OpladenHannes Wader verabschiedet sich nach über 50 Jahren von seinem Publikum

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Hannes Wader stand voraussichtlich zum letzten Mal auf der Bühne des Opladener Scala-Clubs.

Hannes Wader stand voraussichtlich zum letzten Mal auf der Bühne des Opladener Scala-Clubs.

Leverkusen – „Heute hier, morgen dort“. So fängt es immer an. Das ist das Motto von Hannes Wader, diesem Urgestein der deutschen Liedermacherei. So beginnt er jedes seiner Konzerte. Bob Dylan ist auf „neverending Tour“. Hannes Wader ist heute hier, morgen dort. Und an diesem Abend ist er im Opladener Scala. Nicht zum ersten Mal. Sondern leider zum letzten Mal. Aber dazu später mehr.

Wahrheit und Glaubwürdigkeit

Denn erst einmal muss über diesen Auftritt geredet werden. Es ist einer zum genießen. Weil man als Hörer einfach nur dasitzt und zuhört und sich pausenlos denkt: „Ja, genau so ist das.“

Hannes Waders Songs, gesammelt in über 50 Jahren, sind an Wahrheit und Glaubwürdigkeit nicht nur übertreffende Retrospektiven über das eigene Leben, das er immer wieder mit dem Leben derjenigen verknüpft, die da vor ihm sitzen.

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Hier wird nichts verklärt oder schön geredet. Hier geht es nur darum, Momente herauszupicken. Das, was bleibt. Begegnungen in irischen Pubs und auf der Reeperbahn. Begegnungen auf diesem einen berühmten dem Weg nach Süden. „Ich gönne mir jetzt einfach mal ein paar nostalgische Gefühle“, sagt Hannes Wader dann und schwingt sanft mit der Melancholie-Keule, weil ihm die – trotz vieler Witzchen und Ironie-Spielchen zwischendurch – so viel näher liegt als der Friede-Freude-Eierkuchen-Hammer und das schlimme Selbstmitleids-Geseier, das viele seiner jungen Nachfolger heutzutage auf die Welt loslassen und das manchmal nicht zu ertragen ist.

Politischer Typ mit Überzeugungen

Hannes Wader dagegen ist jederzeit zu ertragen – weil er nie beliebig ist. Er hat Volksmusik aus zwei Jahrhunderten aufgesogen. Er kennt sich im Chanson ebenso aus wie unter den amerikanischen Geschichtenerzählen des Kalibers Pete Seeger. Und er ist ein politischer Typ mit Überzeugungen und einem maximalradikalen Ansatz der Menschlichkeit: Die Unterschicht steckt ihm im Blut. Der „kleine Mann“ ist sein Verbündeter gegen die da oben. Der Sozialismus gilt ihm – konsequent von Menschen für Menschen gelebt – als perfekte Staatsform.

Und Leuten, die ihm vorwerfen, in einem Lied wie „Trotz alledem“, welches sich damit beschäftigt, dass eine Handvoll Reicher auf diesem Erdball mehr als die Hälfte des Weltvermögens besitzen, nur „blanken Neid“ zu äußern, antwortet er: „Das ist kein blanker Neid. Das ist das nackte Entsetzen.“

Wichtige Lieder

Kurzum: Hannes Waders Lieder sind wichtig. Und wenn er, gerade in der heutigen Zeit, dann auch noch „Die Moorsoldaten“ oder „Wo sind all die Blumen hin?“ anstimmt, dann sind die Leute im Scala hin- und hergerissen zwischen Mitsingen und still sein, weil ihnen der Atem so sehr stockt.

Gehen lassen will ihm am Ende, wenn sich alle zum Applaus erheben, keiner. Aber sie werden ihn gehen lassen müssen: Denn Hannes Wader verbeugt sich, sammelt sich ein paar Sekunden – und verabschiedet sich mit den Sätzen: „An dieser Stelle müsste ich jetzt sagen: »Bis zum nächsten Mal hier in Leverkusen.« Aber ich kann es nicht. Denn ich habe mich entschieden, das Tournee-Leben zu beenden. Macht’s gut!“

Auch wenn es zuletzt hier und da zu hören war: Das ist ein kleiner Schock. Hannes Wader möchte nicht mehr heute hier, morgen dort sein. Und man kann das auch verstehen: Der Mann ist 74. Er hat das Recht, sich zur Ruhe zu setzen. Außerdem bleiben seine Lieder ja. Aber: Fehlen wird er trotzdem. Und das nicht nur in Leverkusen.

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