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OberstadtdirektorDie Stasi vergaß die NS-Vergangenheit des Leverkuseners Otto Grimm

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Auftrag der Staatssicherheit in Ost-Berlin für eine Ermittlung. Das Zielobjekt Otto Grimm, Leverkusen, genauer zu untersuchen.

Auftrag der Staatssicherheit in Ost-Berlin für eine Ermittlung. Das Zielobjekt Otto Grimm, Leverkusen, genauer zu untersuchen.

Leverkusen – Die Stasi hat sich für den ehemaligen Oberstadtdirektor Otto Grimm interessiert. Grimm war während der Nazizeit als SA-Mitglied kontinuierlich bis zum Oberbürgermeister von Altenburg aufgestiegen. Dennoch hatte er in Leverkusen weiter Karriere machen können, weil er seine Vergangenheit als offenbar überzeugter Nazi trickreich abstreifen konnte und weil seine Akten, jedenfalls die, die in Archiven im Westen lagen, sauber waren. In den Archiven der DDR allerdings lagen belastende Akten mit Belegen für seine Verurteilung als Kriegsverbrecher (wir berichteten).

Spionage in der Kommune

Es lag nahe, dass das Ministerium für Staatssicherheit den belasteten Grimm leicht hätte erpressen können. Dazu kam es aber offenbar nicht. Die Stasi-Mitarbeiter erforschten die Leverkusener Zielperson Dr. Grimm zwar tatsächlich, sie taten das aber nur halbherzig. Die Auswertung der Papiere ist dennoch interessant, weil sie zeigt, dass sich die Ausforschungen der Staatssicherheit der DDR selbst bis auf die kommunale Leverkusener Beamten-Ebene bezogen haben. Und sie zeigt, wie schlampig die Stasi in diesem Leverkusener Fall gearbeitet hat.

Die Anforderung für Ermittlungen über Grimm an die berüchtigte Hauptabteilung VIII (zuständig für Beobachtung, Ermittlung, Durchsuchung, Festnahme) erging 1960, also drei Jahre vor Grimms Pensionierung.

Drei Aufgaben erhielten die Ermittler laut der Akte :

1) Welche Tätigkeiten übt G. aus?

2) Wie ist seine politische Einstellung?

3) Was für Verbindungen unterhält er?

Und den Auftrag: „Das Ergebnis der Ermittlungen wollen Sie uns bitte baldmöglichst zusenden.“ Unterschrieben vom stellvertretenden Hauptabteilungsleiter Oberstleutnant Kienberg.

Drei Monate brauchte die HA VIII, bis eine Antwort kam. Allerdings waren die Fakten von vorne bis hinten höchst schlampig recherchiert. Offenbar war ein Mitarbeiter nach Leverkusen gereist, der Erkundigungen eingeholt hatte: Er besah sich die von Grimm bewohnte Villa, gab die Adresse mit Friedrich-Ebert-Platz 2 an. Die im Volk „Villa Hügel“ genannte Dienstwohnung stand gleich hinterm ersten Rathaus, hatte aber die Adresse Rathenaustraße 6. Der Mitarbeiter hat offenbar in der Stadt herumgefragt, denn er schreibt: „Übereinstimmend wird Dr. Grimm als Oberstadtdirektor von Leverkusen bezeichnet.“ Auch der Dienstwagen wurde genannt: „ein Personenwagen vom Typ Mercedes 220 mit dem polizeilichen Kennzeichen Lev 2017“.

Über Grimms Parteizugehörigkeit schreibt der Stasimitarbeiter, hätten „Auskunftspersonen“ unterschiedliche Angaben gemacht: „So soll er einmal Mitglied der SPD sein und zum anderen der FDP.“ Das ehemalige NSDAP-Mitglied Grimm gehörte aber nach dem Krieg nach verfügbaren Quellen keiner Partei mehr an, die Wahl zum Leverkusener Stadtdirektor gewann er 1951 mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die SPD.

Schmutzige Details

Die weiteren Angaben, die die Stasi über Grimm sammelte, muss man einfach nur noch schlampig nennen: So habe Grimm dem Angestellten Krupp von der „IG Bayer-Leverkusen“ 31 Millionen zugeschoben, die dann laut der Auskunft undurchsichtig verwendet worden sein sollen. Sollte damit der spätere Verwaltungschef Bruno Krupp gemeint gewesen sein, dann lagen sie falsch, denn der arbeitete bei der AOK und nicht bei Bayer, bevor er in die städtischen Dienste wechselte.

Ein weiteres schmutziges Detail über die angeblich verkommene politische Landschaft Leverkusens teilte die Staatssicherheit ihrem Auftraggeber mit, aber auch diese Information war fehlerhaft: Der Oberbürgermeister Dopatka habe bei einer Autofahrt nach Bonn einen Unfall mit „2,5 pro mill Alkohol im Blut“ erlitten. Trotz des Tatbestandes sei Dopatka aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden. Tatsächlich war der Bundestagsabgeordnete auf der Bismarckstraße mit einem gehörigem Alkoholpegel erwischt worden; von einem Unfall haben gut informierte Zeitzeugen keine Kenntnis. Für eine Erpressung reichten die unzureichenden Informationen nicht. Es hätte genügt, wenn die Stasi in den Archiven der DDR nachgesehen hätte.

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