StadtbildStadt will Reklame-Wildwuchs in Leichlingen beschneiden

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Optisch grenzwertig: Der unter Denkmalschutz stehende 50er-Jahre-Pavillon am Leichlinger Busbahnhof erstickt unter Döner- und Pizza-Werbung.

Optisch grenzwertig: Der unter Denkmalschutz stehende 50er-Jahre-Pavillon am Leichlinger Busbahnhof erstickt unter Döner- und Pizza-Werbung.

Leichlingen – Am Anfang war das „City-Star-Board“ an der Bahnhofstraße. Als vor zwei Jahren die erste Mega-Werbetafel in den Garten der Imbissbude an der Kreuzung Peschecke gepflanzt wurde, war das Entsetzen in Leichlingen groß. Die 3,50 mal 2,50 Meter große beleuchtete Riesenreklame mit Discounterwerbung verschandelt nach Meinung vieler Beobachter die Gegend. Aus Gewerbe- und Industriegebieten am Stadtrand sind die XXL-Anzeigetafeln ja bekannt. Aber hier, mitten in der Stadt, gefallen sie niemandem.

Zu verhindern war die rund neun Quadratmeter große Außenwerbung gleichwohl nicht. Das Bauordnungsamt hatte keine Handhabe, die monströse Tafel zu verbieten, zumal sie auf einem Privatgrundstück steht. Sie ist zwar ein Blickfang, der Autofahrer ablenken könnte, aber der Mast steht nach Ansicht von Straßenbehörde und Polizei auch nicht so nah an der Ampelkreuzung, dass sie den Verkehr behindert.

Wildwuchs verhindern

Dieser Sündenfall, die Ankündigung weiterer ähnlicher Bauanträge, und der Umstand, dass die Verwaltung bisher relativ machtlos gegen solchen unerwünschten Wildwuchs ist, waren die Initialzündung für eine Debatte über das Stadtbild, die jetzt Fahrt aufnimmt. Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung beschloss die Aufstellung einer Gestaltungssatzung, die für zentrale Bereiche der Stadt verbindliche Festsetzungen für Ausmaß und Aussehen von Werbeanlagen trifft. Die Arbeit soll an ein Planungsbüro vergeben werden. Die Kosten werden auf 36 000 Euro geschätzt.

Die Satzung geht über die Riesenwerbe-Tafeln hinaus und wird auch Diskussionen über andere Leuchtreklamen, Geschäfts-Logos, Firmenschilder und Plakate auslösen. Was erlaubt und was künftig verboten werden soll, wie groß, bunt, hell oder hoch Schriftzüge sein dürfen, was zum bergischen Stadtbild passt und welche Verunstaltungen man lieber nicht mehr sehen möchte, wird zum Gegenstand von Erörterungen, an denen neben Händlern und Wirtschaftsvertretern auch die Bürgerschaft umfassend beteiligt werden soll. Den Satzungs-Bestimmungen wird eine Bestandsaufnahme vorausgehen. Es wird häufig um Geschmacksfragen gehen. Und ein aktueller Rundgang durch die Stadt liefert mannigfache Beispiele dafür, dass man darüber trefflich streiten wird.

Die Bandbreite reicht vom 30 Meter hohen angestrahlten Pferdekopf-Pylon des Reitsport-Fachmarkts an der Reusrather Straße über die vom Wirtschaftsförderungsverein ordentlich renovierten Litfaßsäulen bis zu den immer wieder wild an Zäunen hängenden billigen Papp-Plakaten. In der Brückenstraße prangt positives und negatives Anschauungsmaterial dicht an dicht über den Schaufenstern. Ein Ziel der Verwaltung wird es sein, die Geschäftsleute eher zu Schriftzügen mit einzelnen Buchstaben zu ermuntern, weil die gefälliger aussehen als die breiten Neonröhren-Kästen, die ganze Hausfassaden einnehmen. Wie das ABC wirkt, kann man etwa am Kodi-Eingang oder an den Apotheken eingangs der Brückenstraße anschauen. Oder am erhalten gebliebenen schönen Schreibschriftzug des Frese-Parks.

Fall für den Denkmalschutz

Geteilter Meinung wird man über den Pavillon am Busbahnhof sein. Einerseits muss man froh sein, dass der Kiosk nicht leer steht. Andererseits versinkt das unter Denkmalschutz stehende Flair des ovalen Unikums aus den 50er-Jahren mittlerweile in einer Flut von Döner- und Pizzaplakaten. Ein Fall vor allem für den Denkmalschutz. Der spielt auch im alten Dorfkern an der Mittelstraße und im Witzheldener Ortskern eine besondere Rolle, weil dort das gesamte Fachwerkensemble bereits vor dem Gröbsten geschützt ist. Die Verwaltung will die Gestaltungssatzung für vier Bereiche aufstellen: Die Innenstadt, die Witzheldener Ortsmitte, die Kreuzung Trompete und die Reusrather Straße sowie das Gewerbegebiet Unterschmitte/Bremsen.

Die Ratsfraktion der Grünen, die eine Gestaltungssatzung nach dem Auftauchen des Mastes an der Bahnhofstraße als erste beantragt hatte, wünschte sich zwar eine stadtweite Regelung. Aber Fachbereichsleiterin Andrea Murauer erklärte, dass es rechtlich nicht möglich sei, „irgendetwas überall zu verbieten. Wir schränken mit einer Satzung Rechte anderer ein. Da reicht es nicht, einfach zu sagen: Das gefällt uns nicht! Die klagen Sie in Grund und Boden und bekommen am Ende Recht.“

Da, wo sie nicht stören, müssten auch große Werbeanlagen erlaubt sein. Wie beim Pferdekopf von Reitsport Krämer, der für manche mittlerweile fast schon so eine heimische Landmarke darstellt wie das Bayer-Kreuz in Leverkusen.

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