WeilerswistAbwahlverfahren gegen Bürgermeisterin nach langem Grabenkrieg

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Weilerswists Bürgermeisterin Anna-Katharina Horst

Weilerswists Bürgermeisterin Anna-Katharina Horst

Weilerswist – Hans Peter Nußbaum (61) ist ein Freund des deutschen Schlagers. Wer den Weilerswister CDU-Fraktionschef auf dem Handy anruft, gerät zunächst an Andrea Berg. „Du hast mich tausendmal belogen“, trällert die Schlagerqueen. Es könnte der Soundtrack zum Abwahlverfahren gegen die Weilerswister Bürgermeisterin Anna-Katharina Horst (54) sein, das Nußbaum und die große Mehrheit des Gemeinderates angestrengt haben. Doch wer hat wen belogen? Wurde überhaupt gelogen? Darüber ist ein Streit entbrannt, der Teile der Kommune seit Monaten entzweit.

Seit ihrem überraschenden Wahlsieg im Herbst 2015 ist Anne Horst Bürgermeisterin der Gemeinde, die sich wegen ihrer Nähe zu Köln und zur Eifel seit einigen Jahren des Zuzugs Tausender Neubürger erfreut. Ob die 54-Jährige im Amt bleiben darf, entscheiden 14 775 wahlberechtigte Weilerswister am 27. November.

„Bist du pro Horst oder kontra Horst“ – eine Frage spaltet die Gemeinde. Sie wird allerorten diskutiert: in Kneipen, beim Discounter, auf dem Sportplatz, im Ratssaal und nicht zuletzt auf Facebook. Horst-Gegner gegen Horst-Freunde. Nicht immer geht es sachlich zu, zuweilen gar verletzend.

Der Swister Turm ist das Wahrzeichen der Gemeinde.

Der Swister Turm ist das Wahrzeichen der Gemeinde.

Auch die politischen Akteure sind wenig zimperlich. „Sie ist inkompetent und arrogant“, wirft Nußbaum der Bürgermeisterin vor. Sie führe sich auf, „als wäre Weilerswist ein Fürstentum und sie die Fürstin“, sekundiert FDP-Fraktionschef Hans Josef Schäfer (66). SPD-Sprecher Friedhelm Schulte (68) zählt die Fälle auf, in denen die Bürgermeisterin den Rat falsch, unzureichend oder gar nicht informiert habe.

Horst räumt zwar ein, sich zuweilen missverständlich geäußert zu haben und dass der Informationsfluss zwischen Verwaltung und Politik in Einzelfällen schon mal stocke, allerdings nicht so heftig, als dass die Keule eines Abwahlverfahrens gerechtfertigt sei. „Als Bürgermeisterin habe ich das Recht, die Schreiben, die an mich gerichtet sind, zu bewerten, bevor ich sie dem Rat weiterreiche.“

Grünen-Fraktionschefin Liane Traue

Grünen-Fraktionschefin Liane Traue

Die drei Fraktionschefs, allesamt Urgesteine der politischen Szene in der Gemeinde, hätten „die Ratsmehrheit hinter sich gebracht und das Abwahlverfahren gegen mich eingeleitet“, sagt Horst. Es sei der „klägliche Versuch, davon abzulenken, wer den Weilerswister Bürgerinnen und Bürgern diese Suppe eingebrockt hat“. Ratsmehrheit und Bürgermeisterin – da geht nicht mehr viel. Für CDU und FDP steht daher fest: „Eine Zusammenarbeit ist nicht mehr möglich.“

Rückblende: Am Morgen des 16. Juni 2016 – Anne Horst ist gerade mal 34 Wochen im Amt – gibt eine Facebook-Gruppe bekannt, Unterschriften für ein Abwahlverfahren zu sammeln. Aus ihrer Sicht wird eine Sporthalle sinnlos für bis zu 100 Flüchtlinge vorgehalten, obwohl dort nur wenige Migranten wohnen. Auch bei der Erweiterung einer Kindertagesstätte versage die Bürgermeisterin, so der Vorwurf der Facebook-Aktivisten. Aufgeschreckt von der Resonanz im sozialen Netzwerk bittet Horst zur Pressekonferenz. Neben ihr nehmen die CDU-Prominenz der Gemeinde und des Kreises Euskirchen Platz. Die Mehrheitspartei demonstriert, dass sie zu ihrer Parteifreundin steht. Horst selbst steht aber wenige Tage später nicht mehr zur CDU. Die Christdemokraten im Rat hatten ihr inzwischen erneut mangelnde Informationsbereitschaft vorgeworfen. Anlass war ein Mahnschreiben des Landrats wegen der desolaten Finanzlage, von dem die CDU-Fraktion erst Monate nach dessen Eintreffen erfährt.

Horst sieht wegen des Vorwurfs ihre politische Heimat nicht mehr bei den Christdemokraten und kehrt der Partei den Rücken. „Mich hat der fehlende Rückhalt in der CDU-Fraktion und das intrigante Verhalten einiger Mitglieder menschlich zutiefst enttäuscht“, begründet Horst den Schritt. „Damit entlarven sich die Solidaritätsbekundungen der CDU als reine Heuchelei.“

So nehmen die Dinge ihren Lauf. Der Rat senkt den Betrag, den die Verwaltung freihändig ausgeben darf, von 10 000 Euro auf magere 1000 Euro – auch das Ausdruck des Misstrauens gegen Horst.

Anfang September leitet der Rat das Abwahlverfahren ein. Die nötige Zweidrittelmehrheit wird mit 26 Ja-Stimmen spielend erreicht. Lediglich ein einsamer CDU-Mann hält noch zu Horst – und die vierköpfige Grünen-Fraktion. Deren Chefin Liane Traue ist die Stimme der Horst-Befürworter. Endlich räume mal jemand auf mit dem Klüngel der vergangenen Jahre, sagt sich die 67-Jährige. „Ich fühle mich von der Bürgermeisterin gut informiert.“

Den Ursprung dieser politischen Affäre kann niemand so genau erklären. Dass Horst zwei der drei Fraktionschefs auf ihrem Weg ins Bürgermeisterbüro hinter sich gelassen hat – Nußbaum bei der CDU-Kandidatenkür, Schäfer bei der Wahl –, lässt auf offene Rechnungen schließen. Nußbaum und Schäfer winken ab. Oder wollen sie gar über den Umweg des Abwahlverfahrens doch noch auf den Chefsessel im Rathaus? Nußbaum und Schäfer winken ein zweites Mal ab: Keine Ambitionen mehr, versichern sie.

Wer im Falle einer Niederlage von Horst deren Nachfolge antreten soll, lassen ihre Gegner indes offen. Und wenn Horst gewinnt? Müssten dann nicht die Abwahlbefürworter ihre Ratsstühle räumen? Nußbaum und Schäfer winken ein drittes Mal ab: „Wir sind von den Bürgern gewählt.“

Ein Argument, das Anne Horst ebenfalls für sich in Anspruch nimmt – und sie zeigt sich zuversichtlich, dass sie das auch nach dem Bürgervotum am 27. November noch kann.

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