großbüllesheim vollbracht, und er muss schnell weiterziehen. Auch an Weihnachten ist Jahnke für den Notfall rund um die Uhr erreichbar.

Denn eines ist klar: „An Tagen wie diesen müssen die Glocken läuten, dann ist kein Ende in Sicht.“

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