PunkrockerBela B. präsentiert im Opladener Scala sein Live-Hörspiel „Sartana“

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Alles für den Spaghettiwestern: Punkrocker Bela B. steht mit Sängerin Peta Devlin bei der Aufführung des Live-Hörspiels „Sartana – Noch warm und schon Sand drauf“ im Scala am Galgen.

Alles für den Spaghettiwestern: Punkrocker Bela B. steht mit Sängerin Peta Devlin bei der Aufführung des Live-Hörspiels „Sartana – Noch warm und schon Sand drauf“ im Scala am Galgen.

Leverkusen – Warum die Menschen bei ihm schon zweieinhalb Stunden vor Beginn der Show am Eingang stehen? Weil er zum deutschen Volksgut gehört natürlich.

Das sieht man ja spätestens, wenn alle drin sind im Opladener Scala und man den Überblick hat, wer da alles angereist ist, um Bela B. zu sehen: Fans seiner Hauptband Die Ärzte natürlich, die auf ihren Pullis die Daten jener Konzerte tragen, die sie von Bela, Farin und Rod zuletzt besucht haben. Ferner Menschen in schicker Abendgarderobe. Menschen in Multifunktionsjacken. Junge. Alte. Menschen, denen man ihre Revoluzzer-Einstellung und „Ich liebe Rock’n’Roll“-Attitüde ansieht. Und Menschen, denen man ansieht, dass sie ihre Ärzte-CDs im Regal neben Chris de Burgh, Pur und Richard Claydermann stehen haben. Fakt ist: Alle lieben Bela.

Nach ihm werden ja sogar Kinder benannt. Er ist schuld, dass hierzulande kein Mensch an den klassischen Komponisten Bela Bartók denkt, wenn der Name Bela B. fällt, sondern an einen Punker aus Berlin. Und weil er Volksgut ist, darf er, der ja eigentlich Dirk Felsenheimer heißt, eben auch einen Spaghetti-Western mit dem reichlich bescheuerten Namen „Sartana – Noch warm und schon Sand drauf“ als so genanntes Live-Hörspiel in Concert auf die Bühne bringen.

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Was jedem überzeugten Cineasten die Schamesröte ins Gesicht treiben und die Haare zu Berge stehen lassen würde, das wird mit Bela B. und seiner Truppe einen Abend lang zum Kult erhoben, denn der Meister weiß: „Der Spaghetti-Western ist der Punkrock unter den Filmgenres!“

Mitgebracht hat er sich für die Bühnenumsetzung des Hörspieles eine achtköpfige Schar von Mitstreitern, die in ihrer Zusammenstellung eine kleine Sensation ergeben. Eine Sensation, die jedem, der nicht ins Scala gekommen ist, die Zunge rausstreckt und zuruft: „Selber Schuld, wenn du dir sowas entgehen lässt!“

Mit namhafter Besetzung

Oliver Rohrbeck zum Beispiel ist gefühlt jedem Menschen über 30 bekannt als Stimme von Justus Jonas aus der Hörspiel-Krimiserie „Die drei ???“. Und alle, die ihn unwahrscheinlicherweise nicht als Justus Jonas kennen und die nicht mit ihm ihre Kindheit und Jugend vor portablen, leiernden Kasetten-abspielgeräten verbracht haben, kennen ihn als deutsche Synchronisationsstimme von Hollywood-Star Ben Stiller.

Die famose Countryband Smokestack Lightnin’ wiederum sowie die von einer Aura aus Grandezza, Coolness und Böses-Mädchen-Gehabe gleichermaßen umgebene Sängerin Peta Devlin tourten schon zigmal mit Bela durchs Land, als der gerade mal kein Arzt war und Solopfade einschlug. Schauspieler Moritz Führmann ist einer der bekanntesten Mimen am renommierten Düsseldorfer Schauspielhaus.

Und dann ist da ja noch Stefan Kaminski. Der Geräuschemacher und Stimmenmorpher. So jedenfalls hat Bela B. ihn im Vorfeld der „Sartana“-Sause angekündigt. So richtig vorstellen konnte man sich darunter nichts. Das jedoch ändert sich schlagartig, wenn diese Sause erstmal losgeht: Während die Band spielt, Bela mit Cowboyhut und Patronengurt und Colt singt und tanzt und den Sartana mimt, lässt Kaminski mit seinem Utensilien-Instrumentarium Hufklappern, Zigarrenknistern, Feuersbrünste, Explosionen und Schüsse erklingen. Zudem wechselt er als Sprecher binnen Sekunden vom wiehernden Pferd zur Barschlampe zum zwielichten Sherriff zum dicken Chinesen. Gesichtsmuskelentgleisungen und massenhaft Grimassen inklusive.

Am Ende der Aufführung, nach zwei Stunden und 45 Minuten plus Pause, hängt sich Bela B. dann eine Gitarre im Revolver-Look um den Hals, verabschiedet sich und hinterlässt ein völlig geplättetes Publikum.

Voller Glück und Dankbarkeit

Es ist geplättet ob dieser Reizüberflutung an Sprüchen und Geräuschen und Tönen und gespielten Tönen auf Telecaster-„Twang“-Gitarre und Kontrabass. Und es ist geplättet vor Glück und Dankbarkeit. Denn: Bela B. hat ihnen mit „Sartana“ gezeigt, dass es vollkommen in Ordnung ist, dem popkulturellen Trash zu huldigen. Dass es vollkommen in Ordnung ist, den Berufsintellektuellen dieser Welt, die Kunst nur danach beurteilen, wie viele Jahre man für sie studiert hat, auch mal den Stinkefinger zu zeigen.

Und dass es somit wiederum völlig okay ist, wenn man Filme nur wegen ihrer üblen Schurken, Ballereien und aberwitzigen Sprüche anschaut. „Da! Jetzt haste ’ne Delle im Bart. Dafür haben deine Plomben wieder Luft!“ Oder: „Dir haben sie wohl mit dem Hockeyschläger die Fontanelle gespalten!“ Oder: „Wo gehobelt wird, fallen Zähne!“ Das ist zweifelsohne viel Nonsens. Das ist aber auch eine Hommage an den Spaß an der Freude, der viel zu oft viel zu kurz kommt, wenn es um Kunst geht.

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