EhrenamtAbschied nach langer Hilfe von Tansania und aus Leverkusen

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Peter Jessen zieht sich aus Tansania zurück.

Peter Jessen zieht sich aus Tansania zurück.

Leverkusen – Anfang September fliegt Peter Jessen zurück nach Tansania, wie er es schon so oft getan hat. Seit mehr als 20 Jahren pendelt der 86-Jährige zwischen Deutschland und dem Land im Osten Afrikas.

Dort hat er Schulen, Schlafsäle und Geburtshäuser gebaut und Möbel repariert – ehrenamtlich. Mehr als eine halbe Million Euro an Spenden hat er dafür im Alleingang gesammelt.

Seine bevorstehende Reise nach Tansania wird jedoch seine letzte sein. Peter Jessen hat sich bereits in seiner Heimatstadt Flensburg auf einen Platz in einem Seniorenwohnheim beworben. „Ich möchte mein Leben dort zu Ende bringen“, sagt er.

Derzeit macht Peter Jessen noch Urlaub in Deutschland. Drei Tage hat er in Wiesdorf verbracht. „Ich wollte noch einmal nach Leverkusen, weil ich lange hier war“, sagt Jessen. 60 Jahre, um genau zu sein. So lange hatte er eine Wohnung angemietet.

Als vor elf Jahren seine Frau Irmgard starb, gab Jessen die Wohnung auf und zog zu seiner Tochter in die Nähe von München. Vorher hat er seine Urlaube in Leverkusen verbracht.

Nach seiner Lehre zum Maschinenschlosser in Norddeutschland heuerte Jessen bei Bayer an. Nachdem er seinen Meisterbrief erhalten hatte, schickte ihn das Innenministerium 1964 nach Ägypten, wo er sich am Aufbau einer Ingenieursschule in Kairo beteiligte.

Von Kairo aus ging es für Jessen 1973 nach Daressalam, der größten Stadt Tansanias. Dort half er, eine Ingenieurs-Fakultät an der Universität zu errichten.

1984 lief sein Vertrag aus. Zu diesem Zeitpunkt war Jessen bereits über 50 Jahre alt und hatte die vergangenen 20 Jahre in Afrika verbracht. „Beruflich hatte ich keinen Anschluss mehr“, sagt er. Jessen fasste deshalb einen mutigen Entschluss.

Er ging zurück nach Tansania und machte sich außerhalb von Daressalam selbstständig. Seine Firma stellte Betonblöcke her, die entweder 15, 30 oder 45 Zentimeter groß waren.

„Dadurch konnte man jedes Haus in jeder Größe bauen, wenn diese sich durch 15 teilen lässt“, erklärt Jessen. „Dann musste man keinen Block kaputt machen. Die Einwohner haben vorher mit ihren alten Maschinen riesige Blöcke gebaut, die alleine aber niemand tragen konnte. Ich war der erste, der etwas anders gemacht hat.“

Kindergarten errichtet

1993 ist Jessen in Rente gegangen. Zurückgezogen hat er sich aber nicht. Stattdessen nutzte er seine Rentnerzeit, um sich weiter in Tansania zu engagieren. In den vergangenen 20 Jahren hat er in und um Daressalam in Eigenarbeit mit einem kleinen Team 40 Klassenräume, elf Büros, neun Lehrerhäuser, zwei Schlafsäle, ein Schwesternhaus, zwei Säuglingsheime, eine Schule und ein Geburtshaus gebaut.

Besonders stolz ist er auf einen Kindergarten samt Wohnungen, den er für amerikanische Benediktinerinnen errichtet hat. Um das zu finanzieren hat er während seiner Aufenthalte in Deutschland eigenhändig 536 843,60 Euro an Spenden gesammelt, bis auf den letzten Cent in Jahresberichten aufgelistet.

„Anna und Ali“ hat er sein Projekt genannt. Anna steht für die christliche Bevölkerung des Landes, Ali für die muslimische. „Anna und Ali wurden in einem friedlichen, aber armen Land geboren. Weil die beiden einerseits das Glück haben, nicht in einem Krisengebiet zu wohnen, haben sie andererseits das Pech, dass sich kaum jemand für ihre Probleme interessiert“, schreibt Jessen über die imaginären Personen.

Im September wird Peter Jessen Anna und Ali noch einmal besuchen. Er wird dort weiter Möbel reparieren. Er baut selbst nicht mehr. Wenn Jessen jedoch seine Wohnung in Flensburg bezieht, sind Anna und Ali auf sich allein gestellt.

Die Entscheidung, das Projekt aufzugeben, ist ihm nicht leicht gefallen. „Die Spenden haben nachgelassen. Die Leute trauen mir nicht mehr zu, dass ich mit 86 noch viel machen kann“, sagt er. 12 426 Euro hat er im vergangenen Jahr noch eingesammelt.

Wenn er zurückblickt, ist er stolz auf das, was er geleistet hat. Einen Nachfolger gibt es jedoch noch nicht. Das wünscht sich Peter Jessen: „Ich denke, dass ich nichts falsch gemacht habe, dass ich etwas Gutes getan habe. Ich würde mich freuen, wenn es einen Nachfolger in der Art geben würde.“

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