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Nicole HeinrichsLeverkusenerin schrieb Buch über den Tod ihrer neunjährigen Tochter

Lesezeit 4 Minuten
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Nicole Heinrichs schrieb das Buch "Konfetti& Tränen" über den Krebstod ihrer Tochter.

Leverkusen – Wider das Vergessen hat Nicole Heinrichs Wochenende um  Wochenende  geschrieben.

Die  Nichterinnerung  erschien der Leverkusenerin  schlimmer als die Gedanken an das Schicksal, ihre Tochter im Alter von neun Jahren  an Krebs verloren zu haben.  Schlimmer als die Erinnerungen an die ausgefallenen blonden weichen Kinderhaare.

Schlimmer als  die vielen vorgelesenen Bücher, die über quälende Untersuchungen hinweghelfen sollten. Schlimmer als der Moment, als das Sterben da ist. „Es beginnt. Das Sterben beginnt. Ihre Hände sind so seltsam gelblich und die Fingernägel bläulich“, schreibt  Heinrichs in  „Konfetti & Tränen“.  

Knochentumor diagnostiziert

In ihrem Buch erzählt sie die Lebens- und Krankheitsgeschichte ihrer geliebten Tochter, bei der im Alter von fünf Jahren ein Knochentumor diagnostiziert wurde. Doch das Werk ist nicht nur ein Buch vom Tod; es zeugt von einer unbändigen Lebensfreude, die das Glück trotz enormer Trauer zu finden wagte.

Auf die Idee mit dem Aufschreiben ist sie schon schnell nach dem Tod Helens gekommen. „Ich stellte fest, dass ich mich an einzelne Dinge nicht mehr erinnern konnte. Das tat so weh“, sagt Heinrichs.

So begann sie  zunächst für sich selbst Aufzeichnungen zu machen. „Dann habe ich gemerkt, das Buch wird auch anderen helfen, sonst hätte ich es wohl nicht zu Ende gebracht“, erinnert sie sich.

Normaler Alltag trotz Chemotherapie

Diese Disziplin zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. „Das ist ein Wesenszug von mir“, sagt Heinrichs.  Wenn das Schicksal voll ins Leben einbricht, hilft es zu kontrollieren, was zu kontrollieren ist.

„Ich glaube mit der großen Disziplin haben wir es geschafft, dass Helen ganz normal eingeschult worden ist und das große Ereignis nicht in der Krankenhausschule stattfinden musste.“  In ihrem Buch beschreibt die Unternehmerin, wie sie und ihr Mann, die Chemotherapien und anderen Behandlungen so getaktet haben,  dass Helen am ersten Schultag fit war und als i-Dötzchen mit rosa Schultüte teilnehmen konnte.

Ein ganz besonderer Tag  – wenn es auch danach immer wieder weite Strecken gibt, an denen kein regulärer Unterricht  möglich ist. Helen ist einfach zu krank. Dennoch schafft sie es, zu den Klassenbesten zu gehören.

„Vieles ist einfach nicht mehr so wichtig“

„Ich frage mich, wie sie durch die Schulzeit marschieren würde, wenn sie nicht diese Einschränkungen hätte. Wäre, hätte, immer wieder gedachte Wörter . . .“, schreibt die Autorin. Auch der Körper der Eltern hält der enormen Belastung stand. „Wir haben in den vier Jahren nie eine Erkältung bekommen“, so Heinrichs.

Sonst hätten Vater und Mutter nicht mit Helen zusammen sein können. Zu groß wäre das Risiko für das Kind mit dem angegriffenen Immunsystem gewesen. Jede Infektion hätte verheerende Folgen haben können.

„Jetzt bekommen wir natürlich auch wieder einen Schnupfen“, erzählt Heinrichs. Trotz Krankheit werden Feste ausgiebig gefeiert, egal wann und wo. „Niemand möchte freiwillig Silvester auf der Kinderonkologie sein“, heißt es in dem Buch.  Heimlich schleusen die Eltern Böller ins Krankenhaus.

„Die Knaller hinterlassen schwarze Flecken auf den  Bodenfliesen, und wir hören schon die Oberschwester schimpfen. Wir lachen, und es fühlt sich an wie Jugendherberge ohne Aufsicht.“   Helen lebt nun nicht mehr. Doch die Liebe ist geblieben  – zu Helen und zwischen den Eltern. Die Ehe ist nicht zerbrochen. Das schaffen nicht alle Paare. „Das Päckchen nehmen wir mit. Wir tragen es gemeinsam“, und ein Lächeln huscht über Heinrichs Gesicht.

So schaute sich das Paar etwa gemeinsam einen neuen Film mit der von Helen heiß geliebten Walt-Disney-Figur Tinkerbell an – schmerzhafte glückliche Momente. Doch ein grundsätzlich anderes Lebensgefühl ist geblieben. „Vieles ist einfach nicht mehr so wichtig“, sagt Heinrichs.  

Wenn nach einem Geschäftstermin  mitten in der Nacht die Koffer am Flughafen  eine Stunde lang auf sich wartenlassen, kann das die Leverkusenerin nicht mehr aufregen. „Wenn einem das Schlimmste passiert ist – nämlich der Tod des eigenen Kindes – dann verlieren die vermeintlich schlimmen Dinge an Bedeutung.“ 

Auf der einen Seite also eine große Gelassenheit, auf der anderen Seite eine höhere Sensibilität, die sich eingestellt hat: „Ich bin schneller gerührt als früher.“ Helen ist nicht vergessen. Konfetti und Tränen von  Nicole Heinrichs ist im Droemer Verlag  erhältlich (Preis: 14, 99 Euro).

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