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Nahverkehr in LeverkusenEin ganz normaler Morgen in der Wupsi-Leitstelle

Lesezeit 5 Minuten
  • Insgesamt 140 Wupsi-Busse schwärmen jeden Tag in die Region aus.
  • Wir haben die Leitstunde an einem Morgen besucht.

Leverkusen – Früh, quasi noch mitten in der Nacht, beginnt der Arbeitstag für Jürgen Borghoff. Der Verkehrsmeister in der Wupsi-Leitstelle hat Frühschicht. Um kurz vor vier geht’s für ihn los. „Um 4.01 Uhr verlässt werktags unser erster Wagen den Betriebshof. Bis um 1.25 Uhr der letzte zurückkommt, muss die Leitstelle besetzt sein.“ Die ersten Aufgaben des Tages erledigt Borghoff, der nach einer halben Stunde Verstärkung von seinem Kollegen Wolfgang Neumann bekommt, routinemäßig.

„Ein Kollege fällt krankheitsbedingt aus. Da musste ich mich um Ersatz kümmern“, benennt Borghoff das dringendste Problem. „Dann habe ich die zwölf Fahrzeuge, die gestern erst nach Dienstschluss der Wartungsmitarbeiter um kurz nach Mitternacht von ihren Fahrten zurückkamen und dementsprechend erst heute Morgen betankt werden konnten, in den Plan integriert.“ Auch sämtliche Ein- und Ausfahrten werden von der Leitstelle aus geregelt. Das frühe Aufstehen stört die Verkehrsmeister nicht. „Zwei, drei halbe Tassen Kaffee und darauf ’nen Tee – dann passt das schon“, flachst Neumann.

Insgesamt 140 Wupsi-Busse, allesamt von den Herstellern Mercedes und MAN, schwärmen allmorgendlich von den Betriebshöfen in der Fixheide und in Bergisch Gladbach sowie den Wagenhallen in Kürten-Weiden und -Dürscheid aus. Etwa 100 starten an der Hauptverwaltung in der Fixheide, wo sich auch die Leitstelle befindet. Die Lage ist günstig, nämlich zentral, die Leerfahrten zu den Starthaltestellen im Stadtgebiet dauern maximal 18 Minuten.

Zu den knapp 140 eigenen Bussen kommen noch rund 40 Fahrzeuge der Subunternehmer Pütz, Hebbel und Willms hinzu, deren Touren ebenso von der Leitstelle in der Fixheide aus koordiniert werden. Jeden Tag befördert die Wupsi in Leverkusen und im Rheinisch-Bergischen Kreis rund 85 000 Fahrgäste auf 50 Linien mit insgesamt über 900 Haltestellen.

Um 7.15 Uhr sind alle 180 Fahrzeuge auf den Straßen. Auch die Werkstattmitarbeiter fahren in den Morgenstunden, wenn Berufs- und Schülerverkehr zusammenfallen und besonders viel Andrang herrscht. Heute ist es Wagen 158, der als letzter den Hof verlässt. Der Mercedes-Gelenkbus steuert die Waldsiedlung an, um von dort aus als E-Wagen die Linie 227 nach Leverkusen-Mitte zu verstärken. Bis 12.02 Uhr dreht Wagen 158 nun auf den Linien 212 und 227 seine Runden. Dann hat der Fahrer erst einmal eine längere Pause bis er nachmittags erneut aufbricht.

Leverkusener Infrastruktur am Limit

Mittlerweile ist Hochbetrieb auf den Straßen und nahezu alle Busse haben zumindest ein paar Minuten Verspätung. Die vielen Probleme sind fast schon Routine, aber doch jeden Tag anders: Schuld sind die vielen Baustellen und das generell hohe Verkehrsaufkommen. Das sei in den letzten Jahren schlimmer geworden. „Man merkt der Leverkusener Infrastruktur an, dass sie alt und am Limit ist“, berichtet Borghoff. Die Auswirkungen auf den Fahrbetrieb seien erheblich, fügt Kollege Neumann an: „Wenn Fahrer zu viel Verspätung ansammeln, können sie ihre gesetzlich vorgeschriebenen Pausenzeiten nicht mehr einhalten. Dann müssen wir reagieren.“

Es gebe Linien, die besonders anfällig für Verspätungen seien, allen voran die 208, die auf ihrer Tour von Mathildenhof zur Rheinallee erst die chronisch überlastete B51 und wenig später den ebenso weit über seine Kapazitätsgrenze hinaus beanspruchten Willy-Brandt-Ring passiert. Auch heute hakt es dort. Neumann tippt in seinen Rechner: „Aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens kommt es auf der Linie 208 zu Verspätungen von bis zu 20 Minuten.“ Der Text erscheint nach wenigen Mausklicks auf allen dynamischen Fahrgastanzeigen längs der Route.

