UnikateBurscheider sammelt seltene und kunstvolle Spazierstöcke

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Der Biologe Alfred Elbert aus Burscheid sammelt alte Spazierstöcke. 350 Exemplare umfasst seine Sammlung.

Der Biologe Alfred Elbert aus Burscheid sammelt alte Spazierstöcke. 350 Exemplare umfasst seine Sammlung.

Burscheid – Er dürfte die Lacher auf seiner Seite haben: In trauter Runde betätigt der Besitzer des Spazierstocks heimlich einen versteckten Knopf unterhalb des Knaufs, der die Form eines Hundekopfs hat. Und auf einmal reißt der Hund sein Maul zum Gähnen auf und glotzt sein Gegenüber an. Der Hundekopf wiederum passt in die Faust, und zum Flanieren muss sich das seltene Exemplar auch hervorragend geeignet haben. Alfred Elbert, Biologe aus Burscheid, hat ein seltenes Hobby. Er sammelt Spazierstöcke.

Den Grundstock legte die Tante, die im elterlichen Haus in Hamburg eines Tages mit einem Erbstück des Großvaters erschien und fragte, ob man den Stock nicht besser wegwerfen solle. Denn der Griff aus Elfenbein war beschädigt. „Auf keinen Fall“, intervenierte der Vater, Rudolf Elbert. Im nächsten Urlaub im hessischen Erbach ließ er den Schaden in einer Fachwerkstatt reparieren. „Das kostete damals irrsinnige 80 Mark, und in der Auslage lagen zwei Krücken, die wir auch kauften“, erzählt Sohn Alfred Elbert.

Horrende Ausgaben

Die Mutter habe angesichts der horrenden Ausgabe von insgesamt 290 Mark die Hände über den Kopf zusammengeschlagen. Vermutlich in der Sorge, dass man bei weiteren Kosten dieser Art wohl bald am Stock gehen würde. Den Einstieg in das Sammeln von Spazierstöcken brachte aber erst eine Notiz im Hamburger Abendblatt 1967. Ein Trödelmarkt wurde angekündigt, und die Elberts fanden dort einen Spazierstock für 3,50 Mark. „Es war eine Zeit, in der Stöcke aus der Mode kamen“, sagt Alfred Elbert. Der Markt sei überschwemmt gewesen – auch bei teuren Materialien, Seltenheitswert und mitunter sehr hohem Alter seien die Stöcke zu Schleuderpreisen abgegeben worden. Elberts griffen zu, und seitdem immer wieder: 950 Stöcke zählte die Sammlung zuletzt. Der Sohn hat sie nach dem Tod des Vaters vor drei Jahren verkleinert – 350 Stöcke sind gerade noch überschaubar.

Schon die Materialien sind ein Kapitel für sich. Der „Schuss“, also der eigentliche Stock, besteht aus Mahagoni, Malacca-Rohr, Ebenholz oder ist aus Wirbeln des Haifischs zusammengesetzt. Silber, Porzellan und Elfenbein, Zahn des Pottwals oder Seelöwen und eine Vielzahl anderer Materialien wurden für kunstvolle Griffe verwendet. Manche Arztfamilien reichten ihren Stock mit dem Schlangenmotiv des Äskulap von Generation zu Generation weiter.

Handgefertigte Unikate

Dass eine Sammelleidenschaft für Stöcke indes nicht so nebenbei auf einem Spaziergang zu erledigen ist, wird schnell klar. Als Austauschschüler in England wurde Alfred Elbert in der Londoner Portobello-Road im Stadtteil Notting Hill fündig, fortan gab es kaum einen Trödler oder Flohmarkt, den Vater und Sohn ohne Stock verließen. Zwar habe seine Sammelaktivität nachgelassen, aber Spazierstöcke sind immer noch eine Leidenschaft.

Da es sich fast ausschließlich um handgefertigte Unikate nach persönlichen Wünschen handelt, sind die zugehörigen Geschichten ganz speziell. Ein Stock aus Glas, dessen Spitze ein Korken war, wurde von Studenten für ihre Ausflüge mit Whisky gefüllt. Es gibt Stöcke, in denen ein Degen steckt. Ein Arzt konnte Patienten mit Riechsalz aus dem Knauf behandeln, und einen Reservisten beglückte man zum Abschied mit einem gertenartigen Stock samt Matrosenknauf und der Aufschrift „Hurra, Heimat“.

Stöcke mussten früher abgegeben werden

Übrigens: Früher mussten Stöcke abgegeben werden, wenn man ein Theater oder ein Wirtshaus betrat. Denn im Rohr versteckte Stilette oder ein Knauf in Form eines Totschlägers konnten im Tumult gefährlich werden. Elberts erstanden Stöcke aus dem Nachlass eines Missionspfarrers, die ein wenig an Voodoo-Zauber erinnern. Manche Exemplare bekamen die Sammler geschenkt, zum Beispiel aus der Verwandtschaft. Die Familie Schwab aus dem fränkischen Kreis Miltenberg, deren Tochter Anna-Maria vor Generationen einen Elbert heiratete, erfuhr von der Sammelleidenschaft und vermachte Rudolf Elbert den Stock eines ehemaligen Hauslehrers. Ob er ihn nach dem Unterricht bei den Schwabs vergessen oder ihnen geschenkt hat, weiß heute niemand mehr. Der einstige Hauslehrer wurde weltberühmt. Das Monogramm „CB“ steht für Clemens Brentano.

Alfred Elberts Lieblingsstock wirkt dagegen auf den ersten Blick unscheinbar. Doch mit wenigen Griffen hat er einen Queue für das Billardspiel herausgeschraubt. Damit habe er als Student bei abendlichen Kneipenbesuchen auf der Reeperbahn gepunktet, erzählt der Bayer-Pensionär mit verschmitztem Lächeln.

Tja, und der Stock, den er in Gebrauch hat, den hat er sich aus Haselnussholz selbst geschnitzt. Er begleitet ihn auf Pilgerwegen unter anderen nach Santiago de Compostela. Stocknägel erzählen von den unterschiedlichen Stationen.

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