Geschäftsaufgabe in LeverkusenDer Fremdenlegionär zieht ab

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Er schließt bald sein Fotogeschäft: Zuletzt hatte Wolfgang Greiss viel Ärger mit Ladendieben, deshalb trägt er eine Pistole.

Er schließt bald sein Fotogeschäft: Zuletzt hatte Wolfgang Greiss viel Ärger mit Ladendieben, deshalb trägt er eine Pistole.

Leverkusen – „Wer hier klaut, stirbt!“ Diese drohenden Worte stehen auf einem mit zwei Totenköpfen drapierten Schild am Eingang des Fotogeschäfts von Wolfgang Greiss an der Breidenbachstraße. Daneben hängt das Konterfei eines übel zugerichteten Mannes. „Der ist im Oktober 2012 hier eingebrochen. Als er ein Messer gezogen hat, habe ich ihn mit einem Knüppel abgewehrt“, erzählt der 67-jährige Geschäftsinhaber.

Abschreckend aber scheinen weder Schild noch Foto zu wirken – zumindest nicht auf jeden. „Vor einigen Tagen sind zwei junge Männer in meinen Laden marschiert und wollten Taschenlampen klauen. Ich wollte die Typen daran hindern. Es kam zum Kampf“, schildert der gebürtige Schlebuscher den jüngsten Vorfall und zeigt, wie als Beweis, auf zwei Pflaster, eines am Hals, das andere auf der Stirn. „Eine Platzwunde“, sagt Greiss kurz und knapp.

Schließlich ist der Fotohändler dabei glimpflich davon gekommen. 1988 habe ihn jemand in seinem Geschäft überfallen und den Darm aufgeschlitzt. „Es war an einem Samstagnachmittag. Ich lag blutüberströmt in einer Ecke. Zum Glück hat jemand den Rettungswagen gerufen. Ein halbes Jahr lang lag ich im St. Josef Krankenhaus“, erinnert sich Greiss genau. Dann zieht er sein Hemd hoch und präsentiert eine riesige Narbe. „49 Mal bin ich in den vergangenen 27 Jahren überfallen worden. Jetzt reicht es. Ich folge dem Rat meiner Freunde und schließe den Laden im Juni“, kündigt er die Aufgabe seines Geschäfts an.

Ein knallharter Vater

Am 28. November 1947 erblickte Wolfgang Greiss im Schlebuscher Krankenhaus das Licht der Welt. Die Eltern wohnten in der Nobelstraße. Der Vater arbeitete als Apotheker und führte von 1949 an zusammen mit seiner Frau ein Fotogeschäft in der Kölner Straße. Wolfgang besuchte zunächst die Volksschule in der Schulstraße, anschließend die Realschule in Schlebusch, ehe er auf Wunsch des „knallharten“ Vaters auf das Internat Schloss Wittgenstein kam – „damit auch ich ein harter Junge werden möge“.

Wolfgang Greiss war gerade mal fünf Jahre alt, als sein Vater, wie auch die Mutter mittlerweile verstorben, „in einem Kampf auf Leben und Tod einen Einbrecher im Laden umbrachte. In Notwehr, wie der Richter befand.“ Auch damals, in den 50er-Jahren, habe es immer wieder Überfälle gegeben: „Da wurden Seile über eine Straße gespannt, Motorradfahrer erkannten die Falle zu spät und stürzten. Diebe nutzten die Gelegenheit und rasten mit den Maschinen davon“.

Nach der mittleren Reife absolvierte Greiss eine Ausbildung zum Fotomechaniker und arbeitete im elterlichen Betrieb. Mit 19 Jahren fasste er während eines Urlaubs in Spanien den Entschluss zur Fremdenlegion (Fuerteventura) zu gehen: „Da lernte ich Fallschirmspringen, Kampftechniken und -tauchen, den Umgang mit allen möglichen Waffen – und natürlich mich zu wehren.“

Zurück in Leverkusen half Greiss wieder im elterlichen Geschäft, dass er später übernahm. Ungezählte Schmalfilmkameras, Filmprojektoren, alte Fotoapparate und Objektive wurden in all den Jahren in der eigenen Werkstatt repariert – und werden es noch. „Der Laden läuft nach wie vor gut“, sagt Greiss. Alle paar Minuten stehen Kunden an der Theke mit der alten Kurbelkasse, wollen Passfotos für acht Euro machen lassen, zwei gleich aussehende braune Rahmen kaufen, sind auf der Suche nach einem verloren gegangen Schräubchen für ihre 20 Jahre alte Pocketkamera – oder nach APS-Filmen. „Die sind in Europa nur sehr schwer zu bekommen. Ich beziehe die aus Japan“, erklärt Greiss stolz.

Unfassbare Zustände

Auf die Frage, warum es denn zu einer solch großen Anzahl von Überfällen auf seinen Laden gekommen ist, antwortet der Fotohändler mit einem süffisanten Lächeln: „Vermutlich, weil ich kein Schutzgeld zahle.“ Jeder, auch die Stadt und der Oberbürgermeister, wisse doch um die Gründe für die unfassbaren Zustände in der Breidenbachstraße. Aber Täter stünden hier unter Denkmalschutz. „Auch die Polizei reagiert nicht. Das war ja der Grund, warum ich zwei Gaspistolen und einen Knüppel griffbereit im Laden habe, um mich zu schützen“, beteuert Greiss.

Und was macht der 67-Jährige künftig in seiner Freizeit: „Dann setze ich mein Geschäft fort, fahre mit dem Wohnmobil von Ort zu Ort, kaufe und verkaufe auf Wochenmärkten. Das läuft“. Hoffentlich ohne Überfälle.

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