„Wir haben für Extremfälle auch immer je einen Bereitschaftsfahrer für Leverkusen und Bergisch Gladbach, der kurzfristig einspringen kann.“ Der wird wenig später benötigt. Ein Fahrer steht am Busbahnhof Mitte und meldet, dass er in anderthalb Stunden in Monheim stehen und von dort dann nicht mehr zurückfahren dürfe, weil Verspätungen seine bisherigen Pausen aufgefressen haben. Neumann schickt den Fahrer in die Pause und aktiviert den Kollegen im Bereitschaftsdienst.

Tags zuvor gab es auf demselben Umlauf bereits dasselbe Problem. Da ist Neumann selbst eingesprungen und die Leitstelle war zeitweise nur durch eine Person besetzt. „Normalerweise arbeiten wir hier zu zweit. Nur abends ab Viertel nach acht und am Wochenende ist man alleine. Bei Engpässen lässt sich das aber nicht immer gewährleisten. Während der Grippewelle Anfang des Jahres ist jeder gefahren, der einen Schein hat, auch viele Verwaltungsmitarbeiter“, erzählt Neumann. Sein Kollege ergänzt: „Da mussten dann andere Sachen erst einmal liegen blieben. Die Aufrechterhaltung des Linienbetriebs hat immer oberste Priorität.“

Über Langeweile können sich die Leitstellenmitarbeiter generell nicht beklagen. Es gibt immer etwas schnell zu tun. Der Leiter der Wupsi-Verkehrssteuerung, Daniel Holtschneider, betritt den Raum: „Die Solinger Straße ist wieder frei“, verkündet er. Kurzes Überlegen: Sollen wir die Busse sofort wieder dort langfahren lassen? Man einigt sich, zuerst den Außendienstkollegen hinzuschicken, damit er die drei von der knapp zweiwöchigen Sperrung betroffenen Haltestellen freiräumt. Erst danach folgt der Sammelruf: „Die Linie 207 kann ab sofort wieder auf ihrem regulären Weg fahren.“

Kuriose Geschichten aus dem Alltag

Wenn man wie Jürgen Borghoff und Wolfgang Neumann seit über zehn Jahren auf der Leitstelle arbeitet, hat man selbstverständlich schon so allerhand Kurioses erlebt. „Vergessene Schultaschen hat man beinahe täglich. Ich hatte aber auch schon einmal ein verloren gegangenes Kind. Eine Mutter hatte neben ihrem Kinderwagen eine Menge Gepäck dabei. Als sie das gerade aus dem Bus ausgeladen hatte, schloss der Fahrer die Türen und fuhr ab. Dann stand die Mutter ohne ihr Kind an der Haltestelle“, erzählt Borghoff. Andere Leute hätten schon Rollatoren oder sogar ihr Gebiss im Bus vergessen. Eingeschlafene Fahrgäste seien ein Klassiker.

Nicht alle Geschichten aus dem Fundus der Verkehrsmeister sind so lustig. Ende vergangenen Jahres gab es eine Serie von Überfällen, bei denen die Kassen für den Fahrscheinverkauf gestohlen wurden. „Die Täter sind mittlerweile aber gefasst“, sagt Borghoff. Generell ist auch Vandalismus ein Problem. Trotzdem sei Leverkusen ein ruhiges Pflaster. „Es passiert verhältnismäßig wenig.“

Das ist mit Sicherheit auch der kontinuierlichen Ausweitung der Sicherheitsmaßnahmen geschuldet. So werden mittlerweile alle Fahrzeuge videoüberwacht, können so Geschehnisse im Bus aufgearbeitet werden. Seit fünf Jahren arbeitet die Wupsi webbasiert mit GPS-Daten. Mithilfe der Technik lässt sich auf 15 Meter exakt bestimmen, wo sich ein Fahrzeug gerade befindet. „Unsere Technik ermöglicht eine optimale Planung und Lenkung.“ Der bedarf es im ständig verstopften Leverkusen jeden Tag aufs Neue.

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