Mit „Queen Mary“ in die USALeverkusener ALS-Patientin erfüllt sich ihren Lebenstraum

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Die Koffer und Taschen sind gepackt, im Bild sieht man steht ein Drittel des gesamten Gepäcks. „Big Apple“ ruft: Kerstin Wirth und ihre Eltern Jörg und Margit brechen am heutigen Mittwoch auf, um von Southampton aus mit dem Schiff nach New York zu reisen.

Die Koffer und Taschen sind gepackt, im Bild sieht man steht ein Drittel des gesamten Gepäcks. „Big Apple“ ruft: Kerstin Wirth und ihre Eltern Jörg und Margit brechen am heutigen Mittwoch auf, um von Southampton aus mit dem Schiff nach New York zu reisen.

Leverkusen – Damit sich Kerstin Wirths größter Traum nach Jahren endlich erfüllt, muss nicht weniger als eine kleine Welt in Bewegung gesetzt werden. Denn die 26-jährige Leverkusenerin hat Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS (wir berichteten). Das ist eine degenerative Erkrankung des Nervensystems. Kerstin kann ihren Körper nicht mehr bewegen und ist ans Bett gefesselt. Sie muss beatmet werden und kann nicht mehr sprechen. Ihre Gefühle drückt sie mit dem Zucken des Mundwinkels aus.

Lange Reisevorbereitungen

Zudem nimmt sie an einer Therapie teil, bei der die Hirnströme von ALS-Patienten gemessen werden, um mit ihnen kommunizieren zu können. Kurzum: Die Krankheit hat ihr alles genommen. Nur nicht ihren Verstand. Und nicht ihren Traum, den sie schon hegte, als sie noch gesund war – und sich nichts mehr wünschte, als einmal nach New York zu kommen.

Ausgerechnet zu einer Zeit, als nichts unrealistischer erscheint als eine solche Reise, sagten ihre Eltern Jörg und Margit: „Wir machen es!“ Ende 2015 war das. Da begannen sie mit den Reisevorbereitungen. Andere Menschen buchen ihren Flieger nach New York, zahlen einen Spottpreis dafür und jetten ein paar Tage später über den großen Teich. Die Wirths müssen alles aufbringen, was aufzubringen ist: mehr als ein Dutzend Koffer. Eine Überfahrt mit dem Luxus-Liner „Queen Mary“, weil Kerstin im Flugzeug nicht hätte versorgt werden können. Ein barrierefreies Appartement in New York, wo die Wirths zwölf Tage lang leben können und das groß genug ist für Kerstins Bett und all das Gepäck. Ärzte als Ansprechpartner und Notfallhelfer auf dem Schiff und in den USA. Und dann müssen auch noch die Pfleger mit, die Kerstin täglich umsorgen.

Spenden ermöglichen die Reise

„Insgesamt“, sagt Jörg Wirth, „kostet uns die Reise 40 000 Euro.“ Denn die jeweils siebentägige Überfahrt auf dem Schiff ist nur möglich, weil die Wirths eine Suite gebucht haben, die teuerste Kategorie. Die Taxifahrt von Hafen bis zum Appartement wird umgerechnet 780 Euro kosten. Hinzu kommen Hunderte von Euro für die Verschiffung des Gepäcks, die Lebenshaltungskosten im Big Apple und die Bezahlung der drei Pfleger, die sich abwechseln werden.

Ohne Spenden wäre das niemals möglich gewesen, sagt Jörg Wirth und betont: „Wir sind allen, die geholfen haben, Kerstin diesen Traum zu erfüllen, so unendlich dankbar!“ 28 000 Euro seien so zusammengekommen. Zwei Tage vor der Abreise – die Wirths brechen am heutigen Mittwoch nach England auf, wo die „Queen Mary“ morgen von Southampton aus ablegen wird – kommen sogar noch Freunde der Familie vorbei und stecken den Dreien einen Umschlag mit einer Weihnachtskarte und einer 100-Dollar-Note zu. Kerstins Mundwinkel zuckt dabei nach oben: Sie lächelt. Und überhaupt: „Sie ist schon aufgeregt“, sagt Mutter Margit: Ihr Puls sei seit Tagen erhöht. Sie lache häufig. Sie weiß: Ihr Traum wird Wirklichkeit.

Kerstin als Vorbild für andere Patienten

Gleichzeitig sei Kerstin durch dieses „Großprojekt New York“ auch ein Vorbild für andere ALS-Patienten, von denen viele aus dem ganzen Land Kontakt zu den Wirths halten. „Sie sehen, dass Kerstin reist. Völlig egal, ob nun nach Amerika oder, wie im vergangen Sommer, an den Bodensee“, sagt Jörg Wirth. Entsprechend sei die Zahl derer, die diesen Super-Trip kritisieren, sehr klein. „Bis auf ein, zwei Personen haben uns alle Mut gemacht und Kerstin dazu gratuliert.“

Darunter auch der Comedian Jörg Knör, der Kerstin und ihre Eltern vor knapp einem Jahr zu seinem Auftritt ins Opladener Scala eingeladen und Kerstin dort eine selbst gedichtete Version von Sinatras „New York“ und Udo Jürgens’ „Ich war noch niemals in New York“ vorgetragen hatte.

Am 10. Januar kommt die Familie wieder zurück. Es sei denn, scherzt Vater Jörg, sie kaperten die „Queen Mary“ und führen mit ihr nach Namibia, wo Freunde lebten, die sie dann besuchen könnten. Alle lachen. Die Stimmung ist gut. Die Spannung wächst. Die Wirths aus Meckhofen sind bereit, den Traum wahr werden zu lassen.

Wer die Wirths virtuell (nicht nur) nach New York begleiten möchte, braucht nur einen Blick auf die Facebookseite (www.facebook.de) von Kerstin Wirth unter dem Titel „Unterstützt Kerstin“ zu werfen. Im „Leverkusener Anzeiger“ werden sie nach der Rückkehr außerdem von ihrer Reise berichten.

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