DiskussionIntegration von Flüchtlingen in Leverkusen muss von Tag eins an beginnen

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Die Landesunterkunft für Flüchtlinge in der früheren Schule Görresstraße wird von der Awo betrieben.

Die Landesunterkunft für Flüchtlinge in der früheren Schule Görresstraße wird von der Awo betrieben.

Leverkusen – Schaffen wir das? Inzwischen teilen viele wieder die zuversichtliche Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass Deutschland die Aufnahme von Flüchtlingen gut bewältigen wird. Auch wenn es zeitweise ganz anders aussah. „Die Kommunen haben uns 2015 den Arsch gerettet“, drückte der stellvertretende Regierungspräsident von Köln, Wilhelm Steitz, es am Dienstagabend deftig aus.

In dem Jahr hatte Nordrhein-Westfalen die Aufnahme von 330.000 Flüchtlingen zu stemmen, 70.000 waren es im vergangenen Jahr, aktuell sind es landesweit etwa 2500 im Monat. Wie es in Zukunft weitergeht ist ungewiss. Nur eine Erkenntnis soll gewiss sein: Die Integration von Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind, sollte schon am ersten Tag beginnen.

Leverkusen schon immer von Zuwanderung geprägt

Auf diese Formel einigten sich die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion, zu der die Arbeiterwohlfahrt in ihre Alte Töpferei am Berliner Platz eingeladen hatte, in der es um den vom Landtag beschlossenen Integrationsplan NRW ging. Ein wenig Wahlkampf-Hilfe der Awo für die SPD war schon mit im Spiel, doch waren in Gestalt von Bürgermeister Bernhard Marewski und Ratsfraktionschef Thomas Eimermacher auch Christdemokraten gekommen, um die Debatte über Anspruch und Wirklichkeit der Integration von Flüchtlingen mit zu verfolgen.

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Ein Film von Adnan Salar dokumentiert den ZUE-Alltag.

Ein Film von Adnan Salar dokumentiert den ZUE-Alltag.

Dass Leverkusen immer schon von Zuwanderung geprägt worden sei, hob Marewski in seinem Grußwort hervor, in dem er an die Herkunft seiner Vorfahren in Pommern erinnerte und die „weltoffene Bürgerschaft“ Leverkusens lobte. Als Kind einer Gastarbeiter-Familie aus der Türkei, die in Deutschland heimisch wurde, blickte Ibrahim Yetim, integrationspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, selbst auf eine Integrationskarriere zurück.

Obwohl der Begriff in den 60ern nicht im Gebrauch war und heute ganz anders auf Spracherwerb und Wertevermittlung geachtet werde. „Wir dürfen die Fehler jener Zeit nicht wiederholen, sondern die gesellschaftliche Teilhabe vom ersten Tag an fördern.“

Von Einwanderung profitiert

Einen Zehn-Punkte-Plan hat die Landesregierung dazu aufgelegt, den Thorsten Klute, Integrationsstaatssekretär, schon einen Tag vor der Vorstellung in Düsseldorf in Opladen erläuterte. Deutschland sei – anderen Behauptungen zum Trotz – ein Einwanderungsland und NRW innerhalb Deutschlands an der Spitze. „Und unser Land hat von Einwanderung immer profitiert.“

Was aktuell mitunter Flüchtlingen zugeschrieben werde, sei nicht von ihnen verursacht, sondern durch sie deutlich geworden. Beispielsweise der Mangel an bezahlbarem Wohnraum. „Wir müssen den Sozialen Wohnungsbau wieder intensivieren“, forderte Klute und sah einen Wandel bereits im Bildungssystem eingeleitet, wo es statt weiterer Schulschließungen nun Tausende neuer Lehrerstellen gebe – „nicht nur für den Unterricht von Flüchtlingskindern; davon profitieren alle Kinder“.

Flüchtlinge müssen an der Gesellschaft teilhaben

Ihre praktischen Erfahrungen mit dem Betrieb der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) in der Görresstraße schilderten deren Leiterin Petra Jennen von der Awo und Rita Schillings vom Flüchtlingsrat Leverkusen. Die Aktivierung der Bewohner, eine gesellschaftliche Teilhabe sei ungeheuer wichtig, auch wenn sie nur vorübergehend sein sollte und ein dauerhafter Aufenthalt in Deutschland nicht möglich sei.

Der Spracherwerb sei in jedem Fall ein Gewinn und ermögliche ein anderes, besseres Miteinander. Wie das im Alltag der Unterkunft aussieht, belegte ein von Adnan Salar dort gedrehter Kurzfilm, der an diesem Abend vorgeführt wurde. Der aus dem Irak stammende Kurde hatte ihn im vergangenen Jahr in der Görresstraße gedreht.

Dass Integration auf Dauer aber nur gelingen kann, wenn „der Triathlon aus Bildung, Arbeit und Wohnen“, wie Staatssekretär Klute ihn benannte, bewältigt wird, Schulbesuch, Beruf und eine eigenen Wohnung zum Alltag werden, auch darüber waren sich die Diskutanten einig. Dafür aber stünden die Chancen gut, vor allem angesichts eines Arbeitsmarktes, der so aufnahmefähig sei wie nie zuvor. Immerhin hätten bereits sieben Prozent, der in den vergangenen zwei Jahren eingetroffenen Flüchtlinge in einem Beruf Fuß fassen können. Klute verbreitete Zuversicht: „Wir sind längst auf dem Weg, das zu schaffen.“

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