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Autobahnpläne in LeverkusenExperte warnt davor, Deponie für Autobahn zu öffnen

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Arbeit unter Vollschutz: So wie bei den Probebohrungen müsste man auch beim Neubau des Spaghettiknotens vorgehen.

Arbeit unter Vollschutz: So wie bei den Probebohrungen müsste man auch beim Neubau des Spaghettiknotens vorgehen.

Leverkusen – Die Planung ist schon kompliziert. Ihre Beschreibung aber ist kaum zu überblicken. Selbst Experten müssen sich tagelang in die Unterlagen vertiefen um zu verstehen, wie Straßen NRW seine Idee umsetzen will, Leverkusen und den Kölner Stadtteil Merkenich mit einer neuen Rheinbrücke zu beglücken. Und als zwangsläufige Folge den Spaghettiknoten neu zu bauen. Die Verbindung zur A 59 steht komplett in der aufwendig abgeschotteten Deponie, in der Bayer über Jahrzehnte seinen Giftmüll und die Stadt ihren Abfall abgeladen hat.

Was es bedeutet, diesen Sarkophag zu öffnen und elf Brücken dort hinein zu bauen, hat Straßen NRW in den dreizehn Aktenordnern dargelegt. Hier und da, manchmal widersprüchlich – und unterm Strich unzutreffend. Meint Helmut Hesse. Der Diplom-Ingenieur aus Hannover hat zunächst für große Baufirmen gearbeitet. Später wurde er bauwirtschaftlicher Berater und vereidigter Sachverständiger in seinem Metier.

Auf Bitten der Bürgerliste und ihr nahestehender Bürgerinitiativen hat er die Unterlagen durchforstet, die Straßen NRW für das Planfeststellungsverfahren erstellt hat. Bis vorigen Dienstag konnte man die Akten in der Stadtverwaltung einsehen. Jetzt sind noch zwei Wochen Zeit, Einwendungen zu formulieren. So wird fundierte Kritik in diesem Prozedere genannt, das man am besten als Baugenehmigungsverfahren für Großprojekte beschreibt.

Wie Stuttgart 21

Gibt es erst einmal den Planfeststellungsbeschluss – quasi die Baugenehmigung – „ist es zu spät“, betonte Hesse, als er am Freitag erste Erkenntnisse aus seinem tagelangen Aktenstudium vorstellte. Die Erfahrung zeige, „dass viele erst wach werden, wenn die Bagger rollen. Ich sage nur: Stuttgart 21.“

Hesse hat sein Augenmerk zunächst auf die Angaben zum Neubau des Spaghettiknotens gerichtet. Der Plan für den Eingriff in die für 100 Millionen „mumifizierte“ Giftmüll-Deponie beunruhigt ihn: Straßen NRW will die gefährliche Wundertüte nur leicht anstechen. In einer Tiefe von zwei Metern sollen die Pfähle aufgesetzt werden, auf denen die Autobahn ruht. Darunter kommen noch mal gut und gerne zehn Meter Müll und Erde. Das Gemisch wird nach allen Regeln der Kunst entwässert, die entstehenden Gase abgeleitet und im nahen Sondermüllofen verbrannt. „So eine Deponie setzt sich“, erklärte Hesse in Wiesdorf. Eine Gründung im oberen Bereich einer derart labilen Masse „widerspricht klar den Gesetzen der Physik“.

Das hat man beim Bau des heutigen Knotens offenbar genauso gesehen. Die Pfähle sind ausweislich alter Baubeschreibungen in zehn bis 15 Meter Tiefe gegründet: unter der Deponie. Würde man so vorgehen, käme man auch zu ganz anderen Mengen an womöglich vergiftetem Erdreich, die unter Vollschutz weggebaggert und beseitigt werden müssten. In den Unterlagen von Straßen NRW sei entweder von gut 34 000 oder rund 87 000 Kubikmeter die Rede, je nachdem, wo man nachguckt.

Gefährlicher Aushub

Hesse kommt bei einer größeren Gründungstiefe der Pfeiler und entsprechenden Böschungen auf andere Dimensionen: bis zu 1,2 Millionen Kubikmeter. Die störungsfrei auszuheben und abzutransportieren, sei schwierig. Passiere dabei etwas, „müssten im schlimmsten Fall ganze Stadtteile evakuiert werden“.

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