UnwetterSchwerfener sind nach Überschwemmungen sauer aufs Land – keine Finanzhilfe

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Der Rotbach überflutete in Schwerfen am 21. Juli auch die Straßen „An der Gülichsburg“ und setzte zahlreiche Keller unter Wasser.

Der Rotbach überflutete in Schwerfen am 21. Juli auch die Straßen „An der Gülichsburg“ und setzte zahlreiche Keller unter Wasser.

Schwerfen – Willy Bayard ist enttäuscht. „Ein Bach hört nicht an der Stadtgrenze auf“, sagt der Schwerfener: „Das Wasser aus Kommern hat Schwerfen und Sinzenich genauso getroffen. Hier in Schwerfen gibt es auch Menschen, die alles verloren haben. Es ist ein und dasselbe Ereignis, nur die Zülpicher schauen in die Röhre. Das kann nicht sein.“

Schwerfen sei auf dem Weg des Rotbachs nun mal der nächste Ort nach Kommern, so Bayard.

Dort hatte das Unwetter am 21. Juli verheerende Schäden angerichtet. Den Bürgern auf Mechernicher Gebiet sicherte das nordrhein-westfälische Innenministerium finanzielle Unterstützung zu; Schwerfener und Sinzenicher erhalten keine Soforthilfe.

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Böse Erinnerungen

„Das Land hat uns mitgeteilt, dass wir nicht die Kriterien erfüllen und die Betroffenen keine Unterstützung erwarten dürfen“, berichtete Zülpichs Beigeordneter Ottmar Voigt. Die Auswirkungen der Überschwemmungen in Zülpich hätten sich nahezu ausschließlich auf das Kriterium „Überflutung“ beschränkt, heißt es in dem Schreiben aus Düsseldorf.

Die Kriterien „Niederschlagsmenge“ und „Einsatzhäufigkeit“ seien in Zülpich nicht mit denen in Kommern zu vergleichen. Willy Bayard kann das nicht nachvollziehen: „Natürlich hat es in Schwerfen weniger geregnet, aber das Wasser stammt aus einem Ereignis. Da kann es doch nicht der Maßstab sein, ob es dort geregnet hat und hier nicht.“

Er sei auch vom Hochwasser betroffen gewesen, doch lange nicht so stark wie manch anderer Schwerfener, sagt er. Erst vor wenigen Tagen öffnete Floristin Brigitte Rehner wieder ihr Geschäft. Wohnen kann die Schwerfenerin in dem Bauernhof an der Straße „An der Gülichsburg“ immer noch nicht.

Auch mehr als sechs Wochen nach dem Starkregen sind die Schäden in den Wohnräumen noch deutlich zu erkennen. Das Laminat wurde rausgerissen, die Tapete abgelöst. „Langsam sind die Wände und der Boden wieder trocken. Bis aber wieder alles her- und eingerichtet ist, wird es noch dauern“, sagt Eigentümer Heinz Falkenberg.

Seine Mieterin sei in der Zwischenzeit bei ihrem Sohn untergekommen – ausgerechnet in Kommern.

„Sie hat die Hoffnung nie verloren. Das ist bewundernswert, denn der Laden in dem Bauernhof ist ihre Existenz“, so Falkenberg: „Ich lebe seit 50 Jahren in Schwerfen. So ein Hochwasser habe ich noch nie erlebt.“

Silvia Bröske wohnt mit ihrem Mann Frank ebenfalls in unmittelbarer Nähe zum Rotbach. Allein im Keller habe sie Schäden in Höhe von 70 000 Euro gehabt. In Absprache mit ihren Nachbarn, die die andere Doppelhaushälfte bewohnen, wurde in den vergangenen Tagen eine gut 60 Zentimeter hohe Steinmauer errichtet „Niemand von uns hatte die Absicht, eine Mauer zu errichten“, sagt Silvia Bröske: „Das nächste Hochwasser kommt bestimmt. Dann hoffen wir, dass die Mauer ihren Zweck erfüllt. So lange es nicht regnet, nutzten wir sie als Treffpunkt.

„Im kommenden Jahr, am Jahrestag des Hochwassers, werden wir hier gemeinsam grillen“, sagt Bröske. Geradezu panisch verfolge sie seit dem 21. Juli die Wetterberichte. Als es am vergangenen Wochenende über Schwerfen mal donnerte und dunkle Wolken aufzogen, wurden Erinnerungen an den Starkregen wach. Mit ihrem Mann habe sie sofort Vorsichtsmaßnahmen getroffen. „Während andere feierten, hatten wir Angst vor dem nächsten Regen. Das ist doch nicht normal“, sagt sie.

Auch Stefanie Kikillus läuft es seit dem 21. Juli eiskalt den Rücken runter, wenn Regen angekündigt wird. Sie habe gerade noch ein paar Aktenordner im Keller in Sicherheit bringen können.

„Alles andere stand gut 50 Zentimeter unter Wasser. Es ist traurig, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Wir sind auch betroffen“, sagt Kikillus. Und so viele Schwerfener hätten sich ja gar nicht gemeldet. „Da würde der Landesregierung kein Zacken aus der Krone brechen, wenn sie uns auch Soforthilfe bieten würde.“

Der Schwerfener Herbert Ahrweiler macht sich dafür stark, dass das Geld von dem Spendenkonto „Zülpich hält zusammen“ für die Flutopfer aus Schwerfen und Sinzenich verwendet wird.

„Wenn das Land schon nicht kapiert, dass hier dringend Hilfe benötigt wird, dann könnte die Stadt ja wenigstens eine Summe in Höhe der Soforthilfe an die Betroffenen geben.

Wurde das Ufer länger nicht mehr gemäht?

Der Schwerfener Heinz Falkenberg will bemerkt haben, dass der Uferbereich des Rotbachs „schon länger nicht mehr gemäht worden ist“.

Falkenberg zu dieser Zeitung: „Am Überschwemmungstag konnte ich feststellen, dass Bäume und Sträucher die Wassermassen zusätzlich gestaut haben.“ Dieter Stein, Abteilungsleiter Gewässerunterhaltung beim Erftverband, lässt das nicht gelten: „Ich schließe nicht aus, dass ein Baum im Uferbereich bei so einem Ereignis sein Übriges tut, aber selbst ein perfekt gepflegter Uferbereich ändert bei einem solchen Jahrtausendregen nichts. Im Gegenteil: Längere Gräser legen sich durch die Wassermassen sogar über den Hang und stabilisieren ihn so.“ (tom)

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