HamburgMichael Strieker aus Leichlingen geriet in die Ausschreitungen beim G20-Gipfel

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Polizeieinsatz im Schanzenviertel

Leichlingen – Wie viele Leichlinger am Wochenende zufällig in die Krawalle beim G20-Gipfel in Hamburg geraten sind, weiß man nicht. Aber einer, der in seiner Heimatstadt sogar sehr bekannt ist, steckte unfreiwillig mittendrin: Michael Strieker war Augenzeuge der Ausschreitungen im Schanzenviertel. Und das bescherte dem 51-Jährigen am Sonntag sogar einen Empfang beim Bundespräsidenten – freilich nicht im Schloss Bellevue, sondern auf dem Polizeikommissariat 16 an der Lerchenstraße.

Michael Strieker ist Sohn der Leichlinger Bäcker- und Caféhaus-Familie vom Witzheldener Marktplatz und vom Stadtpark. 2014 hat das damalige CDU-Kreistagsmitglied Schlagzeilen gemacht, weil er als unabhängiger Kandidat bei der Bürgermeister-Wahl in Leichlingen angetreten ist.

Die gewann bekanntlich nicht er und auch nicht der offizielle CDU-Bewerber Rainer Hüttebräucker, sondern Frank Steffes (SPD). Inzwischen hat Strieker seine Zelte in Oberbüscherhof, wo er damals wohnte, abgebrochen. Seine Stelle bei der Deutschen Post AG in Bonn hat er nach 14 Jahren gekündigt. Ihn hat es aus privaten Gründen nach Hamburg verschlagen, wo seine dreijährige Tochter lebt und wo sich der gelernte Bäcker, Konditor, Diplom-Kaufmann und IT-Fachmann eine neue Existenz aufbauen will.

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Hautnah miterlebt

Am Freitagabend saß er im Schanzenviertel, dem Epizentrum der Zerstörungswut, und erlebte hautnah mit, wie vermummte Chaoten gegen 21.30 Uhr auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Filiale der SB-Kette Back-Factory am Schulterblatt 64 stürmten und plünderten.

„Sie haben ein Halteverbotsschild rausgerissen und damit wie mit einem Rammbock die Schaufensterscheibe zerstört“, schilderte er gestern dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die ganze Ladeneinrichtung sei demoliert, alle Getränke und Esswaren seien gestohlen worden. „Das ist Krieg hier“, schrieb er um Mitternacht entsetzt auf Facebook: „Was sorgt dafür, dass Menschen zu tollwütigen Tieren werden? Das hier ist ganz, ganz unten und dunkel!“

Michael Strieker (l.) mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz (r.).

Michael Strieker (l.) mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz (r.).

Die gespenstischen Szenen der Krawallnacht hätten auch ihn schockiert, gesteht Strieker, obwohl ihm als früherem Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Leichlingen Katastrophenszenarien nicht fremd sind: „Wenn man drei Stunden lang nachts im Dunkeln hockt und draußen Kolonnen von Wasserwerfern die Straße frei räumen, gefolgt von Hundertschaften der Polizei, dann hofft man irgendwann, dass man selbst da heil rauskommt.“

Ihm ist nichts geschehen. Aber am nächsten Tag bekam er zu seiner Überraschung plötzlich einen Anruf mit einer Einladung des Bundespräsidialamtes. Das konnte er zunächst selbst nicht glauben. Frank-Walter Steinmeier war in die Hansestadt geeilt, um sich über die Lage zu informieren und mit verletzten Polizisten und Bewohnern zu reden.

Gemeinsam mit Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz hatte er drei Dutzend Augenzeugen in die Polizeistation eingeladen, um sich aus erster Hand schildern zu lassen, wie es im Schanzenviertel zugegangen ist. Irgendwie hatte es sich herumgesprochen, dass Strieker die Krawalle miterlebt hat, und irgendjemand hat der Polizei seine Telefonnummer gegeben.

Der Leichlinger sagte zu – obwohl er eigentlich den dritten Geburtstag seiner Tochter feiern wollte. Er nahm sie kurzerhand zu dem nichtöffentlichen Treffen mit. Seine scherzhafte Bedingung, dass er aber nur komme, wenn die prominenten Politiker seinem Mädchen gratulieren würden, sollte sich tatsächlich erfüllen: Steinmeier und Scholz beglückwünschten das dabei auf einem Stuhl stehende Kind zum Geburtstag, stellten sich der Dreijährigen als „Ich bin der Frank...“ und „Ich bin der Olaf...“ vor.

Tags darauf bekam Strieker vom Bundespräsidialamt auch noch ein Erinnerungsfoto zu gemailt. Frank und Olaf, sie sind beide nicht die Parteifreunde Michael Striekers, der mittlerweile aus der CDU ausgetreten ist. Aber dass die beiden so ungezwungen und freundlich mit ihnen umgegangen sind, das hat den Augenzeugen aus Leichlingen schon sehr beeindruckt.

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