ForderungenDarum will sich der Leverkusener Behindertenbeirat verändern

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Manuel Lindlar, Andreas Hollstein und Michael Dünner setzen sich für die Interessen von Menschen mit Behinderung ein.

Manuel Lindlar, Andreas Hollstein und Michael Dünner setzen sich für die Interessen von Menschen mit Behinderung ein.

Leverkusen – Wenn der Beirat für Menschen mit Behinderungen am 30. Januar zum nächsten Mal zusammentritt, wird sich in dem Gremium etwas grundsätzlich ändern müssen, darüber besteht Einigkeit.

Schon alleine, weil der Vorsitzende Harald Mohr dieses Amt nicht mehr weiter ausüben wird. „Ich biete seit drei Jahren an, den Vorsitz abzugeben, aber es hat sich einfach niemand gemeldet, der es machen wollte“, sagt der Geschäftsführer der Lebenshilfe, der so notgedrungen weitermachte. Nun stehe er aber aus Altersgründen definitiv nicht mehr zur Verfügung, es muss neu gewählt werden.

Der Verein Rollis Leverkusen ist unzufrieden mit der bisherigen Arbeit des seit 2000 bestehenden Gremiums, in dem der Verein selbst seit kurzem auch einen Sitz hat.

Er fordert eine Neuausrichtung. Zum einen missfällt dem zweiten Vorsitzenden Andreas Hollstein, dass der Beirat zuletzt nur einmal pro Jahr tagte. „Außerdem besteht der Beirat vor allem aus Vertretern von Sozialverbänden, es sollten viel mehr tatsächlich Betroffene darin sitzen“, sagt Hollstein.

Barrierefreiheit, bezahlbarer Wohnraum und eine besser Übersichtlichkeit über unabhängige Ansprechpartner für Menschen mit Behinderungen sind seine Hauptanliegen. Dem schließt sich Manuel Lindlar vom Deutschen Familienverband Leverkusen an, er fordert: „Der Beirat sollte ein Gremium sein, in dem sich die Sozialverbände mit Betroffenen zusammen setzen, um dann ihre Forderungen an die Politik weiterzutragen.“

Das sich Betroffene ausgegrenzt fühlen, kann Mohr nicht ganz nachvollziehen: „Wir haben zur letzten Sitzung alle Betroffenen eingeladen, erschienen sind nur sehr wenige.“ Seiner Meinung nach fehlt es nicht an Mitspracherecht, sondern an aktiver Beteiligung. Das zeige sich auch darin, dass der Rücklauf auf eine Fragebogenaktion, in der Anliegen und Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen in der Stadt erhoben werden sollten, „sehr spärlich“ ausgefallen sei.

Die Rollis Leverkusen

Als Anlaufstelle für alle Gehbehinderten, „alle die Rollen haben“ und deren Assistenten und Angehörige sehen sich die Rollis Leverkusen.

Der Verein hat derzeit 15 Mitglieder, er hat sich zum Ziel gesetzt, die Situation von Betroffenen durch Teilnahme an politischen Prozessen stetig zu verbessern.

Sie treffen sich jeden dritten Donnerstag im Monat im „Einfach da“, Breitenbachstraße 13-15 in der Wiesdorfer Innenstadt. Interessierte sind willkommen.

Mit der Gruppe „Rolli to go“ veranstalten sie regelmäßige Tagesausflüge, die speziell für Gehbehinderte ausgelegt sind, für 2017 stehen unter anderem ein Besuch im Gasometer Oberhausen, ein Stadtbummel durch Remagen und Ahrweiler und eine Schiffstour auf dem Rhein auf dem Programm. Informationen gibt es im Internet. (stes)

www.rollis-leverkusen.de

Die Ergebnisse daraus sollen in der Sitzung Ende des Monats vorgestellt werden. Die Kritik an der seltenen Einberufung des Beirats für Menschen mit Behinderungen versteht Mohr. Auch er würde sich ein aktiveres Gremium wünschen. Alleine fehlte es an Tagesordnungspunkten mit Relevanz für die Arbeit des Beirats und der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.

„Ich habe immer gesagt, dass ich gerne bereit bin, eine Sitzung einzuberufen, wenn es konkrete Themen zu besprechen gibt. Aber es kam nie etwas.“

Er habe absolutes Verständnis dafür, dass man mit dem Gremium mehr anfangen wolle und freue sich, wenn Vereine wie die Rollis sich einbringen wollen. Dabei gelte es aber auch immer zu beachten, die Interessen aller Menschen mit Behinderungen im Blick zu behalten – eine Frage der Interessensabwägung.

Michael Lindlar wünscht sich, den Behindertenbeirat in einen „Inklusionsbeirat“ umzuwandeln, in dem nicht nur Menschen mit Behinderungen bedacht werden, sondern alle Menschen, die Probleme mit Diskriminierung und Ausgrenzung haben, also etwa auch Homosexuelle und Senioren.

Sie alle hätten das gleiche Hauptproblem: Mangelnde Akzeptanz in der Gesellschaft. „Ein Kopf, aus dem: »dummer Krüppel« kommt, aus dem kommt auch »dumme Schwuchtel«“, sagt Lindlar.

Da gelte es, grundsätzlich etwas in der Gesellschaft zu ändern. Dem stimmt Michael Dünner, Schatzmeister der Rollis, zu: „Viele Menschen fangen auf einmal an, ganz langsam zu reden, wenn sie mit einem Rollstuhlfahrer sprechen. Als würden sie denken: »Der kann nicht laufen, dann kann der auch sonst nichts«.“ Ein „Inklusionsfest“ beispielsweise könnte Vorurteile abbauen und Verständnis füreinander erzeugen, überlegen Dünner, Hollstein und Lindlar.

Das wäre ein mögliches Projekt für ein Behindertengremium in Leverkusen – in welcher Form auch immer es künftig geführt wird. Mohr warnt davor, den Status als Beirat aufzugeben. „Damit ist das Gremium Teil der Stadtverwaltung und in der Gemeindeverordnung verankert, das ist ein hohes Gut.“

Er als Vorsitzender sei zum Beispiel zu allen Planungsvorhaben in der Stadt angehört und informiert worden. Unabhängig sei der Beirat dennoch, da der Bürgermeister jeden Vertreter einer Organisation auf Antrag zum Mitglied berufen kann und Politik und Verwaltung nur beratende Funktion haben.

„Der Beirat ist niemandem gegenüber verpflichtet.“ Außer natürlich den Betroffenen gegenüber.

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